Viersen Heinz Henschel — Viersens unbekannter Künstler

Viersen · Fast 50 Jahre lebte er in Dülken. Erst nach seinem Tod stellte sein Nachbar fest: Henschel war Maler. Er hinterlässt gut 1000 Werke. Ein Teil ist ab 18. Februar erstmals in Kevelaer zu sehen

 Selbstporträt von 1983, Kaltnadelradierung.

Selbstporträt von 1983, Kaltnadelradierung.

Foto: Matthias David

Das ist eine dieser Geschichten, die man als Kunstliebhaber am liebsten selbst erleben möchte: Da lebt ein Mann in Dülken fast 50 Jahre lang nebenan und stellt sich nach seinem Tod als akribischer, unermüdlicher, vielfältiger und ernstzunehmender Künstler heraus. Ein anderer Mann übernimmt - da ersterer keine Familie hat - die Aufgabe, sich um die Hinterlassenschaften zu kümmern und entdeckt eine Fülle an Radierungen, Zeichnungen, Gemälden - etwa 1000 Werke sind es wohl. Eine Nacht lang versinkt er darin.

 Heinz Henschel war ein Perfektionist und lebte sehr zurückgezogen in Viersen.

Heinz Henschel war ein Perfektionist und lebte sehr zurückgezogen in Viersen.

Foto: Matthias David

Der eine Mann, das ist Heinz Henschel. Der andere sein Nachbar aus dessen Kinder- und Jugendtagen, Matthias David. "Heinz Henschel hat 50 Jahre lang unentdeckt vor sich hin gemalt", beschreibt David das, was Henschel gemacht hat. In allem, was er anpackte - sei es beruflich oder privat - strebte er Perfektion an. Henschel war, so David, ein Einzelgänger. Gab es ein Fest in dem Haus, in dem Henschel, David und andere Menschen wohnten, zog Henschel sich schnell zurück - unter irgendeinem Vorwand.

Matthias David ist eigentlich IT-Experte und mittlerweile Heinz Henschel-Experte. "Zwei Jahre lang habe ich die Bilder digitalisiert, ausgemessen und ein Werkverzeichnis erstellt." Und er hat sie alle neu gerahmt. Denn demnächst wird ein Teil der Werke des Vierseners erstmalig öffentlich gezeigt: im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte in Kevelaer, zu dem David auf der Suche nach einer Ausstellungsmöglichkeit über Kontakte gelangte. Der Kunstverein Gelderland zeigt ebenfalls bereits Interesse an Heinz Henschels Arbeiten.

Und was hat Henschel gemalt, gezeichnet, gedruckt? In seinen Aquarellen, Bleistiftzeichnungen, Collagen und Blättern mit Filzstift, Buntstift und Tusche auf allen möglichen Bildträgern finden sich abstrakte Kompositionen, Porträts, Schiffe, Landschaften, Tierdarstellungen. Man entdeckt hier und da Anklänge an den Expressionisten Jawlensky, an den Symbolismus eines Munch. Aber auf dem Weg über das Kopieren von Motiven - etwas, das lange zur Ausbildung von Malern gehörte - gelangte Henschel zu einer selbstständigen und originalen Handschrift.

Mit all dem war Heinz Henschel wahrlich ein "Wanderer zwischen den Welten", wie es der Titel der Kevelaerer Ausstellung beschreibt. Düstere Porträts, leichte Landschaftsbilder, dynamische Zeichnungen - Henschel spielt auf einer vielfältigen Klaviatur von zeichnerischen Möglichkeiten. Seiner Fantasie waren offenkundig keine Grenzen gesetzt: Wie da ein Kopf aus dem anderen erwächst, eine Figur sich aus einer vordergründig chaotischen Zeichnung schält, wie akribisch Farbflecken aneinandergesetzt werden und den Raum des Blattes füllen - das ist erstaunlich und faszinierend. Von einer Besonderheit erzählt David: Seit 1979 habe Henschel in seinen Bildern eine Art Symbolschrift entwickelt. Mit viel Akribie und Liebe habe Davids Tochter diese entschlüsselt und sie wochenlang übersetzt. Diese Sätze "geben einen Einblick in die Seele des Mannes". David wird diesen Einblick respektvoll behandeln und nur teilweise veröffentlichen.

Am 18. Februar wird die Ausstellung eröffnet. Sie ist bis zum 1. April 2018 täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

(b-r)
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