Viersen Der Körper "als Quelle des Erlebens"

Viersen · Im Rahmen des Tanz NRW-Festivals ist die Ben J. Riepe Kompanie aus Düsseldorf zu Gast in Viersen. Arbeiten auf der Grenze zwischen Tanz und Performance, Ausstellung und Aufführung. Taschenlampen für die Besucher.

 Die Besucher der Städtischen Galerie in Viersen sollen Bilder im Dunkeln mit Taschenlampen betrachten.

Die Besucher der Städtischen Galerie in Viersen sollen Bilder im Dunkeln mit Taschenlampen betrachten.

Foto: Busch

Passanten bleiben vor der Städtischen Galerie stehen und schauen sich verwundert um: Die Fenster sind verhängt, ein großes Banner wirbt für das Tanz NRW-Festival - aber es versperrt den Eingang zum Haus. Es gibt lediglich den Hinweis, man möge den Seiteneingang benutzen. Außergewöhnliches geht vor in der Galerie. Im Rahmen des Tanzfestivals ist die Ben J. Riepe Kompanie aus Düsseldorf zu Gast in Viersen.

Ben J. Riepe studierte Tanz und Choreografie an der Essener Folkwang Hochschule, arbeitete nach dem Studium unter anderem bei Pina Bausch, bevor er 2004 sein Ensemble gründete. Ben J. Riepe entwickelt nicht nur einfach Tanzaufführungen, sondern arbeitet auf der Grenze zwischen Tanz und Performance, Ausstellung und Aufführung. Die Begriffe verschmelzen. Yohanna Yasirra Kluhs, Riepes künstlerische Beraterin, die die eigens für Viersen konzipierte Ausstellung begleitet, erklärt, dass Riepes Frage thematisiert wird, ob man eine Ausstellung gleichzeitig darstellen und eine Darstellung ausstellen.

In Viersen wird genau dieser Versuch unternommen: Im unteren Bereich der Galerie, die vollkommen ins Dunkel gehüllt sein wird, keine Lampe wird brennen, sind Fotografien von Recherchearbeiten zu Choreografien ausgestellt, die Riepe aufgenommen hat. Riepes aktuelle Arbeiten beschäftigen sich mit dem Körper "als Quelle des Erlebens, als ästhetischen Gegenstand". So sehen die Besucher Paare, die miteinander agieren, in fast klassischen skulpturalen Posen verharren, Menschen, deren Haare wie Masken angeordnet sind. Sehen trotz totaler Dunkelheit?

In die Galerie, die vom Seiteneingang her betreten wird, kommen nur fünf bis zehn Gäste zur gleichen Zeit. Diese werden mit Taschenlampen ausgerüstet. Und nun beginnt ihre eigene Performance in der Ausstellung einer Darstellung: Die Gäste nähern sich den Exponaten unsicher, tastend, sich selbst den Weg beleuchtend. Sie werden zu Ausstellungsobjekten. Ihre Sehgewohnheiten werden auf den Kopf und auf die Probe gestellt. Eine sehr besondere sinnliche Erfahrung. Einen Kontrast erleben die Besucher auf der 1. Etage, die sie nur über den Aufzug erreichen: Hier werden sich an jedem Nachmittag in einem von Neonleuchten erhellten Raum zwischen vier und zehn Tänzer und erfahrene Laien in Ganzkörperanzügen bewegen. Der Besucher bewegt sich zwischen ihnen hindurch und begegnet "objektivierten" Menschen. Ihre Anzüge nehmen ihnen ihre Individualität, mit der sich ein "normaler Theaterbesucher" ja auch gerne mal identifiziert. Sie werden, obwohl sie lebendig sind und sich bewegen, zu Ausstellungsobjekten.

(b-r)
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