Serie Vor 480 Jahren Ein Kempener als Kölner Universitätsrektor

Viersen · Der Gelehrte Martin von Oed(t) aus Kempen machte in Köln eine brillante geistliche und wissenschaftliche Karriere.

 Der gebürtige Kempener Martin von Oed(t) machte als Geisteswissenschaftler Karriere.

Der gebürtige Kempener Martin von Oed(t) machte als Geisteswissenschaftler Karriere.

Foto: Kreisarchiv

Kempen Heute zählt die Universität zu Köln zu den elf Exzellenz-Hochschule der Bundesrepublik. Aber auch schon im Mittelalter war die Universität eine wahre Elite-Schmiede. Nach Prag, Wien und Heidelberg wurde sie 1388 als vierte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nördlich der Alpen gegründet und 1798 von den Franzosen geschlossen. Mit ihr sind nicht nur große Namen der europäischen Geistesgeschichte wie zum Beispiel Albertus Magnus und Thomas von Aquin verbunden. Sie war auch der wichtigste Studienort für Studenten vom Niederrhein.

Zu den bemerkenswerten Gestalten der Kölner Universität gehörte der vor 480 Jahren gestorbene Martin von Oed(t) aus Kempen. Er entstammte einer offenbar sehr angesehenen und wohlhabenden Kempener Familie.

 Im Haus Nievenheim an der Ecke Oelstraße/Hessenwall sind heute Wohngruppen des Kinderheims St. Annenhofs untergebracht.

Im Haus Nievenheim an der Ecke Oelstraße/Hessenwall sind heute Wohngruppen des Kinderheims St. Annenhofs untergebracht.

Foto: Kaiser

Sein Vater, der Chirurg Heinrich von Oed, zählte zu den Stiftern des Antoniusaltares in Kempen. Martins Großvater Meister Görd wurde um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Wundarzt erwähnt und tauchte auch in der Namensvariante Magister Godert von Anroit genannt von Ude auf. Martin von Oed(t) zeigte in seinem Leben eine besondere Nähe zu den Kranken und beklagte schon 1503 das Fehlen einer Hebamme in Kempen.

Martins akademische Laufbahn gestaltete sich gleichsam stromlinienförmig: 1497 Baccalaureus, 1505 Licentiat, 1507 Doctor des Kanonischen Rechtes (mit einer Arbeit im Kaiserrecht), 1506/07 Aufnahme in den Kölner Lehrkörper, 1508/09 Rektor der Universität Köln.

Als hoch gelehrter Geistlicher stieg er in Köln zum erzbischöflichen Vizekanzler auf, wurde Kanoniker des Kölner Domes, Generalvikar, Offizial und Siegelbewahrer in Gesandtschaftsangelegenheiten. In einer Epoche, als Gelehrsamkeit noch einträglich war, erwarb er außerdem etliche mit satten Einkünften verknüpfte Pfründen. Schon früh war er Personatar der Kirche in Fischeln und in seinen letzten Lebensjahren auch Propst der St. Walburgis-Kirche in Arnheim. In einer Urkunde des geldrischen Herzogs Karl von Egmond von 1535 wurde Martin sehr ehrerbietig unter anderem als dessen Rat bezeichnet ("venerabilis et discretus vir noster consiliarius magister Martinus de Oed doctor").

Martin von Oed(t) war von humanistischem Geist geprägt. Der Kölner Historiker Leonhard Ennen sagt ihm sogar freundschaftliche Beziehungen zu Erasmus von Rotterdam nach.

Kempen, wo er sich oft aufhielt, verdankt ihm viel. Zunächst sind seine Wohltaten für die Armen der Stadt hervorzuheben. Der bedeutende Kirchenschatz der Propsteikirche enthält zwei im Fraterherrenhaus Weidenbach in Köln entstandene Handschriften, ein Lektionar und ein Evangeliar, die der Kempener Kirche 1512 von Martin von Oed(t) geschenkt wurden. Dank der Hilfe des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) befinden sie sich heute wieder in einem guten Zustand. Hanns Peter Neuheuser vom LVR, der sich um die Kenntnis den kultur- und kunstgeschichtlichen Rang der Handschriften verdient gemacht hat, würdigte auch den silbernen Bucheinband des Evangeliars, der von Hans von Reutlingen aus Aachen stammt, "dessen Werke zu den bedeutendsten an der Wende von Spätgotik zur Frührenaissance" stehen.

1520 schenkte Martin den Kempenern Kostbarkeiten und Kleinodien im Schätzwert von 15 Dukaten. Ein Kempener Reliquienkatalog von 1541 nennt 37 Reliquien, die er der Kirche vermachte.

Die augenfälligste Erinnerung an Martin von Oed(t) in Kempen ist bis heute das Haus Nievenheim, dessen Bauherr er um 1522 war. Vorher hatte hier, an der Ecke Oelstraße/Hessenwall und in der Nähe des Peter-Tores das Haus seiner Eltern gestanden. Als Steinhaus mit seinem charakteristischen Stufengiebel markiert es gleichsam den Beginn einer neuen Periode des Hausbaues in der kurkölnischen Amtsstadt und ist dort das älteste Patrizierhaus. Es gehört zu den markantesten profanen Baudenkmälern der an Kunstschätzen so reichen Stadt. Sein hohes Ansehen, das Martin in Kempen genoss, kommt auch darin zum Ausdruck, dass ihm - eine obrigkeitliche Anerkennung höchster Wertschätzung - wiederholt der Ehrenwein angeboten wurde.

Im 17. Jahrhundert gelangte das nach einer Funktion Martins auch Offizialshaus genannte Gebäude in den Besitz des kurkölnischen Amtmanns Constantin von Neukirchen genannt von Nievenheim, dessen imposante Grabplatte noch heute in der Kempener Propsteikirche zu bewundern ist. Nach ihm hieß es künftig "Haus Nievenheim". Und an ihn erinnert bis heute sein Familienwappen an der Hofseite.

(RP)
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