Haushalt 2018 CDU: "Haushaltsausgleich ist ein Geschenk"

Viersen · Stephan Sillekens, CDU-Fraktionsvorsitzender: "Der heutige Abend ist etwas Besonderes. Wir diskutieren einen Haushaltsentwurf, der erstmals seit, fast hätte ich gesagt Menschengedenken ausgeglichen ist, der keine neuen Schulden mehr vorsieht."

 Stephan Sillekens, CDU-Fraktionsvorsitzender.

Stephan Sillekens, CDU-Fraktionsvorsitzender.

Foto: CDU

"Und wir tun dies vier Jahre früher, als nach den bisherigen Voraussagen geplant. Das ist eine erheblich Abweichung von jenem Ergebnis, dass der Haushaltsplan vorsah, den die Verwaltungsspitze uns im September zur Beratung vorlegte. Eine Ergebnisverbesserung gegenüber dem Haushaltsentwurf von mehr als 6 Millionen Euro. Betrachtet man nur diese wenigen Fakten, dann könnte man versucht sein davon zu sprechen, dies sei ein historisches Datum. So viel Pathos wäre jedoch übertrieben.

Erstens steht die Ausgeglichenheit des Haushaltentwurfes in einer ganzen Reihe von ähnlichen Ereignissen, angefangen beim Bund, wo die schwarze Null schon seit einigen Jahren zum politischen Normalfall geworden ist, über den Landtag in Düsseldorf, wo vor wenigen Wochen erstmals auch ein ausgeglichenen Haushalt verabschiedet worden ist, bis hin zum Kreis und den umliegenden Gemeinden, wo landauf, landab ähnliche Ergebnisse zu beobachten sind. Dies zeigt aber, wie hoch die Zeit war, dies auch in Viersen anzustreben, und dass der Haushaltsentwurf aus dem September aus der Zeit gefallen war.

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum dieser Haushaltsentwurf nicht akzeptabel war. Die Zeit der Haushaltsicherung ist zu Recht ein Notmittel, sie darf nicht zur Normalität der Kommunalpolitik werden. Und deshalb lohnt ein Blick auf die Bedingungen, warum wir zu dieser deutlichen Abweichung vom Entwurf gekommen sind, und welche Schlüsse wir daraus zu ziehen haben.

Der Erfolg der Haushaltsverbesserung ist nicht hausgemacht. Es ist ein Geschenk. Zusätzliche Mittel aus Düsseldorf, Umlageabsenkungen aus Köln und dem Kreishaus und zusätzliche Mittel aus diversen Sonderprogrammen sind es im Kern, die uns diesen Weg möglich gemacht haben. All diese Faktoren treffen aber auch die umliegenden Städte und Gemeinden. Und wer mit offenen Blick über die Grenzen unserer Stadt hinaus schaut, der wird feststellen, dass die Dynamik, mit der sich unsere umliegenden Kommunen bewegen, deutlich vergrößert hat. Exemplarisch will ich hier nur an Entwicklungen der Stadt Mönchengladbach erinnern, unseren unmittelbaren Nachbarn. Lange konnten wir uns darauf verlassen, dass die Stadt Mönchengladbach in ihren Haushaltsproblemen gefangen war und wir hatten das Gefühl, hier in Viersen den Gladbachern eine Nase voraus zu sein. Wer jetzt den Blick in die Nachbarstadt wirft, der wird zwar weiterhin feststellen, dass der Fußballverein, es tut mir leid Frau Maaßen, dies hier sagen zu müssen, hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt, aber nicht nur das Feeling in der Stadt hat sich dramatisch geändert, sondern auch die geschaffenen Fakten, die den Grund dafür liefern. Die Ansiedlung neuer Betriebe, von Zalando über Esprit bis hin zum Neubau der Santander Bank mögen den ein oder anderen in unserer Stadt vielleicht nur zu spöttischen Kommentaren veranlassen. Fakt ist vor wenigen Tagen ist der Stadt mit der Ansiedlung von Amazon erneut ein großer Erfolg gelungen. Dagegen muss unserer Kämmerer in seiner Haushaltsrede von zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen berichten und den Verlust großer Steuerzahler konstatieren, die unserer Stadt den Rücken kehren. Ich wiederhole es deshalb hier gern, wir beglückwünschen sie, Frau Anemüller, zu der Entscheidung die Wirtschaftsförderung in ihr Dezernat zu nehmen.

