Niederkrüchten Hundert Jahre Lustbarkeit

Niederkrüchten · Der Theaterverein Erholung Overhetfeld feiert Jubiläum. Am 9. Dezember 1908 stellte Vorsitzender Carl Wolters den Antrag auf Genehmigung der Gründungssatzung an Bürgermeister Heinrichs. Das Dokument ziert die Chronik.

Das genaue Gründungsdatum war jahrzehntelang ungewiss. Jetzt brachte es ein Dokument aus dem Kreisarchiv in Kempen an den Tag: Carl Wolters jr. beehrte sich, am 9. Dezember 1908 beim Elmpter Bürgermeister den Antrag auf Genehmigung der Gründung des Junggesellen-Vereins "Erholung" zu Overhetfeld zu stellen. Ein Bild des Briefes ist vorn auf der Festschrift abgebildet, die André Delißen, Hans-Peter Jansen und Christof Bongartz erstellt haben.

Die erste Satzung schrieb fest, dass nur Jünglinge aus Overhetfeld, die wenigstens siebzehneinhalb Jahre alt waren, dem Junggesellen-Verein beitreten durften. Traten sie in den Ehestand, wurden sie von der "aktiven Liste" gestrichen und konnten für einen Jahresbeitrag von einer Mark Ehrenmitglied werden (Aktive zahlten zehn Pfennig Monatsbeitrag). Der Verein hatte "den Zweck, die Geselligkeit durch einen durchaus zwanglosen, jeden Standesunterschied ausschließenden Verkehr unter ihren Mitgliedern zu pflegen und zur Unterhaltung derselben beizutragen". Und das tut er bis heute – allerdings auch mit gestandenen Mannsbildern und seit den 1920er Jahren mit Frauen auf der Bühne.

Ein Dutzend junger Männer habe in der Küche des Gastwirts Lenhsen den Verein gegründet, berichtete im 60. Jubiläumsjahr Heinrich Smets. Außer ihm waren die Namen Cornelius Timmermanns, Theodor Polms, Jacob Hammes und Carl Wolters jr. bekannt. Im Februar 1910 erteilte Bürgermeister Heinrichs dem Junggesellen-Verein die polizeiliche Erlaubnis, "am Dienstag den 2. Februar d. Jrs. im Lokale des Wirten H. Lenhsen daselbst öffentlich Theatervorstellungen von 5 Uhr nachmittags bis 11 Uhr abends darzubieten". An Lustbarkeitssteuer waren drei Mark in die Gemeindekasse fällig.

Voraussetzung für die Genehmigung war, dass Männer die Frauenrollen spielten. Denn in der Kaiserzeit galt es als unmoralisch, dass Damen auf einer Bühne auftraten. 1927 dokumentiert ein Protokoll, dass auch unverheiratete Mädchen an einer Theateraufführung mitwirkten. In der ersten Versammlung nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 – man spielte "Die Zigeunerin von Rocca Valla" – wurde beschlossen, auch verheiratete Männer beitreten zu lassen: Aus dem Junggesellen- wurde der Theaterverein Erholung. 1973 muss es einen "Spielerinnenmangel" gegeben haben: Laut Satzungsänderung durften nun verheiratete Frauen mitspielen. Mitglied werden durften sie aber noch lange nicht: Dafür gab es nur drei Befürworter bei 42 Nein-Stimmen. Nach drei Anläufen war es erst 2003 gestattet, Frauen in den Verein aufzunehmen.

Seit Jahrzehnten wird das heitere Vereinslied gesungen: "Solche Burschen, wie wir sind, ja die findet man selten, denn sie wachsen an der Dorfkull, denn sie wachsen an der Dorfkull, denn sie wachsen an der Dorfkull wie die Rosen und die Nelken."

(RP)
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