Bürgermeister Kalle Wassong "Ich habe gelernt, Geduld zu haben"

Niederkrüchten · Morgen ist Kalle Wassong ein Jahr im Amt. Ein Gespräch mit Niederkrüchtens Bürgermeister über die Herausforderungen der Zukunft

Bürgermeister Kalle Wassong: "Ich habe gelernt, Geduld zu haben"
Foto: Busch Franz-Heinrich sen.

Niederkrüchten Die Entwicklung des ehemaligen Flughafengeländes in Elmpt, die Entwicklung der Ortskerne, der Umgang mit dem demografischen Wandel und die Sicherung einer weiterführenden Schule - all diese Dinge stehen auf der To-do-Liste für die Gemeinde Niederkrüchten. Bürgermeister Kalle Wassong ist nun seit einem Jahr im Amt. In dieser Zeit habe er eine Menge gelernt, sagt er - auch, dass er mit einigen Dingen Geduld haben muss.

Das erste Jahr ist vorbei. Sind Sie im Bürgermeister-Amt angekommen?

Kalle Wassong Ja, ich bin gut angekommen. Hier sind viele Dinge, die meine Neugier und mein Interesse wecken, an die ich vor anderthalb Jahren nie gedacht hätte. Bauleitplanung oder Potenzialflächenanalyse für Windenergie zum Beispiel.

Der Edeka-Markt wird ja nun im Heineland gebaut. Sind Sie froh, dass der Streit beigelegt ist?

Wassong Ich glaube, meine Strategie, als Bürgermeister den schwierigen Prozess zu moderieren, mich nicht auf die eine oder andere Seite zu schlagen, ist aufgegangen. An Ratsdingen habe ich dadurch im ersten Jahr nahezu alles durchgemacht: geheime Wahl, Einschalten der Kommunalaufsicht, Ratsbeschluss beanstanden - das war für mich eine sehr intensive Lernphase in Sachen Ratsarbeit. Aber jetzt ist das durchgestanden und es gibt eine Einigkeit. Man hat auch gemerkt, dass die Bürger es nicht mehr hören konnten. Sie sagten zum Schluss: "Baut das Ding endlich, und dann lasst uns damit in Ruh'."

Wenn der neue Markt steht, wird es am Laurentiusmarkt leer.

Wassong Ja, der Laurentiusmarkt ist ein Sorgenkind, und ich fürchte, dass das auch so bleibt. Bis auf eine Fläche ist dort alles in privater Hand. Das Problem: Die Eigentümer der kleineren Ladenlokale finden keine Nachnutzer. Das ist in anderen Gemeinden ja ähnlich. Einen Teil der Flächen könnte man sicherlich zum Wohnen herrichten. Das gehört auch zu den Herausforderungen, die wir angehen müssen.

Das klingt nicht sehr optimistisch ...

Wassong Das Leben hat sich grundlegend geändert. Die Menschen möchten pittoreske Ortskerne mit kleinen Geschäften, attraktiven Restaurants und Cafés. Aber wenn sie da sind, geht keiner hin. Im schlimmsten Fall wird aus dem Mischgebiet ein Wohngebiet, und man hat nur noch die großen Märkte, die alles anbieten.

Brauchen Sie nicht mehr Wohnbauflächen, wenn im Gewerbe- und Industriepark auf dem Flugplatz Arbeitsplätze entstehen?

Wassong Menschen wollen da wohnen, wo sie arbeiten. Aber da macht uns die Regionalplanung einen Strich durch die Rechnung. Wir haben kaum noch Siedlungsflächen. Elmpt könnte man vielleicht ein wenig erweitern, aber das reicht nicht. Darum sitzen wir schon mit den Nachbarkommunen an einem Tisch, überlegen, wo die Menschen wohnen könnten. Die niederländische Nachbargemeinde Roerdalen etwa hat Platz. Darüber hinaus haben wir Leerstände. Die müssen wir entwickeln.

Haben sich schon Firmen bei Ihnen gemeldet, die sich gern auf dem Flughafengelände ansiedeln würden?

Wassong Oh ja, es gibt einen ganzen Ordner voller Schreiben - mit ganz konkreten, aber auch eher abstrusen Ideen. Wir haben eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben, um herauszufinden, welche Betriebe sich für die Fläche gut eignen. Nehmen wir zehn Logistikunternehmen, ist alles voll. Sollten wir kleinere Betriebe nehmen? Einen Standort für die Wissenschaft aufbauen? Liegt die Analyse vor, werden wir die aktive Entwicklung in der Entwicklungsgesellschaft Gewerbe- und Energiepark Elmpt in Angriff nehmen. 20 bis 25 Hektar werden zudem für kleinteiliges Gewerbe entwickelt, das werden wir als erstes angehen.

Brauchen Sie dann nicht auch Hotels oder Unterkünfte für Monteure?