Wirtschaft ist zu 50 % Psychologie. In diesem Umfeld muss unsere Stadt alles aufbieten, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Gerade in der Wirtschaftspolitik, in der Frage der Gewinnung und Sicherung von Arbeitsplätzen tobt der Wettbewerb in bisher nicht gekannter Härte. Und das in einem volkswirtschaftlichen Umfeld , dass derzeit günstiger nicht sein könnte. Daher ist es umso fataler für unsere Stadt, wenn der Kämmerer das feststellen musste, was in seiner Haushaltsrede steht. Eines bleibt aber trotz dieser richtigen Entscheidung auch wahr. Bereits in meiner letzten Haushaltsrede habe ich angesichts des damals gerade feststehenden Aus der Firma Kaisers festgestellt: "Bis heute werden Teile unserer Stadt durch "kaiserliche" Bauten geprägt, denken wir nur an die Festhalle. Aus und vorbei. Was macht das mit uns? Wo und wie wollen wir die Stadt weiter entwickeln? Auf welche Arbeitgeber setzen wir für die Zukunft, wie richten wir unsere Wirtschaftsförderung aus?" Diese Frage ist auch 14 Monate später nicht nur nicht beantwortet, sie scheint noch nicht einmal angekommen zu sein bei jenen, die bisher in unserer Stadt hauptamtlich Wirtschaftförderung machten. Es wird höchste Zeit für einen Kulturwandel in der Wirtschaftsförderung, eine Herkulesaufgabe, die sie sich da vorgenommen haben, Frau Anemüller! Denn es geht hier nicht um einen prestigeträchtigen Titel. Hier geht es um die Lebensgrundlagen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wenn in Viersen junge Menschen schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben als in anderen Regionen unseres Landes, wenn es bei uns für die Gelernten weniger Jobchancen gibt, dann ist Höchstleistung gefragt, und das ist etwas anderes als das, was wir hier bisher gesehen haben.

Alleine um in diesem Feld freier handeln zu können, ist es richtig, früh aus der Haushaltssicherung auszusteigen.

Auch in der Stadtentwicklung lohnt ein Blick über die Grenze. In Mönchengladbach steht ein deutlicher Entwicklungsschub bevor. Wer mal die Frage nach dem Projekt City Ost stellt, der ahnt wovon ich rede. Ich zitiere hier mal die RP, die am 11. Januar diesen Jahres davon sprach, dass an dieser Stelle eine Entwicklungsgesellschaft eine halbe Milliarde Euro investieren will und 1500 Wohnungen schaffen will. Hier tobt der Wettbewerb um die Steuerzahler der Zukunft, nicht nur im Bereich Grunderwerbsteuer, sondern insbesondere im Bereich Grundsteuer. Keine Angst, ich will ein solches Projekt gar nicht in Viersen, aber ich will, dass wir aus unserem Dornröschenschlaf wach werden. Fragen Sie einmal wie viele Grundstücke in Viersen Interessenten auf der letzten Immobilienbörse angeboten werden konnten und in diesem Jahr angeboten werden können. Fragen Sie einmal, wo diese Menschen in Zukunft einkaufen gehen werden, wie viele von denen dies in unserer Stadt tun werden, wenn wir unsere Diskussionen in unserer Stadt weiter in dem Tempo fortführen, wie wir dies machen. Mich wundert es nicht, wenn dann nicht nur der Kämmerer, sondern auch die Stellungnahme der IHK zu unserem Haushalt von einem strukturellen Minus von 5 Millionen sprechen muss.

Und genau deshalb war es richtig, den Haushaltsentwurf abzulehnen, weil das Ergebnis, dass wir auf diesem Wege erreicht haben, uns Recht gibt. Jetzt haben wir die Freiheit vor Augen, uns diesen Fragen zu stellen und wir haben nicht mehr die bequeme Ausrede, dass unser Haushalssicherungskonzept uns daran hindert.

