Viersen Bibelmarathon in der Christuskirche

Viersen · Fünf Tage lang lasen Kinder und Erwachsene abwechselnd ununterbrochen aus der Heiligen Schrift vor.Die evangelische Kirchengemeinde Dülken wollte im Reformationsjahr "etwas Verrücktes" machen

 Hannah Thumulla, Finja Guhl und Isabelle Hols (von links) lauschten Vorleser Hubert Gremm. Der 69-Jährige saß auf einem antiken Polstersessel.

Hannah Thumulla, Finja Guhl und Isabelle Hols (von links) lauschten Vorleser Hubert Gremm. Der 69-Jährige saß auf einem antiken Polstersessel.

Foto: paka

"Herzlich willkommen, die Kirche ist geöffnet!" - so steht es auf dem Schild, das vor dem Eingang der Christuskirche in Dülken angebracht ist. Darunter in großen Lettern: "Bibelmarathon". Eine ganz normale Einladung? Zu dieser späten Stunde, 23.15 Uhr, ist es doch eher eine ungewöhnliche Aufforderung, in ein Gotteshaus einzutreten. Aber eine, die neugierig macht.

Wer der Einladung folgte und einen Blick in die gedimmt beleuchtete Kirche warf, der tauchte ein in eine Atmosphäre, die wohltat. Man wurde zum Besucher des Bibelmarathons der evangelischen Kirchengemeinde Dülken und genoss die Entschleunigung. Stühle luden zum Platz nehmen ein. Hier konnte man sich niederlassen und so lange verweilen, wie man mochte, um der Stimme des Vorlesers zu lauschen. Denn es wurde ununterbrochen aus der Bibel vorgetragen - tagsüber und nachts. An einem großen Tisch mit Keksen, Kuchen, Kaffee und Kaltgetränken konnten sich die Teilnehmer zwischendurch stärken. Der jeweilige Vorleser war ganz besonders in Szene gesetzt: Er thronte auf einem antiken, roten Polstersessel vor dem Altarbereich.

Das Ziel der Aktion: In den fünf Tagen die Bibel in einem Rutsch lesen - von der Schöpfungsgeschichte bis zur Apokalypse. Gelingen konnte dies nur durch viele Teilnehmer, die sich bereiterklärten, im Schichtdienst vorzulesen. Sie waren kontinuierlich und im Wechsel aktiv. Erwachsene lasen 20 Minuten, Jugendliche zehn Minuten. Kinder durften für fünf Minuten in die Rolle des Bibelvorlesers schlüpfen und im roten Polstersessel versinken. Es kamen viele, um vorzulesen - auch junge Menschen. Die letzten Viertklässler der Kreuzherrenschule zum Beispiel und auch Schüler der Gymnasien Albertus-Magnus und Clara-Schumann sowie die Konfirmanden der Gemeinde.

Die Leselampe als das hellste Licht in der Christuskirche strahlte für den jeweiligen Vorleser die Bibel an. Und auch Martin Luther strahlte: Als Motiv auf einer sich drehenden Lampe, hatte es den Anschein, als verfolge der Reformator den Bibelmarathon der evangelischen Kirchengemeinde aufmerksam.

Im Reformationsjahr wollte die Gemeinde etwas ganz Besonderes veranstalten. "Etwas Verrücktes", so steht es auf dem Flyer, der eigens für die Aktion gedruckt und überall verteilt worden war. Initiator war Pfarrer Mischa Czarnecki. "Er hatte vom Bibelmarathon aus einer anderen Gemeinde gehört und fand die Idee klasse", erzählte Kerstin Krämer, die Mitglied im Presbyterium ist und sich auch als Vorleserin beteiligte. Tagsüber seien mehr Besucher anwesend, und nachts sei es eher ruhiger, fügte sie hinzu. "Seit Monaten gingen die Listen herum, und alle, die davon hörten, waren begeistert und haben sich als Vorleser angemeldet, egal welcher Konfession angehörig", sagte Krämer. Besonders schön sei der Beginn der Aktion gewesen, die mit einem Gottesdienst startete und auch mit einem Gottesdienst für alle am Montag endete.

Der Bibelmarathon lockte viele junge Menschen in die Christuskirche. So auch Finja Guhl (13), die mit ihren Freundinnen Hannah Thumulla (12) und Isabelle Hols (13) zu später Stunde zum Vorlesen kam. "Finja hat uns gefragt, ob wir Lust hätten mitzulesen", berichtete Hannah. Und Isabelle fügte hinzu: "Wir fanden die Idee super und haben sofort zugesagt." Es spiele keine Rolle, dass die beiden katholisch seien. "Es geht um die Gemeinschaft und darum, dass wir zusammen ein Ziel erreichen", sagte Hannah. Der 21-jährige Student der Musikwissenschaften Jerôme Herdieckerhoff hatte sich auch zum Vorlesen angemeldet. "Das ist mal etwas anderes, und es ist super, dass so viele verschiedene Menschen mitgemacht haben", findet er. Kerstin Krämer ergänzte: "Wir sind eine Gemeinde, die für alle Menschen offen ist. Die Aktion spiegelt unseren Leitgedanken, das Zusammengehörigkeitsgefühl, wider."

(paka)
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