Brüggen Brachter Häuser erzählen Geschichten

Brüggen · In den vergangenen zwei Jahren recherchierten Anna Freier und Pia Terstappen aus Bracht örtliche Hausgeschichten. Die ersten sieben Tafeln, angebracht an den Häusern, verraten nun, welche Familien dort lebten und was sie machten

 Die Marktstraße in Bracht mit Blick auf die evangelische Kirche, die 1669 errichtet wurde. Links die Häuser Marktstraße 17, in dem Familie Fellisch im 19. Jahrhundert ein Kolonialwarengeschäft betrieb, sowie die Häuser Marktstraße 13 und 11, unter denen noch ein historischer Gewölbekeller ist.

Die Marktstraße in Bracht mit Blick auf die evangelische Kirche, die 1669 errichtet wurde. Links die Häuser Marktstraße 17, in dem Familie Fellisch im 19. Jahrhundert ein Kolonialwarengeschäft betrieb, sowie die Häuser Marktstraße 13 und 11, unter denen noch ein historischer Gewölbekeller ist.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Rund 100 Gäste begrüßte Bürgermeister Frank Gellen im Bürgersaal Bracht, unter ihnen die Bewohner der sieben Häuser, deren "Hausgeschichten" die Historikerin Anna Freier gemeinsam mit der Kulturwissenschaftlerin Pia Terstappen in zwei Jahren recherchiert hatte und nun den Brachtern präsentieren wollte. Dass die beiden Frauen genau richtig lagen mit ihrer Arbeit, zeigte die Resonanz auf ein Foto: "Wer erkennt die Haustüren?" Nur das Tor der Brachter Mühle erkannten alle, die anderen Haustüren nicht. Sieben Hausgeschichten sind jetzt fertig, von Klaus Fent wurden sie aus Makrolon (Plexiglas) in Form gegossen.

 In dem Haus an der Marktstraße 27 wuchsen 19 Geschwister auf, darunter die Mutter der heutigen Besitzerin.

In dem Haus an der Marktstraße 27 wuchsen 19 Geschwister auf, darunter die Mutter der heutigen Besitzerin.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Anna Freier dankte allen, die an der Entstehung der "Hausgeschichten" mitgewirkt hatte - den Nachbarschaften Marktstraße und Königstraße, den Brachter Heimatfreunden, Walter Feyen, Wilfried Füsers, Klaus Fent und nicht zuletzt der Gemeinde Brüggen, die die Anfertigung der Tafeln finanzierte. Wenn die Tafeln in den nächsten Tagen angebracht sind, kann jeder beim Schlendern durch die Marktstraße und die Königstraße etwas über die Familien erfahren, die dort gelebt haben. Brachter Mühle Pia Terstappen stellte die Mühle vor, denn sie stammt aus der Familie Ouede-Hengel. Johann Oude Hengel kam 1899 nach Bracht, konnte aber erst 1903 die Mühle aus einer Versteigerung erwerben. Sein Sohn Josef baute die Baustoffabteilung aus und stellte 1970 die Mühle, die seit 1925 elektrisch betrieben wurde, ab. Für die Baustoffhandlung wurde sie zu klein, sie zog nach Brüggen. Die Familie bewohnte das Mühlenhaus, bis die Gemeinde 2002 das gesamte Areal mit der Mühle erwarb. Marktstraße 11 und 13 Eine tolle Geschichte haben die Häuser Marktstraße 11 und 13 erlebt: Noch immer besteht dort ein historischer Gewölbekeller, ein Träger zeigt die Jahreszahl 1750. Die Brüder Johann Peuten und Peter Peuten lebten dort. Johann Peuten betrieb eine Schankwirtschaft, 1930 lehnte er sich gemeinsam mit weiteren 13 Wirten aus Bracht gegen die neue Biersteuer auf. Anna Maria, die Schwiegermutter der heutigen Besitzerin Sonja Lankes, rief 1948 ein Transportunternehmen ins Leben, das bis 1953 die Müllabfuhr betrieb. Nach ihrer Scheidung eröffnete Sonja Lankes 1957 wieder eine Schankwirtschaft, das "Marktstübchen". Und daneben betrieb sie von 1988 bis 2003 den ersten und einzigen Bioladen in Bracht. Marktstraße 12 Hier eröffnete Friedrich Beeker nach seiner Meisterprüfung 1960 als Sattler, Polsterer und Dekorateur das Haus der "Fensterkleider" - Polster-, Dekoration - Lederwaren, hier vor allem die Schulranzen der Brachter Kinder. Sohn Heiner, seit 1979 mit im Geschäft, übernahm es 2000 und hat noch heute die Gardinen als Kerngeschäft. Marktstraße 17 1886 erwarb Leonard Fellisch Haus und Hof nebst Scheune an der Marktstraße und eröffnete mit seiner Frau Anna ein Kolonialwarengeschäft. Vier Kinder hatten sie, nach dem Tod von zweien und dem Tod der Eltern wuchs Hermann in Brüggen auf. Er wollte gerne Bäcker werden, musste aber Metzger werden und eröffnete 1918 nach dem Krieg eine Metzgerei in seinem Elternhaus. Seine Frau Hubertine betrieb seit den 1930er Jahren eine Heißmangel, erwarb den Führerschein und schaffte sich einen Opel P4 an, um ihre Kunden zu beliefern. Die Metzgerei schloss 1946. Marktstraße 27 1908 wuchs Helene Wefers, Mutter der derzeitigen Besitzerin, mit 18 Geschwistern auf. Die Wefers waren - was schon der Name verrät - Weber und betrieben die Hausweberei bis zu deren Niedergang Ende des 19. Jahrhunderts. Der heutige Besitzer Hans-Werner Rieker bedauert, dass er keine Erinnerungsstücke an diese Zeit besitzt. Königstraße 48 Drei Familien - Kessels, Zoers und Schreurs - wohnten in dem Haus, das 1770 als Wohnhaus mit Stallungen erbaut worden war. Um 1900 betrieben sie dort einen Gemischtwarenhandel, wurden dann aber denunziert, weil sie Schmugglerware verkauften. Als Heinrich Zoers 1948 schwer krank aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam und bald starb, eröffnete seine Witwe Katharina ein Schuhgeschäft im Haus. 1960 sanierte sie es komplett. Die Witwe war angesehen: "Man kaufte Schuhe bei Zoers Trinchen." Königstraße 23 bis 27 Diesen Hof erwarb Johann Keysers. Der Hof war der größte innerhalb der Wälle. Keyers gehörte zu den steuerpflichtigen Grundbesitzern und saß im Gemeinderat. 1830 gab es ein großes Unglück: Der Turm der benachbarten Pfarrkirche stürzte neben den Hof, verletzt wurde jedoch niemand. Keysers starb 1847, sein Hof wurde geteilt. Wilhelm Missing richtete dort eine Kolonialwaren- und Drogenhandlung (für Produkte aus Übersee sowie Arzneimittel) ein, Horst Appel 1967 eine Bäckerei. 1989 erwarb Klaus Fent Haus Nr. 23 und richtete in der ehemaligen Bäckerei eine Büroorganisation ein. 1999 erwarb er die Häuser Nr. 25 bis 27, unter denen sich noch die historischen Gewölbekeller befinden, die als Vorratsräume für Feldfrüchte genutzt wurden.

(flo)
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