Ich will das weiter vertiefen, und ich bleibe in MG. Ich frage, welche Rolle will unsere Stadt in Zukunft in diesem Wettbewerb spielen. Etwa im Bereich der Kulturpolitik. Der Mensch wohnt nicht nur, er kauft nicht nur ein, er hat auch kulturelle Bedürfnisse. Längst ist deshalb in den Sonntagsreden erkannt, dass Investitionen in die Kultur Investitionen in weiche Standortfaktoren sind. Auch in diesen Tagen war zu lesen, dass unsere Nachbarstadt zum ersten Mal seit langer Zeit seine Ausgaben für Kultur erhöhen kann und wird. Auch in diesem Feld verschärft sich der Wettbewerb. Viersen hat hier bisher einen exzellenten Ruf, Kulturstadt am Niederrhein, usw. Ja, wir sind mit Recht stolz auf unser Jazzfestival, auch wenn wir in unseren Ratsdiskussionen diesen Stolz manchmal gut zu verstecken wissen. Aber auch wenn ich persönlich nicht alles mag, was in unserer Festhalle und den anderen öffentlichen Kulturorten und unter Verantwortung der Stadt zur Aufführung kommt, dies ist ein Markenzeichen unserer Stadt, des städtischen Lebens in Viersen, und dies muss so bleiben. Wir dürfen dies weder mit überzogenen Preisforderungen bei Eintrittskarten zerstören, noch dürfen wir unseren persönlichen Geschmack zum Maßstab machen. Kultur ist und muss Avantgarde sein. Und ich finde es nicht nur richtig, sondern auch jeden Cent wert, dass in unserer Stadt auch Künstlerinnen und Künstler auftreten, die auf den ersten Bühnen dieser Welt zu Hause sind und es ist schlicht nicht angemessen, derartige Ereignisse mit kleinbürgerlichen Bemerkungen in Misskredit bringen zu wollen, vielleicht nur deshalb, weil mir selbst, oder besser meiner Fraktion, die Idee dazu nicht gekommen ist.

Der heute zu Verabschiedung anstehende Haushalt hat erneut einige wichtige Weichenstellungen in sich. Wie bereits der vergangene Haushalt setzt er zahlreiche Akzente in Investitionen im Bildungsbereich. Leider wissen wir nicht erst seit der Diskussion der vergangenen Herbstes, dass der lange vorherrschende Konsens bezüglich der Gestaltung der Viersener Schullandschaft nicht mehr von allen hier im Rat geteilt wird. Die jetzt anstehenden Investitionen sind weitgehend möglich wegen der Fördermittel bzw. Programme von Bund und Land. Sie werden in der Lage sein, den Rückstau der Investitionen, der sich in den vergangenen Jahren in unseren Schulen z.B. gebildet hat, ein wenig aufzulösen, allerdings nicht komplett. Wir wissen, es bedarf dazu notwendiger weiterer Mittel. Frau BM, Sie haben in Ihrer Neujahrsrede die Schultoiletten angesprochen. Ich zitiere aus Ihrer Rede: "Das heißt aber nicht, dass wir dauerhaft Toiletten hinnehmen sollten, die schon unmittelbar nach dem Putzen so aussehen, als hätten sie eine Grundreinigung dringend nötig. Eine Schule soll und darf kein Museum für Sanitäranlagen vergangener Zeiten sein." Sie haben damit genau das wiedergegeben, was wir bereits im Herbst des vergangenen Jahres hier und an anderer Stelle gesagt haben. Der heute hier zur Diskussion stehende Haushalt sieht aber dafür keine Lösung vor, ich halte fest, wir sind uns in der Analyse einig, wir warten auf ihren Lösungsvorschlag.

Genauso wichtig aber ist eine klare Aussage zur Schullandschaft selbst. Auch hier bin ich gerne bereit alles das, was sie in Ihrer Neujahrsrede gesagt haben zu unterschreiben. Wir sollten aber den Menschen, deren Kinder heute schon in unserer Stadt aufwachsen und deren Kinder das in Zukunft noch tun sollen, Klarheit über die Struktur unserer Schullandschaft geben und da ist es in unseren Augen wenig hilfreich, wenn Politik die Entscheidungskompetenz der Eltern beschneiden will oder bestimmten Schulformate gar die Leistungsfähigkeit und Lebensberechtigung abspricht. Oder um es in Klartext zu sagen: Die Hauptschule in Süchteln und die Realschule an der Josefskirche gehören auch zu Viersen, wenn wir schon davon sprechen miteinander in Viersen zu leben.

An dieser Stelle sei mir der Hinweis erlaubt, die Liste der Fragen, die wir in Zukunft zu bearbeiten haben, ist lang, die Zeitvorgabe für diesen Wortbeitrag erlaubt es mir nicht, alle Gedanken zu äußern, die mir durch den Kopf gehen. Das geht beim Thema Kinderarmut los und hört bei der Frage der zunehmenden Vereinsamung in unserer Gesellschaft noch lange nicht auf.

Einen grundsätzlichen Gedanken zum Haushalt möchte ich in diesem Jahr aber noch ansprechen. Unsere Haushaltsüberlegungen sind sehr oft geprägt von Detailüberlegungen. Oft genug fehlt eine Einordnung dieser Gedanken zum Haushalt für die grundlegenden Funktionen unserer Stadt. Uns hat z.B. fast schon fassungslos gemacht, dass uns zu Beginn der Diskussionen um diesen Haushaltsentwurf vorgeschlagen wurde, die Beiträge zu den Kindertagesstätten zu erhöhen. Dieser Gedanke war nicht nur nicht abgestimmt mit dem zuständigen Fachbereich in der Verwaltung, er stand in unseren Augen auch diametral zu Gedanken, die sowohl die erste Bürgerin unserer Stadt in zahlreichen Reden, so z. B in ihrer Neujahrsrede 2017, geäußert hatte, als auch zu den klaren Beschlüssen des Rates zu dieser Frage. Sicherlich soll kein Gedanke nur deshalb nicht erwähnt werden, weil er in den Mainstream der Gedanken nicht passt. Aber wie sehr sind eigentlich die Gedanken derjenigen, die hier in den Entscheidungsgremien der Stadt klar formuliert werden, im Handeln und in den Gedanken derer, die sie umsetzen sollen, anerkannt? Für uns zeigt dies einmal mehr, wie wenig wir grundsätzlich die Ausrichtung unserer Stadt hier ernsthaft miteinander diskutieren und wie sehr dies notwendig ist. Seit Jahren fordern wir dies seitens der Verwaltung ein. Wie wenig dies dort verstanden ist zeigt das Beispiel des Sportentwicklungsplanes dieser Stadt. Wie jemand in der Verwaltung ernsthaft auf die Idee kommen kann, dieses Thema im Zuge eines Vorschlages zur Einsparung des Fachdezernates bei der Baudezernentin zu verankern zeigt, dass da jemand offensichtlich überhaupt nicht verstanden hat, worum es geht. Manchmal machen derartige Vorlagen dann den Eindruck, den der Vater eines Schulfreundes von mir mit dem knappen Satz umschrieb, "Operative Hektik ersetzt geistige Windstille".

Wenn wir jetzt in eine Phase gehen, wo unser Denken in dieser Stadt nicht jedes Mal ausgebremst wird von der Haushaltsicherung, so heißt dies nicht, dass das Geld mehr geworden ist. Unser Geldbeutel ist immer noch nicht ausreichend gefüllt, kein Grund Geld mit beiden Händen zu verausgaben, wie wir das gerade in Berlin erleben. Umso wichtiger ist es, dass wir gemeinsam überlegen, was sind die Funktionen in der Stadt, die diese Stadt ausfüllen soll, und mit wie viel Geld sollen wir das umsetzen. Wer ein starkes Gemeinwesen will, der muss ihm auch das Geld und die Strukturen dafür geben, seine Aufgaben zu erfüllen. Oder man sagt offen, dass man an einem starken Gemeinwesen kein Interesse hat.

Und noch eines: der Streit, der Diskurs um die Zukunft der Stadt, unser Gemeinwesen, er ist notwendig, wenn das was werden soll mit der Zukunft. Und er ist kein Schlechtreden, wie das oft so gerne unterstellt wird. Im Wettstreit der Gedanken liegt die Erfolgschance der Demokratie, nicht im Denkverbot. Zum Wettstreit in der Demokratie gehört aber essentiell ein zweiter Gedanke:" Der Kompromiss ist eine Kardinaltugend der Demokratie", der Gedanke stammt nicht von mir, sondern von Wolfgang Schäuble. Gerade in diesen Tagen scheint dieser Gedanke aber einer Erinnerung in den Köpfen mancher zu brauchen, ich tue das gerne, denn auch wir in Viersen brauchen diesen Gedanken, nicht nur zum Besten unseres Haushaltes.

Wir werden diesen Haushalt mittragen, weil wir ihn als einen Zwischenschritt sehen, ein Zwischenschritt, der wichtig ist für unsere Stadt und in der Hoffnung, dass wir in Zukunft wieder in diesem Sinnen gemeinsam Diskutieren und entscheiden, was wir für unsere Stadt wollen.

Es ist richtig und gut all jenen zu danken, die mit Kraft und gutem Willen an der Erstellung dieses Haushaltes gewirkt haben. Ich tue dies auch in diesem Jahr gerne."

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