Kreis Viersen Auf dem Weg zu den Heiligen

Kreis Viersen · Seit Jahrhunderten pilgern Gläubige zu heiligen Stätten. Manche gehen nach Süchteln, andere spüren Jesu Leben in Neersen nach.

 Ein Fresko im Kölner Dom zeigt, wie Irmgard die Burg Aspel verschenkt.

Ein Fresko im Kölner Dom zeigt, wie Irmgard die Burg Aspel verschenkt.

Foto: scholten

Der Weg zur Irmgardiskapelle führt durch den Wald. Dort, auf dem Heiligenberg bei Süchteln, soll Irmgardis gelebt haben, eine Frau, die sich in die Einsamkeit des Waldes zurückgezogen hatte, um Gott zu dienen. Um Irmgardis ranken sich viele Legenden, und historisch verlässliche Daten gibt es nur wenige.

 Die Kapelle Klein-Jerusalem wurde von dem Geistlichen Gerhard Vynhoven gestiftet. Das Gemälde hängt heute im Neersener Schloss. Die Zahlen an den Ortschaften geben an, wie weit der Weg bis Klein-Jerusalem war.

Die Kapelle Klein-Jerusalem wurde von dem Geistlichen Gerhard Vynhoven gestiftet. Das Gemälde hängt heute im Neersener Schloss. Die Zahlen an den Ortschaften geben an, wie weit der Weg bis Klein-Jerusalem war.

Foto: Wolfgang Kaiser

So könnte es gewesen sein: Irmgard wird um das Jahr 1025 als Grafentochter auf Schloss Aspel bei Rees geboren. Irgendwann gibt Irmgard alle weltlichen Güter auf und zieht sich in den Süchtelner Forst zurück, der ihrem Vater gehört. Als der Vater stirbt, schenkt sie die Burg Aspel und die Stadt Rees der Kirche in Köln. Sie leitet in Köln ein Hospital, stirbt am 4. September 1085, und findet in einem Sarkophag im Kölner Dom die letzte Ruhe.

 Die eigentliche Grabkammer in der Kapelle Klein-Jerusalem betrifft man gebückt durch eine niedrige Öffnung. Der Vorraum ist die Engelskapelle.

Die eigentliche Grabkammer in der Kapelle Klein-Jerusalem betrifft man gebückt durch eine niedrige Öffnung. Der Vorraum ist die Engelskapelle.

Foto: Kaiser

Er steht in der Agneskapelle des Doms, die jedes Jahr am 4. September, dem Todestag Irmgardis', geöffnet wird. Wie der Sarkophag aussieht, zeigen Fotografien, die derzeit im Viersener Salon in der Villa Marx ausgestellt sind. Auf den Fotos ist auch die Irmgardislade zu sehen, die sich im Sarkophag befindet und in der die sterblichen Überreste der Einsiedlerin aus dem Süchtelner Forst liegen. Mittelalterliche Engeldarstellungen zieren diese Lade. In Vitrinen sind kostbare Reliquiare ausgestellt, die die Pfarrgemeinde St. Clemens Süchteln dem Verein für Heimatpflege für die Ausstellung in der Villa Marx zur Verfügung stellte. In den Reliquiaren werden Rippenfragmente aufbewahrt.

 Ein Chorfenster in der Aspeler Klosterkirche zeigt Irmgard mit Heiligenschein und gesenkter Krone.

Ein Chorfenster in der Aspeler Klosterkirche zeigt Irmgard mit Heiligenschein und gesenkter Krone.

Foto: scholten

Die Ausstellung "Wallfahrten und Exerzitien" in der Villa Marx gibt anhand vieler sehenswerter Exponate einen Einblick in die Heiligenverehrung am Niederrhein - so, wie sie sich früher darstellte, aber auch so, wie sie heute noch ist. Denn zur Kapelle auf dem Heiligenberg in Süchteln gingen nicht nur die Gläubigen früherer Jahrhunderte. Sie gehen auch heute noch dorthin, halten inne, beten, bitten Irmgardis um Fürsprache bei Gott. Während der Irmgardis-Oktav, die jedes Jahr Anfang September eine Woche lang stattfindet, stehen Irmgardis und der Süchtelner Heiligenberg im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

 Die Kapelle Klein-Jerusalem in Neersen.

Die Kapelle Klein-Jerusalem in Neersen.

Foto: Wolfgang Kaiser

Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung in der Villa Marx bildet die Kapelle Klein-Jerusalem in Neersen. Sie geht auf eine Stiftung Gerhard Vynhovens zurück. Er lebte von 1594 bis 1674 und war Kaplan in Anrath. 1628 unternahm er eine abenteuerliche Reise ins Heilige Land, und was er dort sah und erfuhr, brachte er im Geiste mit sich zurück an den Niederrhein: Er erbaute 1660 eine Kapelle, in der die heiligen Stätten nachgebildet wurden - die Geburtsgrotte in Bethlehem ebenso wie das heilige Grab. Vynhoven wollte so den vom Dreißigjährigen Krieg erschütterten Menschen am Niederrhein "die ersten und die letzten Tage des Herren anschaulich vor die Seele stellen". Und noch heute machen sich Wallfahrtsgruppen auf den Weg nach Neersen und vollziehen in der Kapelle Leben und Wirken Jesu nach.

Ergänzt wird die Ausstellung um ein drittes Zentrum des Glaubens - das Exerzitienhaus, das sich einst in der Villa Marx befand. 1921 wurde die Villa im Auftrag des Lederfabrikanten Karl Marx errichtet, 1950 wurde das Gebäude an das Bistum Aachen verkauft, das dort ein Exerzitienhaus einrichtete. Von 1958 bis 1999 trafen sich dort Gruppen, um in der Einsamkeit der Einsamkeit der Exerzitien neue Kraft zu schöpfen, dem eigenen Glauben nachzuspüren oder sich mit drängenden Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Mit dem Blick auf die Entwicklung des Exerzitienhauses gibt die Ausstellung so einen umfassenden Einblick in gelebten Glauben - vom Mittelalter bis heute.

(RP)
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