Wassong Ja, die Entwicklung des Flughafengeländes könnte für Hotels interessant sein. Da sehe ich auch Möglichkeiten in Niederkrüchten selbst, aber auch in den Nachbarkommunen. Wir brauchen kurzfristige Wohnmöglichkeiten - für einige Tage, Wochen, Monate.

Haben Sie es als parteiloser Bürgermeister schwerer als Kollegen?

Wassong Nein, eigentlich nicht. Ich habe versucht, mit Kommunikation, Authentizität und Transparenz im ersten Jahr Vertrauen zu schaffen. Ich bin ein Netzwerker, und ich habe einen guten Kontakt zu den Entscheidungsträgern in der Politik gefunden. Ich informiere sie über alles. Das ist zeitintensiv, aber mit Blick auf die großen Dinge, die wir hier vor uns haben, unerlässlich. Mir machen mein Amt und die damit verbundenen Aufgaben viel Spaß!

Mit den Bürgermeistern aus Brüggen und Schwalmtal wollten Sie die interkommunale Zusammenarbeit verbessern. Wie kommen Sie voran?

Wassong Die interkommunale Zusammenarbeit ist ein zartes Pflänzchen, das zu einer starken Staude wachsen darf, wenn es nach mir geht. Ein Beispiel: Wir haben zwei marode Bäder, an denen in 15, 20 Jahren kaum etwas gemacht wurde. Würde man sie zukunftsfähig machen wollen, müsste man sicherlich einen nicht vertretbaren finanziellen Aufwand betreiben müssen. Schwalmtal hat ein Bad, Brüggen denkt über die Zukunft beider Bäder ebenfalls nach. Für 45.000 Menschen haben wir also fünf Bäder. Ich könnte mir gut ein abgestimmtes Bäderkonzept und den Bau eines gemeinsamen Bades vorstellen, und man sollte es dort bauen, wo es sinnvoll ist.

An der gemeinsamen Schulentwicklungsplanung für Brüggen, Niederkrüchten und Schwalmtal wird gearbeitet. Was erhoffen Sie sich davon?

Wassong Dass wir es schaffen, in allen drei Gemeinden mindestens eine weiterführende Schule aufrechtzuerhalten. Auch hier kann ich mir vorstellen, durch interkommunale Kooperation weiterzukommen.

Das heißt?

Wassong Vielleicht richtet man eine Schule mit zwei Standorten ein. Eine zweite Gesamtschule wird es nicht geben, das wird die Bezirksregierung nicht zulassen. Und man weiß auch nicht, was sich die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann noch einfallen lässt. Die Situation wird mit jeder Einführung einer neuen Schulform ja nicht leichter. Wir müssen das positiv angehen, für die Schüler eine brauchbare Schulform finden. Ich will der Schulentwicklungsplanung nicht vorgreifen, aber das Interesse an einer gemeinsamen Lösung ist da.

Brüggen hat die Gesamtschule, Schwalmtal Realschule und Gymnasium - hat Niederkrüchten bei Eltern schlechte Karten?

Wassong Nein. Wir haben eine sehr gute Kindergartenversorgung und zwei sehr gute Grundschulen und eine Realschule. Bis zum Ende der Primarstufe ist Niederkrüchten für die Zukunft sehr gut ausgestattet. Auch gibt es einen regen Reiseverkehr der Schüler - von Brüggen nach Niederkrüchten, von Niederkrüchten nach Schwalmtal. Ich glaube, dass es wichtig ist, in der Gemeinde einen Standort zu haben sowie ein Angebot, das darüber hinaus geht.

Was machen Sie mit den Fördermitteln aus "Gute Schule 2020"?

Wassong Es gibt Planungen, in Niederkrüchten ein Schulzentrum zu schaffen. Man könnte das Hauptschulgebäude einbinden, dort eventuell die Grundschule Niederkrüchten unterbringen. Dazu brauchen wir sicherlich Geld, um die Gebäude entsprechend herzurichten. Für die Grundschule wäre das praktisch, dort wäre Platz für die Übermittagsbetreuung, die Schule könnte Turnhallen und Begegnungsstätte nutzen. Vorbehaltlich der politischen Willensbildung würde ich sagen: Das Geld kommt gerade zum rechten Zeitpunkt.

Was war die wichtigste Lektion, die Sie im ersten Jahr gelernt haben?

Wassong Ich würde sagen, ich habe eine wichtige Erkenntnis gewonnen - nämlich die, dass im politischen Bereich und in der Verwaltung die Dinge nicht so schnell umzusetzen sind, wie man meint, dass es nötig wäre. Ich appelliere da an meine eigene Geduld. Eine Lernerfahrung ist auch, dass man viel bewegen kann, wenn man die Menschen mitnimmt, wenn man niemanden vergisst - von mir ein klares Ja zur Beteiligung. Was ich auch erkannt habe: dass in unserer Gemeinde viel Energie steckt, dass sie positive Gestaltungsmöglichkeiten hat - und dass die Menschen hier bereit sind, sich begeistern zu lassen.

BIRGITTA RONGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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