Viersen Eine Wiedergutmachung für Boisheim

Viersen · Günter Thönnessen hat seine erste Arbeit im öffentlichen Raum im kleinsten Stadtteil aufgestellt

 Viersens Alt-Bürgermeister Günter Thönnessen enthüllt die Skulptur aus Irish Limestone. Sie steht in Boisheim.

Viersens Alt-Bürgermeister Günter Thönnessen enthüllt die Skulptur aus Irish Limestone. Sie steht in Boisheim.

Foto: Knappe

Das Wetter in Boisheim meinte es gut mit Günter Thönnessen: Es blieb trocken. Kurz nach 18 Uhr am Samstagabend konnte Ex-Politiker, Ex-Bürgermeister, Familienvater und seit sieben Jahren Neu-Bildhauer das weiße Bettlaken von seiner neuen Skulptur nehmen und seine erste Arbeit im - gewissermaßen - öffentlichen Raum enthüllen. Im Vorgarten eines Freundes nahe der Luzienkapelle und dem Boisheimer Dorfladen steht auf einer Stele der "Kopf III", in diesem Jahr gefertigt. Der Blaustein des Hauses korrespondiert mit der Stele. Das Material, das Thönnessen gewählt hat, ist ein Irish Limestone, ein Kalkstein, der unbearbeitet (in der Stele) ein mattes Grau und bearbeitet (für den Kopf) ein sattes Schwarz hat.

Der Rohblock besitze, so Thönnessen, ein Gewicht von 150 Kilogramm und erzähle aufgrund seines hohen Alters von 180 Millionen Jahren vieles über die Geschichte der Menschheit. Und lasse den einzelnen Menschen klein vor der großen Geschichte erscheinen. "Wir sind, das macht der Stein uns deutlich, immer nur eine Sekunde lang Teil dieser unvorstellbar langen Geschichte."

Während seiner Bürgermeisterzeit sei Boisheim immer ein von ihm ein wenig vernachlässigter Stadtteil Viersens gewesen; dass nun durch einen glücklichen Zufall die erste Skulptur, die jeder Spaziergänger sehen kann, in Boisheim stehe, sei eine kleine Wiedergutmachung, so erzählte Thönnessen lachend.

Es ist ein hübscher kleiner Platz vor dem Vorgarten, auf dem man stehen und die Figur betrachten kann: Ein strenger, schlanker Kopf, archaisch wirkend, blickt herüber. Augen, Nase, Mund - die Elemente des Gesichtes sind stark reduziert. In der Vertikalen ist der Kopf geteilt, seine beiden Gesichtshälften sind minimal gegeneinander verschoben. Das sei, so erklärt Thönnessen, nicht Ausdruck einer Spaltung. Menschen hätten nun einmal verschiedene Seiten - auf diese Weise könne er dieser Ambivalenz Ausdruck verleihen.

Die Skulptur strahlt eine tiefe Ruhe aus - trotz der versetzten Bearbeitung. Durch die Stele scheint sie fest mit der Erde verbunden zu sein und auf ihr zu stehen, gewissermaßen unverrückbar. Die Ruhe des Kopfes entsteht sicher nicht nur durch die archaische Ausdrucksweise, sondern wird auch durch das gewählte Material betont.

Thönnessen ist mittlerweile Vollzeitbildhauer. Kennengelernt als therapeutische Maßnahme, entdeckte er seine Leidenschaft für die Bildhauerei, bildete sich in Workshops und autodidaktisch weiter und erlebt immer wieder die Faszination des Schlagens, Hauens - mit dem Ziel eines Kopfes, nicht immer aus Stein, oft auch aus Holz. Er sei ja ein ungeduldiger Mensch, erzählt er gerne, aber die Steine vertrügen dies nicht: Er habe gelernt, rhythmisch, gleichmäßig zu schlagen. Das sei fast schon meditativ.

(b-r)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort