CDU Haushaltsrede 2016 von Stephan Sillekens

Viersen · An dieser Stelle veröffentlichen wir die Haushaltsreden 2016 aus dem Viersener Stadtrat in Gänze, im Folgenden der Beitrag von Stephan Sillekens (CDU).

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

meine sehr verehrten Zuhörerinnen und -hörer,

ich weiß nicht, ob Sie das auch kennen: im Laufe der Jahre sammelt sich nicht nur in der Wohnung so einiges an, was eigentlich schon längst entsorgt werden sollte. Auch auf den Festplatten ist das so. Manchmal ist man jedoch froh, ein solches Schätzchen nicht weggeworfen, oder gelöscht, zu haben. In der Einbringungsrede zum Haushalt 2014 versprach der damalige Kämmerer in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2016 ein Haushaltsergebnis von 9,0 Mio. EUR Defizit. Wir sind noch nicht beim Ergebnis, insofern haben wir alle Chancen, dass dies noch eintreten wird, doch geplant haben wir den heute zu verabschiedenden Entwurf des Haushaltes anders. Am 16. Februar dieses Jahres beschloss der HuF ein geplantes Defizit für das Jahr 2016 von 20,7 Mio. EUR, auch wenn der Kämmerer weiterhin, wie eigentlich immer, optimistisch ist, dass sich dies noch leicht verbessern kann.

Die Haushaltslage unserer Stadt hat sich also nicht nur nicht gebessert, sie hat sich dramatisch verschlechtert, das Haushaltsdefizit schlicht verdoppelt. Zwar weisen wir am Ende des HSK Zeitraumes immer noch ein ausgeglichenes Ergebnis aus, Herr Dahmen wird allerdings nicht müde darauf hinzuweisen, dass dies mit zunehmendem Verlauf des HSK immer schwieriger wird und damit die Genehmigungsfähigkeit vielleicht noch nicht dieses Haushaltes, aber vielleicht schon die des nächsten massiv gefährdet ist. Um so überraschender ist es, wenn auch in diesem Jahr die Haushaltsberatungen sehr ruhig verliefen und die Veränderungen während der Beratungen sehr, nennen wir es zurückhaltend, waren. Allerdings mussten wir leider auch in diesem Jahr beobachten, dass sich einige Fraktionen hinsichtlich ihrer Bemühungen sehr zurückhielten, das angestrebten Haushaltsziel zu erreichen. Letzte Reste dieser "Zurückhaltung" finden sich sogar heute noch auf der Tagesordnung dieser Sitzung des Rates.

Diese beschriebene Ruhe mag mit der Tatsache zusammenhängen, dass dieser Haushalt eher ein Übergangshaushalt war und ist. Aufgestellt noch unter der Ägide des ehemaligen Bürgermeisters Thönnessen zeigt er noch keinerlei Handschrift seiner Nachfolgerin, die auch in den ersten Monaten ihrer Amtszeit geradezu peinlich vermieden hat, hier erste Akzente zu setzen und weitreichende Haushaltsveränderungen anzuregen. Frau Bürgermeisterin, ich denke Sie halten sich dies für den nächsten Haushalt vor und wollen dies jetzt in den kommenden Wochen bei der Aufstellung des Haushaltes 2017 gründlich erarbeiten. Deshalb möchte auch ich einige Bemerkungen zu unserem Haushalt machen, die eher in die Zukunft weisen und Augenmerk auf das lenken, was dieser Haushalt versäumt.

Man wird in diesen Tagen keine Haushaltsrede halten können, ohne auf die zentrale Herausforderung unserer Tage einzugehen, die Integration der Flüchtlinge und Asylbewerber. Ein großer Teil unserer Haushaltsverschlechterung hat mit diesem Fakt zu tun. Aber richtig bleibt auch, selbst wenn man diese Frage heute aus dem Blickwinkel des Haushaltes sehen muss, dass hier von den Bürgerinnen und Bürgern, und auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung Großes geleistet worden ist und dass diese Aufgaben von uns allen noch großes abverlangen wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt neben den täglich notwendigen Arbeiten auch den Blick auf die konzeptionellen Dinge werfen. Wir von der CDU haben deshalb eingebracht, dass in diesen Überlegungen die Frage der Integration in unsere Gesellschaft, in die Vereine und Gemeinschaften hier vor Ort mit in den Blick genommen wird und dass auch die Frage erörtert wird, was geschehen muss, um all jene, die hier guten Willens sind auch in die Lage zu versetzen dies auch zu tun. Dies wird auch Geld kosten, Geld, das heute noch nicht im Haushalt steht und diesen weiter belasten wird, das aber notwendig im wahrsten Sinne des Wortes ist.

Um so bedauerlicher ist dabei, dass heute bereits feststeht, dass die Kommunen in unserem Land für diese Aufgaben bei weitem nicht ausreichend finanziert werden. Unsere Verwaltung hat ausgerechnet, dass bereits vor der Vorlage des Konzeptes zur Integration die Ausgaben die Zuwendungen des Landes um ca. 2500 EUR pro Flüchtling überschreiten. Hinzu kommt, dass wir bei den Zuwendungen eben nicht davon ausgehen können, dass in diesem Jahr die wirkliche Zahl der Menschen, die zu uns kommen, zugrunde gelegt wird, sondern eine zu niedrige. So bleiben uns Mittel in einer Größenordnung von 1,5 Mio. EUR vorenthalten, rechnet man den zu niedrigen Erstattungssatz hinzu kommen wir bereits heute auf eine Unterdeckung, die an die 10 Mio. heranreicht. Die Zahl stammt vom Kämmerer und ist nicht von mir erfunden.

Zum Vergleich: In Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland wird die Flüchtlingsunterbringung als Landesaufgabe wahrgenommen bzw. die Kosten den Städten vollständig erstattet. In Schleswig-Holstein werden zumindest 90 % erstattet. Warum kann Nordrhein-Westfalen nicht eine ähnliche Form der Unterstützung der kommunalen Familie geben?

Auch vom Kämmerer stammt der Hinweis, dass wir mit diesen Haushalt in unsere Infrastruktur investieren. Zu Recht weisen Sie, Herr Dahmen, darauf hin, dass dies nur mit Mitteln aus Programmen und Sonderzuwendungen von Bund und Land möglich ist. Das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz ist so ein Stichwort. Neben dem Erfreulichen jedoch sagt der Kämmerer nicht, dass damit die Entscheidung, wo investiert werden kann, weitgehend aus unserer Hand genommen ist. Die Bedingungen des Programm bestimmen, wo das Geld hinfließt, und nicht der Rat, der aufgrund der Notwendigkeiten vor Ort entscheidet.

Dabei, wenn wir ehrlich sind, fallen uns schnell Dinge ein, die lange notwendig sind, die wir uns aber aufgrund unserer desolaten Haushaltslage nicht leisten können, jetzt nicht, vielleicht später usw.

Einige Beispiele seien mir erlaubt: glaubt etwa hier jemand im Saale, dass wir mit dem heutigen Stand des Ausbaus der offenen Ganztagsbetreuung in unseren Schulen die Rahmenbedingungen für, um es mit den Worten der BM auszudrücken, all das geschaffen haben, was für die Lebenssituation der (jungen) Familien richtig und wichtig ist? Ein solcher Satz, wie Sie, Frau Bürgermeisterin, ihn in ihrer Neujahrsrede gebraucht haben, steht in der Tradition einer Politik, wie wir sie in Viersen in den vergangenen Jahren gemeinsam erfolgreich betrieben haben. Aber diese Politik will auch umgesetzt sein. Bei der Kinderbetreuung helfen keine warmen Worte, und wenn wir ehrlich sind ist es in letzter Konsequenz auch hier Geld, das im Haushalt stehen muss, um das Gesagte in Taten umsetzen zu können.

