Schwalmtal Den Hasen und nicht den Kies im Blick

Schwalmtal · Friederike Hinz streicht einen Hochsitz auf einem Feld in Lüttelforst rot. Die Farbe ist Signal und Warnung zugleich — doch nicht für Hasen

 Friederike Hinz mit dem Farbroller bei der Arbeit. Der Jäger erlaubte ihr, den Hochsitz zu streichen - Hasen können kein Rot sehen.

Friederike Hinz mit dem Farbroller bei der Arbeit. Der Jäger erlaubte ihr, den Hochsitz zu streichen - Hasen können kein Rot sehen.

Foto: V. Nienhoff

Wer derzeit von Lüttelforst aus in Richtung Schomm spaziert und den Blick schweifen lässt, wird plötzlich stutzig: Da steht ein Hochsitz, mitten im Feld, in Rot. Vielleicht entdeckt der Spaziergänger auch eine Frau, die mit Farbrolle und Pinsel im Gras steht und das kleine Holzhaus auf Stelzen anstreicht.

Friederike Hinz hat sich des Hochsitzes angenommen, ihn in ein Kunstobjekt verwandelt. Die Lüttelforster Künstlerin möchte Spaziergänger aufmerksam machen - doch nicht etwa auf den umstrittenen Kiesabbau, wie mancher vielleicht glauben möchte. "Der Hochsitz hat mit Kies nichts zu tun", sagt Hinz, "die Idee trage ich schon seit zwei Jahren mit mir herum".

Und nun wird diese Idee Wirklichkeit. Zunächst strich die Künstlerin vor drei Tagen das verwitterte Holz in Weiß. Dann griff sie zu der knallig roten Farbe, die man auch auf Verkehrsschildern findet - "Verkehrsrot" heißt diese Nuance. Dieses Rot ist ein Signal: Es erzeugt Aufmerksamkeit, es kann Warnung sein. Der ganze Hochsitz wird durch die rote Farbe zu einer einzigen Warnung: "Achtung, hier sitzt der Jäger!", scheint er zu signalisieren. "Man könnte denken, dass der Hase dadurch gewarnt wird", erklärt Hinz. Doch dem sei nicht so, das habe ihr ein Jäger erklärt: "Hasen können kein Rot sehen", sagt die Künstlerin. Entsprechend wird jetzt auch kein Langohr davonlaufen, nur weil Hinz den Hochsitz gestrichen hat.

Als sie sich mit dem Gedanken trug, einen Hochsitz zu streichen, fragte sie zunächst den zuständigen Jäger um Erlaubnis. "Er war sehr offen für die Geschichte und sagte mir: ,Suchen Sie sich einen aus!'", erzählt Hinz. In diesem Jahr wolle sie sich nun auf den einen Hochsitz beschränken, vielleicht kommen später weitere hinzu - "jetzt habe ich Blut geleckt".

Die frühere Assistentin Jörg Immendorffs wuchs in Lüttelforst auf, dort führt sie heute ihr Atelier und eine Kunstschule, in der Kinder, Jugendliche und Erwachsene kreativ werden. Seit den 1980er-Jahren untersucht Hinz das Phänomen Hase, beleuchtet es unter den verschiedensten Aspekten und aus unterschiedlichen Blickwinkeln heraus. Dazu gehört nun der Hochsitz. Der Betrachter sieht dieses rot gestrichene Häuschen, nimmt wahrscheinlich an, auch ein Hase werde den Hochsitz in Rot bemerken. Eine Reflexion über Wahrnehmungseben sei diese Arbeit, erklärt Hinz. Wie nimmt der Hase die Welt wahr? Diese Frage führt auch zu der Frage: Wie nehme ich die Welt wahr? "Flur 67 - Flurstück 138" hat sie die aktuelle Arbeit genannt, ein Hinweis auf den Platz, den der Hochsitz auf der Flurkarte der Gemeinde Schwalmtal hat. Die ersten Bilder hat sie jetzt schon aufgenommen, regelmäßig will sie in den kommenden zwölf Monaten den Hochsitz auf dem Feld fotografieren - bei Regen und Sonnenschein, zwischen Gras oder Mais, im Wechsel der Jahreszeiten: "Vielleicht entsteht daraus ein Buch", sagt Hinz.

Bis zur Parcours-Ausstellung, die Mitte September in Mönchengladbach stattfindet, wird der Hochsitz fertig gestrichen sein. Hinz, seit 2015 c/o-Künstlerin in Mönchengladbach, stellt in der Vitusstadt aus - dort mit Verweis auf "Flur 67 - Flurstück 138". Den Hochsitz auf einem Feld in Lüttelforst können sich Kunstfreunde nach Absprache mit Hinz gemeinsam ansehen.

(RP)
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