Viersen Der bürokratische Teufelskreis

Viersen · Ismail Fazliov geht erste Schritte ins Berufsleben. Der Flüchtling macht ein Praktikum im Haus Greefsgarten in Viersen. Dort würde man ihn gerne anstellen — aber die Bürokratie steht im Weg

 Der Praktikant, dem die Senioren vertrauen. Im September endet die Hospitanz von Ismail Fazliov im Haus Greefsgarten.

Der Praktikant, dem die Senioren vertrauen. Im September endet die Hospitanz von Ismail Fazliov im Haus Greefsgarten.

Foto: Busch

Anfang des Jahres träumte Ismail Fazliov von einem Beruf im Seniorenbereich. Seit er im Sommer vergangenen Jahres in Deutschland angekommen ist und in Anrath ein Stück neue Heimat gefunden hat, bringt sich der 35-jährige Flüchtling aus Mazedonien ehrenamtlich in der Anrather Begegnungsstätte ein. Er, der selbst als Sechsjähriger nach Deutschland kam, da seine Eltern vor dem Jugoslawien-Krieg flüchteten und er erst als 14-Jähriger aufgrund der Abschiebung seines Vaters in seine ehemalige Heimat zurückmusste, erfuhr als Roma in Mazedonien erneut den Schrecken der Verfolgung. Vor diesem Hintergrund flüchtete er nun selbst mit seiner Frau und seinen drei Kindern.

In Anrath brachte er sich aufgrund seiner eigenen guten Deutschkenntnisse in der Begegnungsstätte zunächst mit Deutschunterricht für andere Flüchtlinge ein. Das reichte dem engagierten Flüchtling aber nicht. Wo Not am Mann war, sprang er ein und stellte fest, dass ihm die Arbeit mit Senioren viel Freude bereitet und die Senioren ihn ebenfalls sehr mögen. Das fiel auch der Leiterin der Begegnungsstätte auf. Eva Abels erfuhr von seinem Wunsch, im Seniorenbereich zu arbeiten und half Fazliov, eine Ausbildung als Betreuungskraft für vollstationäre Pflege bei der Volkshochschule des Kreises Viersen zu starten. Genau an seinem Geburtstag, dem 6. Juni, schloss Fazliov sie erfolgreich ab. 160 Stunden Theorie und 120 Stunden Praktikum lagen hinter ihm, wobei er den praktischen Teil im Haus Greefsgarten in Viersen absolvierte. "Ich war seine Dozentin in der Ausbildung und merkte schnell das große Engagement von Ismail. Daher boten wir ihm an, nachdem er sein Vorpraktikum im Willicher Altenheim Moosheide und in der Tagespflege gemacht hatte, das Hauptpraktikum bei uns zu machen", sagt Andrea Wilms, die Leiterin der sozialen Betreuung im Haus Greefsgarten. Wilms hatte den richtigen Riecher. Ein motivierter und fleißiger Praktikant und Senioren, die von seiner hilfsbereiten und offenen Art begeistert sind. Nach Ende des VHS Kurses ging es so direkt mit einem dreimonatigen Praktikum in der sozialen Betreuung weiter, dem sich jetzt eine erste Anstellung anschließen soll. Im Haus Greefsgarten ist ein Mitarbeiter langzeiterkrankt und Fazliov soll als Vertretung fungieren.

Allerdings tauchen nun die ersten bürokratischen Hindernisse auf. Das Verfahren in Sachen Aufenthaltsgenehmigung hängt in der Schwebe. Der 35-Jährige hat eine Ablehnung erhalten, obwohl er in Mazedonien verfolgt wurde, er in der Lage ist, für seine Familie selbst zu sorgen, sehr gut deutsch spricht und mehr als integriert ist. "Es ist ein Teufelskreis. Die Aufenthaltsgenehmigung bekommt er nicht ohne eine Anstellung. Wir aber dürfen ihn nicht anstellen, weil die Genehmigung vom Bundesamt für Flüchtlinge für eine Arbeitsstelle fehlt. Wir haben vor Wochen bereits den Antrag gestellt, aber nichts passiert", berichtet Wilms. Sie und auch Abels verstehen die Welt nicht mehr.

Im Haus Greefsgarten wird Fazliov dringend benötigt, aber wenn im September sein dreimonatiges Praktikum endet, darf er dort nicht weiterarbeiten. "Ich hoffe, dass doch noch alles klappt. Ich würde auch gerne meinen Hauptschulabschluss nachholen, der damals aufgrund der Abschiebung meines Vaters nicht mehr möglich war. Denn mit dem Abschluss könnte ich dann die richtige Ausbildung zum Altenpfleger machen",sagt Fazliov. Sein Ehrenamt in Anrath hat er mit seiner Arbeit in Viersen übrigens nicht eingestellt. In der Anrather Begegnungsstätte ist er nach wie vor der gute Geist und hat viele Ideen, wie er sich zusätzlich einbringen kann "Als ich letzten Montag zur Arbeit kam, hatte er als Überraschung alle Fenster in der Begegnungsstätte geputzt", erzählt Abels.

(RP)
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