Schwalmtal Irgendwo zwischen Himmel und Erde

Schwalmtal · Mit "Szenen der Volksfrömmigkeit" sind die Tage der Kunst vom 26. bis 28. Juni überschrieben. Namhafte Künstler stellen an verschiedenen Orten in Schwalmtal aus. Eine Auseinandersetzung mit Religiosität, mit Glaube und Zweifel.

 In der Kapelle des Bethanien Kinderdorfs an der Ungerather Straße stellt Tanja Kolinko aus. Ihr Thema ist das "Alltägliche des Friedens".

In der Kapelle des Bethanien Kinderdorfs an der Ungerather Straße stellt Tanja Kolinko aus. Ihr Thema ist das "Alltägliche des Friedens".

Foto: Franz-Heinrich Busch

Für Fronleichnamsprozessionen werden Altäre festlich geschmückt. Sie stehen draußen, nicht in einer Kirche, werden nur für diesen Anlass bereitet. Solch einen Altar stellt der Heimatverein Waldniel für die "Tage der Kunst" im Hof der Heimatstube an der Niederstraße 52 in Waldniel auf. Der Altar ist der Ausgangspunkt für eine Reihe von Ausstellungen, die an dem Wochenende vom 26. bis 28. Juni an verschiedenen Orten in Schwalmtal zu sehen sind. Künstler öffnen ihre Ateliers, stellen in Kirchen, im Rathaus und in Fabrikhallen aus. Zum elften Mal finden die "Tage der Kunst" in Schwalmtal statt, in diesem Jahr tragen sie den Titel "Szenen der Volksfrömmigkeit".

Damit gliedert sich die Schwalmtaler Veranstaltung ein in die Reihe "himmelwärts" des Kulturraums Niederrhein. Am Niederrhein und in der Provinz Limburg nehmen viele Kulturorte teil. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit Religiosität, mit Glaube und Zweifeln, mit Gottesbildern und kirchlicher Tradition. In Viersen beispielsweise stellt die Ausstellung "Herzblut, oder: An welches Bild glaubst du?" in der Galerie im Park traditionellen Kunstwerken aus Viersener Kirchen Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenüber. Eine Einladung, sich mit dem eigenen Gottesbild auseinanderzusetzen.

Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Religiosität ist ein Wagnis, man braucht Mut dazu. Und die Künstler machen es den Besuchern auch in Schwalmtal nicht leicht. Wenngleich der Titel "Szenen der Volksfrömmigkeit" süßliche Motive beschwört, ist es eben das nicht. Kurator Bernd R. Meyer, der die Ausstellungsreihe "Unsere Galerie - Der Turm" in Amern betreut und mit einem Team von ehrenamtlichen Helfern die "Tage der Kunst" organisiert, fasst den Begriff der Volksfrömmigkeit deutlich weiter. "Jeder Mensch hat in seiner Biografie religiöse Anteile", sagt Meyer. Auch derjenige, der Religion ablehne, habe sich damit auseinandergesetzt. Und so finden sich unter diesem Oberbegriff vereint Künstler wie Arandus, der meist den Umgang der Kirche mit Tabuthemen in seinen Bildern aufgreift, sich aber auch mit christlicher Ikonographie beschäftigt, Jürgen Zaun, in dessen Steinskulpturen die Endlichkeit des Menschen präsent wird, Ute Schätzmüller, die intensive Momente in Graphit, Lithografietusche und Acryl festhält, oder Samira Witt, die einen ironischen Blick auf Darstellungen des Paradieses wirft.

Reizvoll ist die Präsentation der Kunstwerke an besonderen Orten. Es geht zwar "himmelwärts", doch wer Franziska Megerts Videoinstallation "Der Engel und die Andern" sehen möchte, muss in den Gewölbekeller des Waldnieler Rathauses hinabsteigen. In einer großen Fabrikhalle auf dem ehemaligen Rösler-Gelände sind mehrere Künstler und Fotografen vereint. Dort sind auch zwei größere Installationen zu sehen: Der Psychologe und Künstler Werner Schüssler baut dort seinen "mobilen Beichtstuhl" auf, der Fragen der persönlichen und kollektiven Verantwortung und Schuld thematisiert, Friedrich Ludmann stellt einen begehbaren Kubus aus, der den Titel "Silentium" trägt und sich mit den drei Prinzipien des Karthäuserordens, mit Einsamkeit, Schweigen und Stille, auseinandersetzt. Thea Weires zeigt, ebenfalls in der Fabrikhalle, großformatige Fotografien zu den sieben Todsünden.

Und auch, wenn die "Tage der Kunst" in Waldniel ihren Anfang haben, sollten Besucher unbedingt den Weg aus dem pittoresken Ortskern hinaus in Richtung Amern nehmen. Unterwegs lohnen Abstecher nach Schier und Vogelsrath in die Ateliers von Heidrun Pielen und Eva-Maria Leewe.

In Amern stellt Felix Droese in den Kirchen St. Anton und St. Georg aus, außerdem im Mühlenturm, gemeinsam mit Peer Boehm, Irmel Droese und Marcus Günther. Wilfried Diesterheft-Brehme stellt in der evangelischen Kirche am Kocks-kamp aus, und wer am Sonntag um 15 Uhr in die Kirche St. Anton in Amern kommt, hört ein Gespräch zwischen Pastor Dr. Wilhelm Kursawa und dem Künstler Felix Droese. Ihr Thema könnte auch das Motto dieses Wochenendes in Schwalmtal sein: "Religion trifft Kunst".

(RP)
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