Viersen Die Hüterin der historischen Postkarten

Viersen · Seit ihrer Kindheit sammelt die Süchtelnerin Ingeborg Rath Ansichtskarten aus ihrer Heimat. Mittlerweile besitzt die 67-Jährige mehr als 600 Exemplare. Für ihr liebstes Stück hat sie 160 Euro bezahlt

 "Ich bin mit dem Sammeln groß geworden." Ingeborg Rath (67) präsentiert ihre Postkarten-Schätze auf dem großen runden Wohnzimmertisch. Kleines Bild: Eine Postkarte aus Süchteln von vor 1905.

"Ich bin mit dem Sammeln groß geworden." Ingeborg Rath (67) präsentiert ihre Postkarten-Schätze auf dem großen runden Wohnzimmertisch. Kleines Bild: Eine Postkarte aus Süchteln von vor 1905.

Foto: Franz-Heinrich Busch/Repro: Rath

Schwärmerisch lässt Ingeborg Rath ihren Blick über einen großen Haufen Postkarten wandern, der vor ihr auf dem Tisch liegt. Von schwarzweißen bis hin zu farbigen Karten ist alles dabei. Darunter Motive wie das alte Rathaus oder das St.-Irmgardis-Krankenhaus. Auch Aufnahmen des ehemaligen Turnvereins Einigkeit Süchteln-Vorst liegen dort. Die Süchtelnerin sammelt schon seit ihrer Kindheit Ansichtskarten rund um die Region. "Ich bin mit dem Sammeln groß geworden", berichtet sie. Diese historische Sammlung sei für seine Frau sehr wichtig, sagt Friedhelm Rath. Er selbst bietet Nachtwächtertouren durch Süchteln an.

Um die 600 Postkarten, zwischen denen einige seltene Stücke zu finden seien, hat Ingeborg Rath bereits zusammen, dazu noch zahlreiche historische Fotos, Bücher und Urkunden, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Friedhelm sammelt. Sogar ein Steuerbuch aus dem Jahr 1862 gibt es in ihrem Archiv. An einen bestimmten Postkartentyp hat sich Ingeborg Rath beim Sammeln nicht gebunden. Ansichtskarten reihen sich an Grußkarten, Echtfoto-Postkarten an Lithografien. Bei Letzterem handelt es sich um ein spezielles Flachdruckverfahren, das für die Ansichtskartenherstellung genutzt wurde. Nur auf ihr Sammelgebiet hat sich Rath festgelegt: Für sie sind die Karten aus ihrer Heimat Süchteln am wertvollsten. Den Eheleuten liegt die Heimatkunde am Herzen; so sind sie auch Mitglieder im Süchtelner Heimat- und Verschönerungsverein.

Die Postkarten lagert Ingeborg Rath in zahlreichen Kartons. "Um die Stücke in Alben aufzubewahren, fehlt uns der Platz", sagt sie. Die Karten sollten aber auf jeden Fall trocken gelagert werden, damit sie nicht aufweichen oder schimmeln. Zusätzlich bewahrt die Seniorin ihre Exemplare in Folien auf. Sie bieten einen säurefreien Schutz. Gäbe es diesen nicht, würden sich die Karten im Laufe der Zeit zersetzen, sagt die 67-Jährige. Sortiert hat sie die Einzelstücke nach Ort oder Straße sowie nach dem Datum. "Ich weiß genau, wo was rein muss", sagt Ingeborg Rath, während sie den Berg an Postkarten in einzelne Stapel sortiert.

Einblicke in die Geschichte der ehemals eigenständigen Stadt Süchteln können die Karten auch geben - etwa beim 150. Geburtstag des ASV Süchteln. In einem dazu erschienenen Buch, datierte der Autor das erste Süchtelner Bergfest auf das Jahr 1909. Das Ehepaar aber fand in seinen Unterlagen eine Postkarte des ersten Festes - bereits von 1900. Um den Verdacht zu stützen, dass es sich bei 1909 um das falsche Jahr handelte, durchforstete das Ehepaar das Stadtarchiv in Viersen und fand weitere Belege. Demnach hatte das erste Bergfest tatsächlich schon 1900 stattgefunden. Mithilfe der Karten kann das Paar auch alte Fotos zeitlich einordnen oder Informationen über Gebäude oder die Region ableiten. Die Foto-Postkarten etwa geben einen Überblick darüber, was wo und wann an Gebäuden hinzugefügt und entfernt wurde.

Je seltener und älter eine Karte ist, desto hochwertiger kann sie sein - wenn sie in einem guten Zustand ist. Auch in Raths Sammlung befinden sich einige wertvolle Exemplare. Zum Beispiel eine Postkarte von 1896. "Man muss aber bei der Bestimmung des Alters der Karten aufpassen", sagt Ingeborg Rath. Das Datum, an dem die Briefmarke abgestempelt wurde, entspreche nicht immer dem Druck der Karte. In ihrer Sammlung befinden sich beispielsweise gleiche Karten, auf denen aber die jeweiligen Stempeldaten mehrere Jahre auseinander liegen. Es könne also auch vorkommen, dass eine Karte erst zehn Jahre nach ihrem Druck abgeschickt werde, sagt die Seniorin.

Das Ehepaar kauft die Karten vor allem im Internet oder es bekommt sie geschenkt. Zudem fahren die beiden zu Kartenbörsen und Trödelmärkten. Für eine Postkarte aus Süchteln-Vorst, die ihr sehr am Herzen liegt, hat Ingeborg Rath sogar stolze 160 Euro bezahlt. "Wenn man die Karte unbedingt haben will, bezahlt man", erklärt sie. Es sei nämlich immer schwieriger, an historische Karten heranzukommen. Auch Faltbücher, sogenannten Leporellos, seien nur noch selten in einem Stück zu finden, sagt die Sammlerin. Fast immer seien die einzelnen Bild-Elemente bereits auseinander gerissen. Die eigenen Karten hat Friedhelm Rath für seine Frau sicherheitshalber eingescannt und die Dateien auf seinem Computer gespeichert.

Obwohl es in Süchteln und Umgebung mehrere Sammler gibt, existiere dort kein eigener Verein, berichtet die 67-Jährige. Sie würden ihren Karten dafür aber gelegentlich untereinander tauschen.

(RP)
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