Viersen Eine Chance für die Zukunft geben

Viersen · Gelebte Integration praktiziert die Tischlerei Stappen. Seit dem 1. November absolviert der aus Afghanistan kommende Arif Hussein dort ein Praktikum.

 Arif Hussein lebt seit anderthalb Jahren in Viersen. Der 16-Jährige hat derzeit die Gelegenheit, einen möglichen Job für seine Zukunft kennenzulernen.

Arif Hussein lebt seit anderthalb Jahren in Viersen. Der 16-Jährige hat derzeit die Gelegenheit, einen möglichen Job für seine Zukunft kennenzulernen.

Foto: Busch

Mit gleichmäßigen Bewegungen führt Arif Hussein die Schleifmaschine über das Holz. Das Gesicht des 16-Jährigen spiegelt dabei höchste Konzentration wider. Schließlich soll das Holzstück, das später die Innenverkleidung eines Rollcontainers darstellen wird, perfekt sein und keine Schleifunebenheiten aufweisen. "Arif macht das sehr gut. Man kann ihm anmerken, dass ihm die Arbeit Freude macht", bemerkt Diane Maaß und fügt lächelnd an, dass sie anfangs Arifs Patin gewesen sei, aber jetzt irgendwie das ganze Unternehmen Stappen zum "Paten" geworden ist: "Jeder kümmert sich mit um ihn."

Der junge Mann aus Afghanistan, der seit nunmehr knapp anderthalb Jahren in Viersen lebt, hat bei dem Süchtelner Unternehmen einen Praktikumplatz gefunden und erhält die Gelegenheit, ein wenig in einen ersten Beruf zu schnuppern. Möglich gemacht hat dies die Chefin der Tischlerei Stappen. Durch einen Zeitungsaufruf in der RP, in dem Paten für junge Flüchtlinge gesucht wurden, kam der Stein ins Rollen. Maaß meldete sich aufgrund des Artikels bei der Koordinatorin der Kinder- und Jugendhilfe der evangelischen Familien- und Jugendhilfe in Viersen. Dort erfuhr sie, dass nicht nur Paten als solche gesucht werden, sondern auch Praktikumplätze für junge Flüchtlinge, die das Berufskolleg Viersen besuchen. "Wir sind selber Ausbildungsbetrieb. Derzeit haben wir drei Auszubildende - zusätzlich bieten wir Praktika in unserem Unternehmen an. Mir kann der Gedanke, ob wir nicht auch einem Flüchtlings-Teenager einen Praktikumsplatz anbieten könnten", erinnert sich Maaß.

Sie brachte die Idee ins Unternehmen ihres Mannes ein. "Wir haben eine kleine Betriebsversammlung gemacht und das Thema angesprochen. Alle zeigten sich bereit, auch jemanden für ein längeres Praktikum zu betreuen", berichtet sie. Vor diesem Hintergrund startete Arif, nachdem er und sein Betreuer sich vorab im Unternehmen vorgestellt hatten, am 1. November bei der Tischlerei Stappen. Montags und dienstags besucht der 16-Jährige das Berufskolleg. Die restlichen Wochenendetage verbringt er in der Tischlerei, sie sich vorwiegend mit dem Innenausbau beschäftigt und unter anderem Ladeneinrichtungen und Arztpraxen gestaltet. Sätze der Mitarbeiter wie "Er ist nicht nur fleißig, er kann auch was" und "Jetzt lächelt er auch mal" zeigen, dass Arif nicht nur beruflich einen ersten Schritt in seine Zukunft gemacht hat, sondern auch zwischenmenschlich Anschluss findet. "Wir praktizieren hier gelebte Integration", fasst es Maaß mit einem Satz zusammen.

So bildete sich eine Fahrgemeinschaft, mit der Arif abends nach Hause fahren kann, beim Betriebsfest fehlt er ebenfalls nicht. Die Süchtelnerin freut es, wenn sie sieht, wie Arif angenommen wird und auch von sich und seinem Leben in seiner Heimat erzählt. Der junge Mann verlor seinem Vater bei einem Angriff auf eine Moschee, die dieser gerade besucht hatte. Der Vater starb an seinen schweren Verletzungen. Als ältester Sohn begab sich Arif - gerade einmal 14 Jahre alt - auf die sieben Monate dauernde Flucht, die letztendlich im Viersener Clearinghaus endete.

Seit einiger Zeit wohnt er nun mit weiteren jungen Flüchtlingen in einer Wohngruppe der evangelischen Familien- und Jugendhilfe in Viersen. "In meiner Heimat habe ich keine Ausbildung gemacht. Mit elf Jahren fing ich an in einem Restaurant mit Hotel zu arbeiten", erzählt Arif, dem die Arbeit bei Stappen gut gefällt und der fleißig Deutsch lernt. Über einen Onkel, der einen Computer besitzt, hält er Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern. Jeden Dienstag besucht seine Mutter den Onkel, um über dessen Computer mit Arif zu telefonieren. Skypen geht nicht, da der dortige Rechner über keine Kamera verfügt.

Bis zum Ende des Schuljahres 2015/2016 bleibt Arif bei Stappen. In dieser Zeit möchte er so viel wie möglich lernen, um danach mit seinem Betreuer zu überlegen, wie es beruflich oder schulisch weitergehen kann.

(tref)
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