Viersen Der Bluesrocker der Fotografie

Viersen · Norman Guy ist als Virtuose der Bluesrock-Gitarre aus der regionalen Musikszene schon lange nicht mehr wegzudenken. Dass er sich auch auf dem Gebiet der Fotografie auf professionellem künstlerischen Niveau bewegt, unterstrich jetzt abermals eine dreitägige Ausstellung im Privathaus des Künstlers in Dülken.

 In seinem Haus in Dülken stellte Norman Guy einen Teil seiner fotografischen Arbeiten aus.

In seinem Haus in Dülken stellte Norman Guy einen Teil seiner fotografischen Arbeiten aus.

Foto: Franz-Heinrich Busch

"De vieilles pierres et de jeune fille" - um alte Steine und junge Mädchen ging es bei dieser Bilderschau, für die das konsequent im Retro-Design der 70er-Jahre eingerichtete Wohnhaus den adäquaten ästhetischen Rahmen bot. Adäquat deswegen, weil auch bei einem großen Teil der Guyschen Fotoarbeiten eine Reverenz an die Ästhetik der 1970er-Jahre unübersehbar ist.

So erinnern viele der künstlerischen Darstellungen weiblicher Nacktheit in ihrer weichgezeichneten Ästhetik frappierend an die Arbeiten des britischen Fotografen und Filmemachers David Hamilton. Norman Guy bemüht sich gar nicht erst, diese offenkundige Anlehnung an das Werk Hamiltons zu leugnen. Die dem Briten von der Kritik mitunter als Kitsch vorgehaltene, die weiblichen Motive verklärende Gegenlicht- und Nebel-Atmosphäre symbolisiert für Norman Guy in idealisierender Weise die Geborgenheit der eigenen Kindheit in den 1970er-Jahren.

Unter den ausgestellten Aktfotografien finden sich aber auch ganz andere formale Auffassungen, etwa in schwarz-weißen Szenerien, die in ihrer unterkühlt-kontrastreichen Formensprache eher an die Arbeiten etwa eines Helmut Newton erinnern. Oder jene burlesque-erotischen Inszenierungen, in denen die eben noch naiv-unschuldig und zerbrechlich wahrgenommenen jungen Frauen zu selbstbewussten Steampunk-Heroinen mutieren.

Und dann sind da noch die "Lost Places", Aufnahmen von verwunschenen Orten und Industrieruinen mit dem morbiden Charme des Untergangs. Dieser zweite Schwerpunkt der Werkschau macht für den Besucher diese Ausstellung "rund" und zu einem Gewinn. Nach der Betrachtung der in schmeichlerisch-pastelligen Hauttönen gezeichneten jungen Frauenkörper schließt sich nun der Kreis: dort die Vergänglichkeit der Jugend, zart, organisch und verletzbar - hier die mit den Mitteln streng formaler Architekturfotografie dokumentierten Monumente scheinbar für die Ewigkeit geschaffener Bauwerke. In beiden Sujets wird Endlichkeit erfahrbar, Werden und Vergänglichkeit - vom Fotografen für den Moment eingefangen und doch längst unwiederbringlich verloren.

Für seine Fotokunst nutzt Norman Guy ausschließlich analoges Filmmaterial. Bluesrock ist übrigens auch so ein Relikt aus den Siebzigern und feiert aktuell ein bemerkenswertes Revival, ebenso wie die Vinylschallplatte und die Analogfotografie. Norman Guy - ein Bluesrocker der Fotografie?

(dmai)
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