Brüggen Gastgeber sorgen für furchtbare Party

Brüggen · Zum Auftakt der 6. Niederrheinischen Theaterfestspiele in Brüggen feierte das Niederrheintheater Premiere mit seinem neuen Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" in einer Inszenierung von Verena Bill.

 Die Damen (Verena Bill, links, als Martha, und Carmen-Marie Zens als Süße) gehen sich mal schnell die Nase pudern, während der Hausherr (Michael Koenen, rechts) dem Gast (Dannie Lennertz) Geheimnisse entlockt. Der Alkohol, den die vier am Abend trinken, hat daran keinen geringen Anteil.

Die Damen (Verena Bill, links, als Martha, und Carmen-Marie Zens als Süße) gehen sich mal schnell die Nase pudern, während der Hausherr (Michael Koenen, rechts) dem Gast (Dannie Lennertz) Geheimnisse entlockt. Der Alkohol, den die vier am Abend trinken, hat daran keinen geringen Anteil.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Zwei Ehepaare trinken sich gemeinsam durch die Nacht. Ununterbrochen werden die Gläser mit Hochprozentigem gefüllt. Was als lustiger Abend beginnt mit der ein oder anderen Stichelei, schaukelt sich rasch hoch. Die Gastgeber George und Martha nehmen kein Blatt vor den Mund. Da klatschen Beschimpfungen wie Ohrfeigen dem Partner entgegen, alte Wunden brechen auf. Unterdessen versuchen die Gäste, der junge Nick und seine Süße, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Doch sie werden zu Opfern, lassen sich selbst Geheimnisse entlocken, deren Enthüllung sie gegeneinander aufbringt.

Mit seinem neuen Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" in einer Inszenierung von Verena Bill feierte das Niederrheintheater am Wochenende Premiere. Für den Auftakt der 6. Niederrheinischen Theaterfestspiele in Brüggen hätten sich Darsteller wie Besucher besseres Wetter gewünscht, doch es war kühl und nass. Und so fand die Premiere nicht im Innenhof der Burg, sondern im Kultursaal statt. Das tat der Aufführung keinen Abbruch, im Gegenteil: Durch die Nähe zur Bühne und zu den Schauspielern fühlten sich die Besucher wie weitere Gäste auf dieser furchtbaren Party, die da auf der Bühne inszeniert wurde.

Der Klassiker von Edward Albee wurde 1962 in New York uraufgeführt, 1966 mit Elizabeth Taylor und Richard Burton verfilmt. Ein Drama, das die Beziehung zwischen zwei Menschen in den Mittelpunkt stellt, die einander sehr nah sind. Sie kennen die Sehnsüchte des Partners, seine Wünsche, aber auch seine Schwachstellen. Und in dieser Nacht holen sie beide aus, um diese Schwachstellen vor anderen auszubreiten, den Partner zu demütigen.

In der Beschreibung dieser Verletzungen, die die Partner im Laufe ihrer langjährigen Ehe empfangen haben, ist das Stück aktuell wie je. Brüggens stellvertretende Bürgermeisterin Claudia Wolters lenkte den Blick des Publikums in ihrer Ansprache zur Eröffnung auf eine weitere Komponente: auf die Neugierde am Leben der anderen, die sich in sozialen Netzwerken offenbart, auf den Willen des Einzelnen, alles Private preiszugeben, und auf die Kritik an den Fehltritten anderer, die doch nur von der eigenen Unzulänglichkeit ablenken soll.

Die Darsteller, den regelmäßigen Besuchern der Theaterfestspiele schon aus Aufführungen der vergangenen Jahre bekannt, gaben alles, schrien, hetzten, tobten über die Bühne, mimten glaubhaft rasenden Zorn oder stillen Schmerz. Verena Bill, die auch Regie führte, überzeugte in der Rolle der Martha mal als boshaftes, mal als lockendes Weib. Michael Koenen gab den College-Dozenten George, tätig in der Abteilung für Geschichte, der Marthas Lebenslüge, die Fantasie von einem gemeinsamen Kind, zerstört.

Als sympathisch und daher dankbare Opfer präsentierten sich Dannie Lennertz in der Rolle des jungen Biologen Nick und Carmen-Marie Zens als seine Süße. Ihr gelang es in facettenreichem Spiel, zwischen Suff und Katerstimmung zu wechseln, mal die Partymaus zu geben, dann wieder die sich langsam von den Fliesen im Bad hochrappelnde Frau, die sich fragt, warum sie dort gerade gelegen und die Etiketten von den Flaschen gepult hat.

Am Ende waren die Schauspieler verschwitzt und erschöpft, doch sie genossen sichtlich den anhaltenden Applaus, mit dem die Besucher für eine starke Aufführung dankten.

(RP)
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