Kreis Viersen Die Feuerwehr darf nicht immer helfen

Kreis Viersen · Ein Unwetter mit heftigen Böen und Sturzregen bedeutet immer viel Arbeit für die Feuerwehr. Bei Sturmtief "Niklas" hatte es allein bis 16 Uhr am Dienstag rund 240 Notrufe im Kreis Viersen gegeben. Verletzt wurde niemand.

 Der Tag danach: Umgestürzte Bäume - eine 50 Jahre alte Kiefer schlug auf ein Wohnhaus und den Garagenbau an der Neuwerker Straße in Viersen - waren an zahlreichen Stellen im Kreisgebiet zu finden.

Der Tag danach: Umgestürzte Bäume - eine 50 Jahre alte Kiefer schlug auf ein Wohnhaus und den Garagenbau an der Neuwerker Straße in Viersen - waren an zahlreichen Stellen im Kreisgebiet zu finden.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Bilanz nach Sturm "Niklas" im Kreis Viersen: Das Gros der insgesamt 49 Einsätze verbuchte die Kreisleitstelle am Dienstag in der Zeit zwischen 8 und 16 Uhr; bis Mitternacht kamen 22 weitere Einsätze hinzu. Bis 10 Uhr am Mittwochmorgen zählte die Leitstelle noch einmal fünf Hilfeleistungen. Erfreulich: Verletzte Personen gab es nicht.

"Alle Einsätze waren Sturmeinsätze. Absicherungen, Baumfällungen oder Freihalten von Rettungswegen", so Kreisleitstellen-Chef Michael Oyen. Meldungen über überschwemmte Keller oder über die Ufer tretende Bäche gab es in der Leitstelle nicht. Kreisbrandmeister Klaus-Thomas Riedel erklärt, was an einem solchen Tag ein Einsatz für die Feuerwehr ist und was nicht. "Oberster Grundsatz ist die Gefahrenabwehr", sagt Riedel. Das einfachste Beispiel: Ein Baum ist umgestürzt und liegt quer auf einer Straße. Hier besteht Gefahr, dass nachfolgende Autofahrer das zu spät bemerken und verunglücken.

Wenn die Feuerwehr an der Einsatzstelle eintrifft, muss der Einsatzleiter eine wichtige Entscheidung treffen: Ist es möglich, diesen Baum ohne Gefahr für die Wehrleute zu beseitigen? Falls ja, wird der Baum zersägt und zur Seite geräumt - die Straße ist schnell wieder frei. Es kann aber auch sein, dass wegen des unvermindert anhaltenden Sturms dort weitere Bäume umzustürzen drohen, die dann auf die arbeitenden Wehrleute fallen könnten. Dann muss die Gefahr für die Autofahrer anders beseitigt werden - eben durch Absperrung und Absicherung. Der Baum wird entfernt, wenn der Sturm etwas abgeklungen ist, so dass die Wehrleute gefahrlos arbeiten können.

Aber was ist, wenn ein Baum neben der Straße oder auf einem Privatgrundstück umstürzt? Dann wird wieder geschaut, ob eine Gefahr davon ausgeht - die Gefahr, dass dadurch weitere Schäden entweder für Mensch und Tier oder für Sachwerte entstehen könnten. Hat der Baum den Zaun zu einer Weide durchschlagen und Tiere könnten während des Sturms auf der Straße herumirren, dann besteht Gefahr. Wenn ein Baum auf ein Haus stürzt und es gibt die Möglichkeit, dass er durch weiteres Nachrutschen noch mehr am Haus beschädigt, dann besteht Gefahr. Ist der Baum aber einfach nur in einem Garten oder auf dem Feld umgekippt, dann geht von ihm keine unmittelbare Gefahr aus. Er kann von einem entsprechenden Unternehmen, das vom Eigentümer beauftragt wird, fachgerecht entsorgt werden.

Was ist bei Wasserschäden? Bei Hochwasser im Keller ist es ebenfalls so, dass die Feuerwehr dazu da ist, Gefahren abzuwehren. Und hier zeigt sich auch erstmals eine andere Grenze, die der Arbeit gesetzt ist. "Unsere Pumpen brauchen eine Mindestwassertiefe, um arbeiten zu können", sagt Riedel. Wenn das Wasser weniger als fünf Zentimeter hoch steht, würden die Pumpen Luft ansaugen und kaputt gehen. Hier müssen die Hausbesitzer ganz klassisch mit Aufnehmer und Eimer zu Werke gehen. Steht das Wasser höher, kann die Wehr Pumpen einsetzen. Der letzte "Rest" wird aber auch in diesem Fall zurückbleiben. Gerade bei solchen Großschadenslagen gebe es allerdings nicht nur eine Alarmierung, gibt Riedel zu bedenken. Die Einsätze werden koordiniert - wenn es irgendwo Menschen zu retten gilt, dann muss dafür ein Hausbesitzer, dessen Keller vollläuft, warten.

Zahlen und Fakten zu Orkan "Niklas"
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Foto: dpa, kne

Ein letzter wichtiger Punkt für die Abwägung, ob es ein Einsatz für die Feuerwehr ist oder eben nicht, ist die Frage: Ist es mit den verfügbaren Wehrleuten und dem vorhandenen Material möglich, hier zu helfen? Oder könnte man möglicherweise eine Kettenreaktion auslösen, die anschließend größeren Schaden hervorruft? Ein Beispiel hier ist eine Tanne, die sich aus einer Grundstückseinfriedung heraus auf ein Dach geneigt hat und nun darauf liegt. Darunter sind einige Dachziegel beschädigt, aber es dringt so gut wie kein Regen ein. Wenn die Feuerwehr nun diese Tanne zurückschneiden würde, verändert sich die Windangriffsfläche für die anderen Bäume der Gruppe, möglicherweise fällt dadurch oder durch eine Wurzelbeschädigung ein weiterer Baum, gefährdet die Einsatzkräfte und beschädigt das Haus noch schlimmer. Das wäre ein Grund, als Feuerwehr hier nicht zur Säge zu greifen, sondern den vorhandenen Zustand abzusichern und zu empfehlen, ein Fachunternehmen zu beauftragen.

(hah)
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