Serie Auf einen Kaffee in ... (3) Hinsbeck - das Bergdorf mit den eigenen Regeln
Viersen · Der Bäcker, die Kirche, der Sportverein ... Die Nettetaler kennen ihre Ortsteile. Aber wie würde eine fremde Person sie wahrnehmen, wenn sie dort auf einen Kaffee hält? Aus dieser Perspektive stellen wir Nettetals Stadtteile vor. Heute: Hinsbeck.
Bergvölker sind eigenwillig. Das ist offenbar auch in Hinsbeck so. Der rüstige Rentner plaudert zunächst munter drauf los: "Hinsbeck ist so schön, weil es so schöne Leute hat und so ehrliche ..." Aber seinen Namen möchte er nicht nennen. Auf keinen Fall!
Auch die Bäckereifachverkäuferin möchte lieber anonym bleiben. Man weiß ja nie. Natürlich kennt sie fast jedes Gesicht. Sie weiß, wer wann drei Brötchen bestellt. Den Preis muss sie vielen Kunden eigentlich auch nicht mehr nennen. "1,30 Euro bitte, aber das wissen Sie ja!" Nur die jungen Kunden, die aus der Jugendherberge herüber gelaufen kommen, wechseln beständig. Das ganze Jahr über bevölkern sie das hübsche Hinsbeck, das im Vergleich zum übrigen Niederrhein tatsächlich einige Hügelchen vorweist.
St. Peter thront majestätisch auf einer Anhöhe über dem Ortskern, wie es sich für eine katholische Kirche gehört. Um das gewaltige Gebäude herum sortieren sich zwei Bäckereien, Geldinstitute, eine obligatorische Döner-Bude, ein paar Geschäftchen. Die Fensterläden sind bunt gestrichen. Auf der Straße herrscht ein Kommen und Gehen, oder vielmehr: Hinfahren und Herfahren. Zu Fuß sind am Montagmorgen wenige unterwegs.
Ein paar Senioren haben sich im Café der Bäckerei Stinges getroffen. "Einmal pro Woche treffen wir uns. Dann ziehen wir alles durch den Kakao", sagt Emilie Sontowski, genannt Emmi, lächelnd. Die rüstige 70-Jährige ist in Hinsbeck zur Schule gegangen. Was sie an ihrem Heimatort schätzt: "Es ist landschaftlich sehr schön. Im Sommer kann man hier sehr gut Fahrrad fahren", sagt die 70-Jährige. Für die Sonntage allerdings würde sie sich noch ein weiteres schönes Café wünschen.
Überhaupt war früher doch alles besser. Na ja, vieles, finden einige aus der Montag-Morgen-Senioren-Kaffeeklatsch-Runde. Die Leute geselliger, die Kneipen voller, der Ortskern schöner... wobei sich die Hinsbecker da eigentlich nicht beschweren können.
"Früher stand dort, wo heute die Sparkasse ist, die Polizeistation. Da konnte man zum Fenster hineingucken und sehen, ob jemand im Gefängnis sitzt", erinnert sich Hans Giesen. Der 74-Jährige gehört ebenfalls zu dem Senioren-Clübchen. "Ich bin hier geboren", sagt er schlicht. Gearbeitet hat er über 40 Jahre bei der Polsterei Terstappen in Bracht. Für ein kleines Bergdorf hat Hinsbeck ein reges Vereinsleben: Drei Bruderschaften gibt es und zwei Karnevalsvereine. Beim Kinderkarnevalsumzug geben sich Bewohner der Hinsbecker Schweiz eigen: Unter dem Motto "Karneval verkehrt" werden beim Umzug die Kinder mit Kamelle beworfen. "Das hat der Lehrer Helmut Dreßen vor über 30 Jahren ins Leben gerufen", erzählt Giesen.
Auch die Stammenmühle, höchster Punkt von Hinsbeck, hat ihre Besonderheit. Dort lebt und arbeitet der Geigenbauer Bernhard Zanders, und er betreibt dort den Verein "Friends of British Royalty - German Section".
Eine, die die Natur schätzt, aber wegen des Studiums wegzog, ist Helena Koll. Die 19-jährige studiert in Aachen Kommunikationsdesign. "Für die Jugend gibt es hier nicht viel, und die Busverbindungen sind schwierig. Nach Krefeld beispielsweise kommt man nicht auf direktem Wege", sagt die Studentin. Die reifere Jugend könnte einen Festsaal gebrauchen, meinen die Hinsbecker Senioren im Café. Nicht nur viele Fahrradausflügler und Jugendherbergsbesucher zieht es nach Hinsbeck. Städter ziehen hierher, sagt die Rentner-Runde. "Für gute Luft und Ruhe. Wenn es beim Schützenfest oder Karneval mal laut wird, rufen sie das Ordnungsamt", frotzelt einer. "Fremde haben es hier aber auch nicht so leicht", meint Sontowski beschwichtigend.
Aram Rostam beispielsweise ist als Fremder nach Hinsbeck gekommen. Durch Zufall. Im Oktober 2013 hat der 26-Jährige dort den Imbiss Pizzeria Royal übernommen. Vorher hat er in Straelen Pizza gebacken, Döner gegrillt und Pommes fritiert. Das Geschäft laufe gut, inzwischen. "Die Leute sind ruhig und freundlich", erzählt der Gastronom. "Am Anfang war es ein bisschen schwierig. Man musste erst das Eisbrechen." Bergvölker sind eben eigenwillig.