Kreis Viersen Inklusion braucht ein schnelleres Tempo

Kreis Viersen · Der Behindertenbeauftragte der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Uwe Schummer, sieht nach einer Tagung mit der Uno in Genf Nachholbedarf in Deutschland. In technischen Bereichen, wie der Barrierefreiheit, ist das Land aber vorne.

Es gibt Lob für Bemühungen in Deutschland, die Gleichberechtigung behinderter Menschen zu fördern und ihnen Würde zu geben. Seitdem die Bundesrepublik im Jahr 2009 die entsprechende Konvention der Uno unterzeichnet hat, ist einiges in Bewegung gesetzt worden. Doch reicht das bei weitem nicht. Deutschland müsse das Tempo deutlich erhöhen, fordert der UN-Menschenrechtsausschuss.

Ein Beispiel dafür, dass das hochzivilisierte Deutschland Nachholbedarf hat, ist die Eingliederungshilfe als Leistung der Sozialhilfe. "Sie ist zeitlich begrenzt, hat eine Brückenfunktion. Wer behindert ist oder wird, ist aber zeitlebens beeinträchtigt. Er kann nach der Logik keine zeitlich begrenzte Zuwendung erhalten. Das muss dringend geändert werden", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer. Der Willicher ist Behindertenbeauftragter der Unions-Fraktion in Berlin. In dieser Funktion nahm er drei Tage an der Ausschusssitzung am europäischen UN-Sitz in Genf teil.

Schummer weiß um die Schwierigkeiten in Deutschland, die Konvention konsequent umzusetzen. "Vertretern anderer Nationen will nicht einleuchten, dass Deutschland kein zentralistischer Staat ist, in dem Berlin für alle bindend etwas festlegen kann. Die föderale Struktur dehnt Entscheidungswege aus und führt zu unterschiedlichen Beschlüssen."

Bei aller Kritik am mangelhaften Umsetzungstempo habe sich das Land Lob verdient. "Die Barrierefreiheit hat sich erheblich verbessert. Im Augenblick stellt der Bund 670 Millionen Euro zur Verfügung, damit Innenstädte und öffentliche Gebäude barrierefrei werden. Ich möchte unbedingt erreichen, dass im Paket des Bundes zur Entlastung der Kommunen, das 15 Milliarden Euro umfasst, neben digitalen Investitionen, Verkehrsinfrastruktur und Energieeffizienz Barrierefreiheit als vierter Faktor aufgenommen wird."

Der Abgeordnete, seit kurzem auch Vorsitzender der Lebenshilfe NRW, setzt auf eine "menschengerechte Stadt". Schummer verlangt, dass Planer, Architekten und Investoren von vornherein in Kategorien der Barrierefreiheit denken. "Das ist preiswerter als die spätere Ausrichtung auf dieses Ziel", sagt er.

Neu zu ordnen sind auch Strukturen. Als Beispiel nennt Schummer die Bündelung von Beratung und Unterstützung aus einer Hand. Aus der politischen Praxis nennt er ein Beispiel. Monatelang hätten sich Landschaftsverband und ein örtlicher Schulträger über einen Computer für einen sehbehinderten Schüler gestritten. Als geklärt war, dass der Schüler das Gerät auch außerhalb des Unterrichts brauche, war die Zuordnung zum Landschaftsverband geklärt. "Solche Konflikte zwischen Leistungsträgern dürfen nicht mehr vorkommen", kritisiert Schummer. Das Sozialgesetzbuch habe gerade in der Hilfe für Menschen mit Behinderungen erhebliche Defizite.

Dass behinderten Menschen, die Eingliederungsleistungen beziehen, aus der Systematik der Sozialhilfe heraus die Vermögensbildung verwehrt wird, wollen Politiker wie Schummer nicht länger hinnehmen. Mehr als 2600 Euro dürfen sie nicht haben, die Obergrenze wurde seit Jahren nicht mehr angehoben. Wenn wir behinderten Menschen ein eigenes Vermögen zugestehen, dann hat das etwas mit Würde zu tun", sagt er.

Schummer fordert, dass Inklusion stärker als bisher in der Bildung organisiert werden müsse. Ihm geht die inklusionsorientierte Umwandlung und Neustrukturierung von Werkstätten für behinderte Menschen viel zu langsam voran. "Das hohe Maß an Unterschiedlichkeit bremst die von der UN geforderten Prozesse", räumt Schummer ein. Ein Streitpunkt sei auch die Parallelität von Systemen - hier Regeleinrichtungen inklusive behinderter Menschen, dort spezielle Förderschulen und Werkstätten. Die Wahlfreiheit zwischen den Systemen will Schummer aber nicht aufgeben.

Zu wenig bewegt sich nach seiner Auffassung im allgemeinen Berufsleben. "Am Arbeitsmarkt ist immer noch nicht angekommen, dass behinderte Menschen ein wichtiges Potenzial bilden. Es fehlt das Bewusstsein", klagt er. Mit den Behindertenbeauftragten von SPD und Grünen will Schummer auf ein 150 Millionen Euro schweres Sonderprogramm hinarbeiten. Der CDU-Politiker und seine Kollegen wollen, dass die Umwandlung von Integrations- und Inklusionsbetrieben auf bundesweit 1600 verdoppelt wird.

Die größte Hoffnung setzt er in das neue Bundesteilhabegesetz: "Wir müssen im internationalen Vergleich auch hier besser werden." Mit dem Gesetz gehe Deutschland "erstmals aus der Separierung heraus", verspricht der Bundestagsabgeordnete.

(RP)
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