Serie Mein Verein Die Gemeinschaft von der Neustraße

Viersen · Die Anwohner der Neustraße in Süchteln nehmen das Wort Zusammenleben ernst: Vor fast 35 Jahren gründeten sie bei einer Hochzeit ihre Straßengemeinschaft. Die empfinden die Mitglieder fast wie eine große Familie

 Gruppenfoto unter dem Straßenschild. "In der Straßengemeinschaft fühlen wir uns wie in einer großen Familie gut aufgehoben", sagt Anwohner Andreas Goßen.

Gruppenfoto unter dem Straßenschild. "In der Straßengemeinschaft fühlen wir uns wie in einer großen Familie gut aufgehoben", sagt Anwohner Andreas Goßen.

Foto: Kallianteris

Süchteln Die Neustraße in Süchteln schaut auf den ersten Blick unspektakulär aus. Doch über die beschauliche Straße mit dem unauffälligen Namen gibt es einiges zu erfahren. Vor der kommunalen Neugliederung im Jahre 1970, als die vier Städte Viersen, Süchteln, Dülken und Boisheim zu einer Stadt zusammengefügt wurden, gab es mehrere Straßen mit derselben Bezeichnung. Da die Süchtelner Neustraße die älteste war, durfte sie den Namen als einzige weiterführen.

Die zweite Besonderheit ist die seit fast 35 Jahren bestehende Straßengemeinschaft. Die Nachbarschaft in der Neustraße hält zusammen wie Pech und Schwefel. "Ganz früher, vor dem Zweiten Weltkrieg, als hier noch nichts befestigt oder asphaltiert war, hieß unsere Straße ,De Paad'", erklärt Marga Drenker, die älteste Bewohnerin in der Nachbarschaftsgemeinschaft. "Das bedeutet soviel wie ,Der Pfad', und der erdige Boden wurde noch mit dem Besen gekehrt", erinnert sie sich.

Marga Drenker war auch am Entstehungstag der Straßengemeinschaft vor knapp 35 Jahren dabei. "Es fand eine Hochzeit statt, und die ganze Nachbarschaft traf sich zum Kränzen, so wie sich das gehört", erzählt die alte Dame schmunzelnd. Es muss ein rauschendes Fest gewesen sein, denn seit diesem Tage schmücken die Bewohner bei jedem Festakt, den es zu begehen gilt, die Häuser in Gemeinschaftsarbeit und organisieren Feierlichkeiten, wie Sommer- und Neujahrsfeste oder Jubiläen.

"Gefeiert wird immer gemeinschaftlich, aber wir helfen uns auch gegenseitig bei ganz alltäglichen Dingen", berichtet Alexandra Hurschler, die seit vier Jahren den Vorsitz der Straßengemeinschaft innehat. "Sogar der Süchtelner Karnevalsprinz kommt an Karneval zum Feiern vorbei", fügt Willi Frieters hinzu. Er war 25 Jahre lang Vorsitzender der Straßengemeinschaft und ist zusammen mit seiner Ehefrau Irmgard maßgeblich an der Entstehung der Straßengemeinschaft beteiligt gewesen.

"Wir haben hier schon mehrere Goldhochzeiten begangen, und unsere Straßenfeste sind immer noch legendär." Alle Aktivitäten tragen sich aus eigenen Mitteln der Mitglieder. Das Einsammeln der Beiträge für die Freud- und Leidkasse hat Kassierer Frank Hirschmüller übernommen. Hieraus werden Geburtstagsgeschenke, aber auch Trauerkränze und Kondolenzkarten finanziert. Aktuell finden die Sommerfeste bei Alexandra Hurschler im Garten und nicht mehr auf der Straße selbst statt.

"Ich bringe Einladungen und Protokolle rund, bei den Sommerfesten organisiere ich Auf- und Abbau, besorge Getränke und alles Weitere für das Grillen. Der Rest wird von der Nachbarschaft beigesteuert", sagt die 38-Jährige. "Wir kennen uns alle beim Namen und Nachbarschaftshilfe wird ganz groß geschrieben. Wer einen Babysitter, Hilfe bei Handwerksarbeiten oder Unterstützung beim Gassigehen mit dem Hund braucht, für jeden ist immer jemand da", bestätigt Barbara Scheunemann den Zusammenhalt der Nachbarschaft.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Sicherheit genießt auch Marga Drenker. Sie hat es nicht bereut, nie weggezogen zu sein. "Hier bin ich seit meinem zweiten Lebensjahr zu Hause, hier fühle ich mich wohl und bekomme alle Hilfe, die ich brauche", so die 88-jährige Seniorin. Und sie freut sich sehr, wenn sie auch etwas zurückgeben kann, an ihre Nachbarn und Freunde - spannende Geschichten von früher zum Beispiel oder einen Ratschlag.

Für die jüngste Bewohnerin, die zweijährige Lotte, hat sie ein neues Lätzchen mit dem aufgestickten Vornamen in Handarbeit angefertigt. "So etwas ist sonst nur in Familien üblich", sagt Lottes Vater Andreas Goßen. "Wir leben gerne hier, und in der Straßengemeinschaft Neustraße fühlen wir uns wie in einer großen Familie gut aufgehoben."

(paka)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort