Viersen Gefällige Schlager aus finsterer Zeit

Viersen · Leben und Lieder von Zarah Leander, die die Nazis zum Star aufbauten, wurden auf der Festhallenbühne eindrucksvoll in Szene gesetzt

Ältere Menschen, auch wenn sie die Nazizeit nicht oder zumindest nicht mehr bewusst erlebten, kennen noch die Lieder der Diva mit der maskulinen Bass-Bariton-Stimme, den feuerroten Haaren und dem kräftig rollenden R. Die schwedische Sängerin Zarah Leander machte ihre große Karriere in Nazideutschland. Protegiert vom Propagandaminister Joseph Goebbels und systematisch von der Ufa aufgebaut, brachte sie es über Bühne, Film, Rundfunk und Schallplatte zu Bekanntheit und Beliebtheit.

An ihre Lieder, ihr Leben und die Zeit ihres Wirkens erinnerte in der ausverkauften Festhalle ein eindrucksvoller Abend. Ausgezeichnet besetzt war die Rolle der Leander mit Tanja Maria Froidl. Auch wenn Stimme der klassisch ausgebildeten Opernsängerin nicht ganz die Tiefe der "nordischen Waldfee" erreicht, traf sie in Aussehen, Auftreten und Liedvortrag mustergültig die Eigenarten des Stars in brauner Zeit.

Fabelhaft gelangen ihr die alten Titel wie "Eine Frau wird erst schön durch die Liebe", "Er heißt Waldemar" und - so auch der Titel der Revue - "Der Wind hat mir ein Lied erzählt". Ob seinerzeit eher bewusste Durchhalteparolen oder mehr ein unbewusstes Mitschwingen des Zeitgeistes bei den Texten eine Rolle spielte, sei dahingestellt. Jedenfalls passen viele Liedtexte bemerkenswert genau in die die damalige Zeit: Lieder wie "Davon geht die Welt nicht unter", "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n" oder "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern" symbolisieren die Politik zwischen Großmannssucht und Untergang ebenso wie - beim Zusammenbruch des Ganzen - "Ich steh im Regen". Dieser Titel soll Ralph Benatzky eingefallen sein, als in einem Hotel die Dusche tropfte. In einer Revue kommt es indessen nicht so sehr auf philologische Genauigkeit an. Da macht es nichts, dass als Urheber die beiden herhalten mussten, die in der Tat viele der Leander-Titel kreierten, der Texter Bruno Balz und der Komponist Michael Jary.

Beide fanden ausgezeichnete Darsteller. Dass kein Programm oder Aushang ihre Namen nannte, ist bedauerlich. Holen wir hier das Versäumte nach. Robert Gregor Kühn gefiel in der Rolle von Bruno Balz. Christian Auer verkörperte Michael Jary sowohl schauspielerisch als Komponisten wie musikalisch als Pianisten. In seinem ausgezeichneten Quartett spielten Annie Rapsch (Geige), Martin Thalhammer (Bass) und Matthias Hoech (Klarinette und Saxofon). Witzig und brillant von Hoech umgesetzt war der Regie-Einfall, beim Telefongespräch des Ufa-Beauftragten Ludolf von Lubin (Christoph Papst) mit dem Propagandaminister den geifernden Goebbels am anderen Ende der Leitung nicht sprechen bzw. schreien zu lassen, sondern (versteckt) durch ein Saxofon zu parodieren.

Bedauerlich war, wie leider häufig in der Festhalle, dass die Lautstärke durchweg zu stark ausgesteuert war. Trotzdem: Es war ein sehr gut konzipierter und sehr gut von allen Darstellern umgesetzter Abend, der ein begeistertes Publikum fand.

(-tr)
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