Oder wenn Sie die Menschen und Händler in unserer Stadt fragen, dann gibt es in den Innenstädten so manches Projekt, dass wir auf später verschieben, nicht nur die Versorgungspoller für die Stadtfeste. Unsere Innenstädte stehen in einem schärfer werdenden Wettbewerb mit den umliegenden Kommunen, nicht nur mit einem neuen Einkaufzentrum in MG. Auch dies wird ohne Geld im Haushalt nicht gehen.

Noch ein Beispiel: Es ist toll, wenn wir mit Hilfe dieses Programmes etwa 1800 Lampenköpfe an den Straßenlaternen in unserer Stadt austauschen können und so auch einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten können, das Ende aller möglichen Maßnahmen ist das aber bei weitem nicht. Andere Städte sind hier weiter, und unsere Diskussionen zu diesem Thema drehen sich seit Jahren um die gleiche Frage, wo kommt das Geld für die auf Sicht lohnende Investition her, wenn der Kreditdeckel so ist, wie er ist. Ähnliches gilt bei unseren Überlegungen zur Eigenstromerzeugung.

Die Anstrengungen zur Haushaltsanierung bleiben schon alleine deshalb notwendig, um Entscheidungsmöglichkeiten zurück in unsere Stadt zu holen, damit wir in Zukunft mehr tun können als fröhlich durchwinken bei dem, was sich andere ausgedacht haben.

Ein Satz bleibt aber auch wahr: Wären die Kommunen ausreichend finanziert von Bund und Land, wären wir auf solche Programme gar nicht erst angewiesen. Wie dringend dieses Geld vor Ort gebraucht wird zeigt sich für jeden, der in unsere Schulen und Turnhallen, in unsere Spiel- und Sportstätten schaut. Frau Bürgermeisterin, wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge, diese Handlungsfähigkeit in die Stadt zurück zu holen. Und unsere Spannung wächst quasi täglich.

Und nicht nur im investiven Bereich bedarf es neuer Überlegungen. Wir fordern auch für das kommende Jahr Überlegungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit. Sicherlich sind wir in Viersen Gott sei Dank noch weit weg von den Zuständen, die in NRW Großstädten herrschen. Und dennoch müssen auch wir zur Kenntnis nehmen, dass wir an vielen Stellen, wo die Bürgerinnen und Bürger berechtigte Forderungen an uns richten, diese nicht erfüllen können. Viele von uns erinnern sich noch an die Diskussionen im OStVA, nicht zuletzt ausgelöst durch einen Bürgerantrag nach § 24 GO, zu den Zuständen in unseren innerstädtischen Parks. Die Menschen fühlen sich an manchen Stellen nicht mehr sicher und sie fordern auch den Einsatz der Stadt. Wer mit offenen Ohren in der letzten Sitzung des HuF zugehört hat, der weiß auch darum, was nach jedem Wochenende an Vandalismusschäden beim Gebäudemanagement aufläuft.

Dies hat sicherlich auch damit zu tun, dass unser Bundesland eine der niedrigsten Polizeidichten in Deutschland hat, d.h. in kaum einem anderen Bundesland werden die Bürgerinnen und Bürger von weniger Polizisten geschützt. Der Rheinischen Post war zu entnehmen, dass es gerade einmal 228 Beamte je 100.000 Einwohner sind; in Mecklenburg-Vorpommern sind es 366, in Bayern zumindest 328. Wie es um dieses Thema in unserem Kreis bestellt ist, zeigt die Debatte um die Schließung der Polizeiwache in Nettetal in den Nachtstunden. Und wer mit den Kollegen im Kreistag redet, die im Polizeibeirat sind, der kennt auch die Zahlen der Polizeidicht e im Kreis Viersen. Da wären wir ja froh, wenn wir den Landesdurchschnitt auch nur annähernd erreichen würden.

Auch wenn wir als Stadt keinerlei Aufgaben der Polizei wahrnehmen dürfen, ist es uns als CDU ein besonderes Anliegen, die städtischen Ordnungsdienste zu verstärken um zumindest im Bereich der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung Präsenz zu zeigen. Hier fordern wir zeitnah ein Konzept zur Modernisierung unserer städtischen Ordnungsdienste, auch und vor allem mit dem Ziel, mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Bereich herzustellen.

Letzteres soll Stichwort sein für ein weiteres Thema, das es in unseren Augen anzupacken gilt, und das Einfluss haben wird auf unser HSK: eine Aufgabenkritik für unsere Kernverwaltung.

Als CDU-Fraktion fordern wir die Verwaltung auf, das vor uns liegende wahlkampffreie Jahr zu nutzen, die Arbeit der Verwaltung insgesamt kritisch zu durchleuchten und ein Gesamtkonzept für eine Neuorganisation der Aufgaben zu erarbeiten. Hier ist die Verwaltungsspitze, insbesondere die Organisationverwaltung in besonderem Maße gefordert.

Nachdem wir in den vergangenen Jahren immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der sogenannten "Kernverwaltung" abgebaut haben, muss nunmehr unser Ziel sein, auch Aufgaben abzubauen. Es kann nicht sein, dass wir in den mittlerweile veralteten Aufbau- und Ablaufstrukturen der Neunziger Jahre verharren. Unsere Forderung ist es, verkrustete Verwaltungsstrukturen aufzubrechen, Doppelzuständigkeiten abzubauen, Entscheidungswege zu verkürzen und so Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Auch in vielen Städten und Gemeinden um uns herum beginnt gerade eine solche Diskussion. Dabei fällt auf, dass der Wille die Aufgaben in gemeindegrenzen überschreitenden Organisationseinheiten zu erledigen, deutlich gewachsen ist. Ich sage dies hier sehr deutlich, dies heißt nicht, dass dies die Verlagerung von Aufgaben ausschließlich in Richtung Kreis bedeutet oder bedeuten soll. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir Dinge mit anderen Nachbarkommunen gemeinsam tun, weil wir dies besser und effizienter können, wenn wir es gemeinsam machen.

Zur Neuordnung gehört aus meiner Sicht auch eine Neuordnung der Geschäftsbereiche, wo es auch manche Regelung gibt, die nur mit handelnden Personen erklärbar ist und war, die aber heute teilweise gar nicht mehr handeln. Hier sehe ich den Vorschlägen der Verwaltung mit einem hohen Interesse entgegen.

Einen letzten Punkt will ich ansprechen: Im vergangenen Jahr war ein wichtiger Punkt meiner Rede zum Haushalt die Tatsache, dass es uns gemeinsam gelungen war, erneut die Steuern in unserer Stadt nicht anzuheben. Auch in diesem Jahr geht der Haushalt davon aus. Die IHK hat uns dafür brav gelobt, nicht ohne auf die Gefahren hinzuweisen, die auch in unserem Haushalt stecken und weitere Konsolidierung angemahnt. Bisher gehört unsere Stadt wirklich zu den löblichen Ausnahmen, landauf, landab steigen Grundsteuer, in MG auf 620 Punkte, in Duisburg auf 855 Punkte usw. Auch hier "lauert" die Herausforderung für die kommenden Jahre. Auch hier ist die Vorsitzende des Rates mit ihrer konzeptionellen Kraft, unterstützt vom Verwaltungsteam, gefordert und wird sicherlich daran gemessen werden.

Auf all diese Fragen gibt der Haushalt 2016 keine Antwort. Wir sind deshalb gespannt auf die Antworten auf gestellte und sicherlich noch weitere auftauchende Fragen im kommenden Haushalt. Für den heute zu verabschiedenden Haushalt will ich all denen, die an ihm mitgewirkt haben meinen Dank aussprechen. Und Ihnen, meinen sehr verehrten Zuhörerinnen und Zuhörern, gilt mein Dank für die geschenkte Aufmerksamkeit.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort