Serie Vor 535 Jahren Ein erlesenes Kunstwerk für Kempen

Viersen · 1480 wurde Kurfürst Hermann von Hessen Kempens neuer Landesherr. Er schenkte der Stadt einen Zelebrantenstuhl mit seinem Wappen.

 Rückseite des sogenannten Zelebrantenstuhls in der Kempener Propsteikirche: links das Wappen der Stadt Kempen, in der Mitte die Leidenswerkzeuge Christi, rechts das Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten Hermann von Hessen.

Rückseite des sogenannten Zelebrantenstuhls in der Kempener Propsteikirche: links das Wappen der Stadt Kempen, in der Mitte die Leidenswerkzeuge Christi, rechts das Wappen des Erzbischofs und Kurfürsten Hermann von Hessen.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

KEMPEN Es sind nicht selten die scheinbar unbedeutenden Dinge, die sich erst beim zweiten Hinsehen als Objekte von eigener historischer Relevanz erweisen. Das gilt zum Beispiel für die Rückseite des dreisitzigen gotischen Zelebrantenstuhls in der an Kunstschätzen so reichen Kempener Propsteikirche. Sie zeigt neben dem Kempener Stadtwappen das Wappen des Kölner Kurfürsten Hermann IV. von Hessen. Es ist eines der frühesten Zeugnisse eines Kölner Landesherren im öffentlichen Raum in Kempen, und das in einem kunstgeschichtlich exquisiten Ensemble.

Kurfürst Hermann von Hessen, 1449 oder 1450 als dritter Sohn des hessischen Landgrafen Ludwig I. geboren, wurde im August 1480, also vor 535 Jahren, in das damals auch weltlich mächtige Amt des Erzbischofs von Köln gewählt. Zugegeben: kein besonders runder Jahrestag, aber einer an den zu erinnern lohnt.

Mit der "Goldenen Bulle" von 1356 wurde die Königswahl durch die sieben Kurfürsten geregelt. Neben den Erzbischöfen von Mainz und Trier, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem König von Böhmen, dem Herzog von Sachsen und dem Markgrafen von Brandenburg gehörte auch der Kölner Erzbischof diesem Wahlmännergremium an. Das alleine schon machte die Wahl eines Kölner Erzbischofs zu einem Vorgang von reichsweiter Bedeutung. In Hermanns Amtszeit fiel die Wahl des letzten spätmittelalterlichen Königs, des späteren Kaisers Maximilian I.

Hermann IV. von Hessen, auch "der Friedsame" genannt, hat sich als ordnende Kraft um das Erzstift Köln, zu dem Kempen bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen gehörte, verdient gemacht. Im Internet-Portal "Rheinische Geschichte" des Landschaftsverbandes Rheinland wird sein Wirken u.a. wie folgt gewürdigt. "Eine der größten und nachhaltigsten Leistungen des Hessen betrifft die kurkölnische Wirtschaft. Durch gezielte Entschuldungsmaßnahmen entschärfte er in den drei Jahrzehnten seiner Regierung die negativen Folgen, die die Verpfändung der meisten Kurkölner Ämter an Adlige inner- und außerhalb des Erzstiftes für den Landesherrn hatte. Dadurch konsolidierte er nicht nur seine Stellung, sondern die Maßnahmen sorgten zugleich für den inneren Frieden nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen."

In diesem Kontext wird man es sehen dürfen, dass ihm auch in Kempen offenbar Verehrung zuteil wurde und er andererseits als Stifter eines Chorgestühls gilt, das von einzigartiger Qualität ist und für sich alleine schon die Kempener Kirche zum kunsthistorischen Kleinod machen würde. Der zum gotischen Chorgestühl gehörige Sitz für die drei Zelebranten im Chorraum der Kirche zeigt auf seiner Rückseite in hervorragender Qualität in Holz geschnitzt links das Wappen der Stadt Kempen. Dabei handelt es sich um die früheste Darstellung des bis heute gültigen heraldischen Hoheitszeichens der Stadt. In der Mitte sind die Leidenswerkzeuge Christi und rechts das Wappen des Kölner Kurfürsten Hermann von Hessen zu sehen. Über diesem Wappen findet sich die Inschrift "Arma ar(chi)epi(scopi) Co(loniensis)" (Wappen des Kölner Erzbischofs).

Stets wurde dieses großartige Beispiel rheinischer Holzschnitzkunst hoch gerühmt. Schon der Kempener Geschichtsschreiber Johannes Wilmius (1584-1655) berichtete (hier die Übersetzung des lateinischen Textes): "Groß war auch die Freigebigkeit des Erzbischofs gegen die Kempener Kirche. Neben dem Hochaltar ließ er dort einen bischöflichen Sitz errichten, der so kunstvoll gearbeitet ist, dass ausländische Völker, von diesem Kunstwerk angezogen, nach Kempen kamen. Man sieht kaum eine Fuge daran, so dass es gerade aus einem Stück Holz herausgehauen zu sein scheint." Aber auch Kunsthistoriker unserer Zeit (Dr. Christoph Dautermann und Dr. Ulrich Schäfer 2005) loben den "Variantenreichtum in den Einzelformen" und die "Feinheit in deren Ausführung".

Dass man nicht allzu viel über diesen Kurfürsten und sein Verhältnis zu seiner niederrheinischen Amtsstadt Kempen weiß, ist sicher der am Ausgang des Mittelalters immer noch relativ quellenarmen Überlieferungslage zuzuschreiben. Dennoch kommt Maria Fuhs, die 1995 ein Buch über ihn publizierte, zu dem Urteil; "Wenn auch über Persönliches so gut wie nichts bekannt ist, bezeugen seine Leistungen einen tatkräftigen und glaubhaften Charakter. Hermann von Hessen starb am 19. 10. 1508 und wurde auf eigenen Wunsch in einem kleinen, unscheinbaren Grab im Kölner Dom beigesetzt."

(prof)
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