Viersen "Heimat ist da, wo ich mich wohlfühle"

Viersen · Für den weit über seine Geburtsstadt Viersen hinaus bekannten Künstler Stefan Kaiser ist der Begriff "Heimat" mit Gefühlen und Menschen verbunden. Es sei wie ein Körperteil — ein Stück von einem selbst

 Künstler Stefan Kaiser mit der Staffelei vor einer alten Buche im Wald bei Dornbusch.

Künstler Stefan Kaiser mit der Staffelei vor einer alten Buche im Wald bei Dornbusch.

Foto: Busch

Er ist in Viersen fast so bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund: der Zeichner, Kupferstecher und Bildhauer Stefan Kaiser. Er wurde 1952 in Viersen geboren, ging hier auf genau das Gymnasium, an dem er später als Kunstlehrer unterrichten würde, das Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium. Sein Studium führte ihn für fünf Jahre nach Düsseldorf, ein Lehrauftrag von 1986 bis 1989 an die Fachhochschule Dortmund. Doch er lebt in Viersen, gemeinsam mit seiner Frau. Hier wuchsen auch seine drei Kinder auf. Was bedeutet Heimat für Stefan Kaiser?

 "Der König" von Stefan Kaiser, Bleistift und Farbstift auf Papier.

"Der König" von Stefan Kaiser, Bleistift und Farbstift auf Papier.

Foto: Busch

"Für mich, wenn ich es ganz nüchtern betrachte" so Kaiser, " ist Heimat die Gegend, in der ich geboren und aufgewachsen bin, also eine sachliche geografische Bezeichnung, in meinem Fall: der Niederrhein. Tatsächlich ist Heimat natürlich viel mehr; Heimat ist mit Gefühlen und Menschen verbunden. Heimat ist der Ort, wo ich mich wohl fühle, wenn ich von anderswo zurückkomme."

Schon seine Eltern waren Urviersener - und ebenfalls Künstler: Mutter Ruth Fotografin, Vater Hanns-Josef Zeichner. Die Liebe zur Kunst wurde Sohn Stefan so in die Wiege gelegt: Kaiser wuchs in einer kunstnahen, kunstinteressierten Familie auf. Kein Wunder, dass dies auch ihn zur Kunst führte. Seinen Bruder im Übrigen auch: er ist Schriftsteller, lebt aber nicht in Viersen.

In Kaisers Zeichnungen, Fotografien und Kupferstichen taucht die Viersener, die Niederrheinische Heimat immer wieder auf: eine frühe Zeichnung "Klassik in Lüttelforst" zeigt die typischen Heuballen, als wären sie klassische Skulpturen, die Buchen in Süchteln sind häufig Themen seiner Kunst, 1983 entstand die Zeichnung "Niederrheinische Landschaft mit Radio" und überhaupt ist oft viel Himmel zu sehen. Dazu sagte Kaiser einmal in einem Interview: "Wir haben ja hier am Niederrhein sehr viel Himmel". Wobei sein Himmel - und das ist wörtlich zu nehmen - mit Worten und Gedanken angefüllt ist.

Weiter erzählt Kaiser: "Mein erstes zeichnerisches Projekt thematisierte die von großen Baumgruppen umstandenen Hofkomplexe in der flachen offenen Landschaft. Dann folgten niederrheinische Landschaften, in die sich fast zwangsläufig Fremdkörper eingeschmuggelt hatten. Ich habe immer das Seltsame, Fremdartige, Geheimnisvolle in der niederrheinischen Landschaft gesehen; der Niederrhein ist durch und durch eine Kulturlandschaft und keine Naturidylle."

Und dann all die Buchen auf Kaisers Zeichnungen und Grafiken (eine Serie ist im Foyer des Niersverbandes zu sehen, siehe Infokasten), wie sie nicht nur am Niederrhein zu sehen sind und immer die Fantasie beflügeln: "Ich fand in diesen Bäumen auch diese eigenartige Mischung von Natur und Kultur, von Leben und Verfall."

In regelmäßigen Abständen beschäftigt sich Kaiser inhaltlich und künstlerisch mit der Geschichte der Stadt und entwirft Wappen und Gedenktafeln.

Heimat, so räumt Kaiser ein, könnte ja auch ein absolut negativ besetzter Begriff sein. Verstaubt und muffig. Er entwirft eine Karikatur von "Heimat-Verein": man könnte "an eine Gruppe engstirniger älterer Menschen denken, die sich gegenseitig alte Geschichten erzählen und zwischendurch Akkordeon spielen und Volkslieder singen." Der Viersener Heimatverein, so fährt Kaiser fort, sei das Gegenteil einer solchen Vorstellung: ein Verein, "der ausgesprochen offen und progressiv agiert".

Ob Kaiser sich vorstellen könne, umzuziehen, den Niederrhein zu verlassen? Ja, das könne er, aber nur im Sinne einer "zweiten Heimat". Der Niederrhein wird immer an erster Stelle stehen. "Bei der Vorstellung, aus dieser Heimat vertrieben zu werden," sagt Kaiser und erweitert die heimelige Dimension von Heimat, "flüchten zu müssen, graust es mich, und die Flüchtlinge, die überall auf der Welt ohne Heimat umherirren, tun mir unendlich leid. Heimat wird ein Teil von einem selbst, wie ein Körperteil, und diesen Teil weggerissen zu bekommen, muss grausam sein."

"Heimat", so Kaiser, "ist der Bereich, in dem man etwas bewirken und erreichen kann, in dem man bereit ist, Verantwortung zu übernehmen." Auf besondere Weise bewirkt der Künstler in vielen Menschen etwas: nämlich, sie neu sehen zu lehren. "Ich höre immer wieder von Menschen, die meine Bilder gesehen haben, dass sie nun mit anderen Augen durch die Gegend gehen, die ja auch ihre Heimat ist. Das heißt, ich darf durch meine Bilder die Vorstellung von dieser Heimat und damit letztlich auch die Heimat selbst mitgestalten." Übrigens spielt Kaiser auch noch Boule - mitten in Viersen - engagiert sich in dem Pétanqueclub und fügt die Boulekugeln als Motive in seine Kunst ein.

Für Stefan Kaiser - so wirkt es - fügt sich eben alles harmonisch zusammen. Die Familie, der Beruf, der Sport, die Kunst und die Heimat am Niederrhein.

(b-r)
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