Schwalmtal Die Toten von Hostert bekommen einen Namen

Schwalmtal · Paten beschriften am Freitag Wachsplättchen mit den Namen der Menschen, die der NS-Euthanasie zum Opfer fielen

Eine Detailaufnahme aus dem Modell für die Gedenkstätte: Die Kugeln sollen einen Durchmesser von 1,80 Meter haben.

Eine Detailaufnahme aus dem Modell für die Gedenkstätte: Die Kugeln sollen einen Durchmesser von 1,80 Meter haben.

Foto: hah

Mehr als 400 Menschen werden am Freitag, 19. Mai, im Rathaus, Markt 20 in Waldniel, erwartet: Sie werden Wachsplättchen beschriften mit den Namen der Menschen, die in der NS-Zeit in der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Hostert, einer Außenstelle der Anstalt Süchteln-Johannistal, starben. Derzeit wird die Gedenkstätte auf dem einstigen Anstaltsfriedhof neu gestaltet. Rund 550 Menschen, darunter 99 Kinder, starben in Hostert. Viele wurden Opfer des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten: Ihr Leben galt als unwert, Ärzte stellten bei behinderten Kindern fest, sie seien "nicht abrichtfähig". Das war ihr Todesurteil.

An einer Mauer an der neu gestalteten Gedenkstätte sollen die Namen der 550 Toten mit Geburts- und Todestag auf Messingplättchen angebracht werden. Außerdem werden auf dem Gelände große Metallkugeln, die von Kinderhänden geformte Objekte aus Knetmasse nachbilden, ausgelegt. Sie sollen an die dort begrabenen Kinder erinnern. Das Konzept zur künstlerischen Umgestaltung stammt von der Arbeitsgemeinschaft struber_gruber aus Wien. 2016 hatte der Landschaftsverband Rheinland (LVR) dem Vorschlag zugestimmt.

Jeder Tote soll einen Paten erhalten, der den Namen des Verstorbenen auf ein Wachsplättchen schreibt. Mit Hilfe dieser Wachsplättchen werden dann die Messingplaketten gefertigt, die an der Mauer angebracht werden sollen.

Viele junge Leute sind in das Projekt eingebunden: Auszubildende der Gesundheits- und Krankenpflege der LVR-Kliniken Viersen, Orthopädie Viersen und Mönchengladbach helfen bei der Aktion. Im Unterricht beschäftigen sich die Jugendlichen mit der NS-Zeit und setzen sich mit der Vergangenheit der LVR-Vorgänger-Organisation, der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt, auseinander. In den vergangenen Monaten halfen Schüler der Europaschule in Waldniel und Schüler des Berufskollegs des Kreises Viersen dabei, Paten zu finden.

Die Paten sorgen dafür, dass die Namen der Toten von Hostert nicht vergessen werden. Sie können am Freitag von 9 bis 19 Uhr die Wachsplättchen im Gangeszimmer des Rathauses beschriften. Oben werden im Bürgersaal drei Vorträge gehalten. Um 13 Uhr spricht Peter Zöhren über das Thema "Gedenken und Erinnern". Maike Rotzoll referiert um 14 Uhr über Patientenmorde in der NS-Zeit unter dem Titel "Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst". Um 15.45 Uhr beleuchtet Andreas Kinast, Autor des Buches "Das Kind ist nicht abrichtfähig", die Geschichte der Kinderfachabteilung und der NS-Euthanasie in Hostert.

(biro)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort