Niederkrüchten Ein zupackender Bürgermeister geht in den Ruhestand

Niederkrüchten · Dienstag ist der letzte Arbeitstag des Niederkrüchtener Bürgermeisters Herbert Winzen. In der Ratssitzung wird er verabschiedet. Damit endet, das darf man nach elf Jahren wohl sagen, eine Ära.

Herbert Winzen geht in den Ruhestand
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Die Freiheit nimmt sich der scheidende Bürgermeister: Am kommenden Montag feiert Herbert Winzen Überstunden ab. Das Überstunden-Konto dürfte sich dadurch allerdings nicht nennenswert reduzieren. Winzens Arbeitswoche hatte seit seiner Wahl im Jahr 2004 in der Regel 70 bis 80 Stunden. Elf Jahre lang.

Winzen war der erste parteilose Bürgermeister der Gemeinde Niederkrüchten. Der "Neue" begann forsch. Mit der Entlassung eines Amtsleiters wegen Korruptionsverdacht setzte er gleich ein Zeichen. Doch Winzens Stärke lag im Ausgleich: Den vermeintlichen Nachteil eines Parteilosen, nämlich keine politische Hausmacht hinter sich zu haben, machte er zu seinem Vorteil. Geschickt band er die Parteien ein und schaffte es, dass der Rat in vielen Themen und Entscheidungen an einem Strang zog. Es sagt einiges über Winzens politische Wertschätzung aus, dass bei seiner Wiederwahl 2009 keine Partei einen Gegenkandidaten aufstellte. Als volksnaher, zupackender Bürgermeister erwarb sich Winzen hohes Ansehen bei den Bürgern. Nicht von ungefähr holte er bei seiner Wiederwahl über 90 Prozent.

Zu den persönlichen Highlights zählt für Winzen zum Beispiel die Errichtung der Rettungswache in Heyen. Der Kreis war diesbezüglich skeptisch. "Das war nicht einfach", denkt Winzen zurück. Dass es gelang, sei "ein Segen für die Gemeinde". Die deutlich verkürzte Anfahrtszeit im Vergleich zum vorherigen Standort Waldniel dürfte in medizinischen Notfällen manches Leben gerettet haben. Stolz ist Winzen auf die gute Versorgung mit Plätzen für die Betreuung unter dreijähriger Kinder. Die Gemeinde habe viel Geld in die Hand genommen, um alle Kitas für die U3-Betreuung fit zu machen. "Hier muss niemand auf die Warteliste", betont er.

Die Entwicklung des Folgenutzungskonzepts für das Flughafengelände - mit den Säulen Natur, erneuerbare Energien und Gewerbe - sei ebenfalls ein wichtiger Erfolg. "Da waren dicke Bretter zu bohren", erinnert sich Winzen. Denn die Bezirksregierung sei zunächst geneigt gewesen, das Gelände komplett der Natur zurückzugeben. Abzuwarten sei, wie nun die bevorstehende Unterbringung von 2500 Flüchtlingen auf dem ehemaligen Militärgelände gelingt. Gleichwohl ist Winzen zuversichtlich, dass die Gewerbeentwicklung dort ab etwa 2020 starten kann. Die Einrichtung der Gemeindebibliothek im Laurentiusmarkt und der Aufbau des Bürgerservice im alten Feuerwehrgerätehaus waren weitere Wegmarken seiner Amtszeit.

Zu den Wermutstropfen zählen die Schließungen der Grundschule Oberkrüchten und der Hauptschule Niederkrüchten. Bedauerlich sei zudem, dass es bisher nicht gelungen sei, gemeinsam mit den Nachbarkommunen Schwalmtal und Brüggen ein Konzept für eine demografiefeste und gemeindeübergreifende Schulorganisation zu entwickeln.

Ein paar Kratzer hat Winzens Image in der Vollsortimenter-Frage abbekommen. Der Bürgermeister hatte sich früh auf den Standort Mönchengladbacher Straße festgelegt. Den hält er - auch unter Abwägung aller Bedenken, etwa hinsichtlich der Verkehrsführung - nach wie vor für am besten geeignet. Über eine Anfrage eines Investors, auf dem Adolph-Kolping-Platz mitten in Elmpt einen Supermarkt zu errichten, hatte Winzen den Rat nicht unterrichtet. Das trug ihm heftige und in der Schärfe ungewohnte Kritik insbesondere von CDU und Grünen ein.

Auch in der Bürgerschaft wurde intensiv und emotional aufgeladen über die Mönchengladbacher Straße und den später ins Spiel gekommenen Alternativ-Standort Heineland diskutiert. "Ich bedaure es, dass diese Frage die Gemeinde so zerrissen hat", räumt Winzen ein. Weil sich die Diskussion nicht befrieden ließ und der Rat sich nicht über einen Standort einigen konnte, kommt es nun am 29. November zum Bürgerentscheid.

Gleichwohl scheidet Winzen alles andere als verbittert aus dem Amt: "Die positiven Erlebnisse überwiegen bei weitem." In den letzten Wochen hat er sehr viele Briefe und Anrufe erhalten, in denen sich Bürger bei ihrem Bürgermeister bedankt haben: "Das tut gut."

Er nimmt aus dem Bürgermeisteramt viele Freundschaften mit, die in Politik und Verwaltung über die Jahre gewachsen sind. Winzen lobt das Arbeitsklima: "Es ging hier immer um die Gemeinde und nicht um Personen. Das fand ich sehr wohltuend."

Der Wechsel in den Ruhestand wird keine Sinnkrise auslösen, im Gegenteil. Nach einem Lebensabschnitt, der nach Wochenendterminen und Sitzungskalendern durchgetaktet war, "freuen wir uns riesig über die Freiheiten, die nun auf uns zukommen", sagt der 65-Jährige. Da auch Ehefrau Ute inzwischen in Ruhestand ist, bleibt viel Zeit für Reisen und für andere Hobbys: So will Winzen sein Französisch aufpolieren und sich seinem Faible für Geschichte widmen. Das jüngste Hobby ist gerade mal 15 Monate alt: Für ihre Enkeltochter wollen sich die Winzens viel Zeit nehmen.

Dem angehenden Ex-Bürgermeister wird es auch aus einem anderen Grund nicht langweilig werden: Die Eheleute wollen in Elmpt neu bauen. Das Haus am Halenderfeld ist, da die beiden Töchter längst flügge sind und einen anderen Lebensmittelpunkt haben, zu groß geworden. Nun entsteht im Malerviertel ein neues Eigenheim - seniorengerecht und barrierefrei.

Schon im Dezember soll es losgehen. Für die Winzens war es keine Frage, in Elmpt zu bleiben: "Hier sind unsere Freunde und Bekannten. Hier ist unsere Heimat."

(jo-s)
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