Brüggen "Die Verwaltung muss dem Bürger helfen"

Brüggen · Als 14-Jähriger begann Gerd Schwarz seine Verwaltungslaufbahn bei der damals noch selbstständigen Gemeinde Bracht. Das ist heute 50 Jahre her - und immer noch macht dem Allgemeinen Stellvertreter des Bürgermeisters die Arbeit in der Verwaltung viel Spaß

 Gerd Schwarz (vorn) mit Friedhelm Stroucken (rechts) und Helmut van der Velden im Frühjahr 1970.

Gerd Schwarz (vorn) mit Friedhelm Stroucken (rechts) und Helmut van der Velden im Frühjahr 1970.

Foto: Busch

Der 1. April 1966 war ein Freitag. Für Gerd Schwarz aus Bracht war dieser Freitag der erste Arbeitstag am Beginn seiner Verwaltungslehre. Den Ausbildungsplatz hatte sich der 14-Jährige nicht selbst gesucht. "Damals entschieden die Lehrherren, wen sie als Lehrling nehmen wollten", erzählt Schwarz. Er erinnert sich, dass eines Tages Gemeindedirektor Wilhelm Cox in der Schule auftauchte. Cox war auf der Suche nach Verwaltungsnachwuchs und fragte den Rektor: "Wen kannst du mir empfehlen?" Und der Rektor, Ferdinand Jorißen, empfahl Gerd Schwarz.

 Gerd Schwarz ist der Gemeindeverwaltung 50 Jahre treu geblieben. Als junger Mann begann er seine Lehre bei der Gemeinde Bracht, heute ist er Fachbereichsleiter im Rathaus in Brüggen.

Gerd Schwarz ist der Gemeindeverwaltung 50 Jahre treu geblieben. Als junger Mann begann er seine Lehre bei der Gemeinde Bracht, heute ist er Fachbereichsleiter im Rathaus in Brüggen.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

So landete der Junge bei der damals noch selbstständigen Gemeinde Bracht. Unglücklich war er darüber nicht. Er war bei den Messdienern, engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG), und Kaplan Baumann hatte oft genug Schwarz' Eltern in den Ohren gelegen, sie sollten den Jungen doch weiter zur Schule schicken. Als Jorißen dann dem Gemeindedirektor den Schüler für die Verwaltung empfahl, kam das dem 14-Jährigen ganz recht: "Ich dachte: ,Ich habe genug von der Schule, ich mach' das.'"

Die Freude über den Abschied von der Schule währte allerdings nur kurz, "danach bin ich noch zehn weitere Jahre zur Schule gegangen", sagt Schwarz schmunzelnd. Auf die Verwaltungslehre folgte der mittlere Beamtendienst. "Schnell war mir klar, dass es das nicht gewesen sein konnte." Er besuchte die Fachoberschule, qualifizierte sich für den gehobenen Dienst, wurde Gemeindeinspektor, später Stellvertreter des Gemeindedirektors. Seit 2003 ist der heute 64-Jährige Allgemeiner Stellvertreter des Bürgermeisters.

An die ersten Aufgaben als Lehrling erinnert er sich noch gut. "Ich war beim Kollegen Helmut van der Velden, der fürs Wasserwerk zuständig war", berichtet Schwarz. "Am ersten Tag habe ich an einer Rechenmaschine Wasserverbräuche berechnet." Das wurde, wie alles damals, noch "zu Fuß" erledigt, ohne Computerhilfe. Technische Neuerungen veränderten die Arbeit in der Verwaltung im Laufe der Jahrzehnte stark: Auf die Kugelkopfmaschine folgte die Typenradschreibmaschine, dann die Speicherschreibmaschine. "Irgendwann kam der erste Rechner mit einer 30-MB-Festplatte", so Schwarz. "Das war gigantisch viel. Wir brauchten den Rechner ja nur für Text. Da war noch nichts mit Grafik."

Als Lehrling lernte der junge Schwarz alle Ämter kennen. Im Sozialamt gefiel es ihm am besten. "Da war Herr Backes, er war ein Musterbeispiel für einen Menschen mit sozialer Ader. Er war dazu berufen, Menschen zu helfen", sagt Schwarz. "Bei ihm habe ich nicht nur in fachlicher Hinsicht viel gelernt, sondern auch soziale Kompetenz." Im Sozialamt half der junge Mann alten Brachtern, Rentenanträge auszufüllen. "Oft habe ich die Frage gehört: ,Wat hässe jesaut, Jung?'" Ein Kollege riet: "Du musst Platt mit den Leuten sprechen, damit sie dich verstehen." Also lernte Schwarz Platt, was er von daheim nicht kannte.

Eine einschneidende Veränderung erfuhr die Verwaltung 1970: Aus den selbstständigen Gemeinden Brüggen und Bracht wurde eine Gemeinde. Das Brachter Bürgermeisteramt wurde noch für das Sozialamt genutzt, die anderen Teile der Verwaltung zogen ins Brüggener Rathaus. Dort waren Schwarz, Helmut van der Velden und Friedhelm Stroucken mit der organisatorischen Zusammenlegung betraut worden. Die Männer mussten Akten zusammenführen, einheitliche Register anlegen. "In Tag- und Nachtschichten haben wir das auf die Schiene gesetzt", erinnert sich Schwarz - verpflegt von der Ehefrau des Hausmeisters, der damals noch im Rathaus wohnte.

Für die Verwaltung sei die Umstellung nicht schwierig gewesen, sagt Schwarz: "Auf kollegialer Ebene war es von Anfang an so, als hätten wir immer zusammengearbeitet." Auf politischer Ebene sah das anders aus: Das Ortsteildenken war stark ausgeprägt. Bekam der eine Ortsteil etwas, musste es auch der andere haben. Der Wunsch nach Ausgewogenheit war so groß, dass der Gemeinderat seine Sitzungen abwechselnd in Brüggen und Bracht abhielt. Weil das Brachter Bürgermeisteramt zu klein war, nutzten die Ratsmitglieder die Aula der Hauptschule. Und die Verwaltung zog mit ihrem Sitzungsköfferchen mit. "Irgendwann war damit Schluss", sagt Schwarz, "ich glaube, das ist allen zu lästig geworden".

Zunächst war Schwarz zuständig für Schule, Kultur, Sport und Fremdenverkehr, dann fürs Hauptamt, dessen Leiter er 1989 wurde. Heute ist er Fachbereichsleiter für Organisation, Personal und Finanzen. Ständig ist er erreichbar - für den Bürgermeister, aber auch für die Bürger. Die sprechen ihn beim Einkaufen an oder rufen auch schon mal zu Hause an, wenn sie eine Frage haben. "Das gehört zu meinem Job", sagt Schwarz schlicht. "Und das hat mich nie gestört."

Manche Dinge haben sich in 50 Jahren nicht geändert, sagt er: "Verwaltung muss den Bürger unterstützen, ihm helfen, das Leben so gut wie möglich zu gestalten. Das habe ich von der Pike auf gelernt, und das habe ich als Ausbildungsleiter auch immer versucht, unseren Nachwuchskräften zu vermitteln."

Stets habe er das Glück gehabt, Aufgaben zu erhalten, die ihm liegen, sagt Schwarz. Und bis heute werde er mit Dingen konfrontiert, die er noch nie gemacht habe: "Das ist es, was mich an diesem Beruf nach wie vor reizt." So macht ihm die Arbeit in der Verwaltung auch nach 50 Jahren immer noch Spaß. So viel Spaß, dass er nicht zum Ende des Jahres in den Ruhestand geht, sondern bis Mitte 2017 bleibt.

(RP)
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