Veranstaltungs-Tipp Amor dirigiert in der Unterwelt

Viersen · In Schwarz-Weiß-Bildern und mit zahlreichen Andeutungen hat Jakob Peters-Messer in Krefeld Glucks Oper "Orpheus und Eurydike" inszeniert. Die Premiere überzeugt

 Ein Meister mit spektakulärer Maske: Amor (Panagiota Sofroniadou) mit dem Bogen, mit dem er in das Schicksal eingreifen kann.

Ein Meister mit spektakulärer Maske: Amor (Panagiota Sofroniadou) mit dem Bogen, mit dem er in das Schicksal eingreifen kann.

Foto: Matthias Stutte

Auf der Herzseite ist Amor ganz Liebesgott mit blutroten Lippen und warmem Lächeln. Die rechte Gesichtshälfte zeigt die Fratze des Todes. Mit dem Geigenbogen in der Hand spielt er Schicksal, dirigiert die Geschicke der Menschen und verfolgt kühl ihr Ringen um das Leben. Mephistophelisch zieht er in seinen feuerroten Lederhandschuhen die Strippen.

Christoph Willibald Gluck und sein Librettist Ranieri de' Calzabigi haben für die 1762 entstandene Oper "Orpheus und Eurydike" die Figur des Amor hinzugedichtet als Reminiszenz an den Zeitgeist des 18. Jahrhunderts. Das Opernpublikum erwartete ein gutes Ende - sogar bei einem tragischen mythologischen Stoff. Für seine niederrheinische Inszenierung hat Jakob Peters-Messer den Liebesgott zu einem Weltenlenker gemacht.

Panagiota Sofroniadous kühle, klare Stimme ist passgerecht für diesen Charakter. Mehr aus wissenschaftlicher Neugier als aus Mitleid gewährt Amor dem verzweifelten Orpheus die Chance, die Wächter der Unterwelt zu betören, damit er die tote Eurydike ins Leben zurückholen kann. Und stellt die für einen Menschen unerfüllbare Bedingung: Auf dem Rückweg ins Leben darf Orpheus Eurydike nicht ansehen. Im Kampf der Menschen gegen den göttlichen Willen sind die Kräfte ungleich verteilt.

Bühne und Kostüme hat Markus Meyer in Schwarz und Weiß gehalten. Ein großzügiger Raum, der von einer Fensterfront mit zerbrochenen Scheiben und einer Decke mit schwarzem Barock-Stuck dominiert wird, zeigen zerbrochenes Glück, Angst und Bedrängnis. Nicht alle Metaphern, die Peters-Messer großzügig ausgießt, gehen auf. Vieles bleibt Spekulation, rätselhaft wie der Ariadnefaden, an dem sich Orpheus und Eurydike entlanghangeln. Der Regisseur hält sogar das Ende offen. Nach der geglückten Rückkehr Eurydikes lässt er das Paar vor geschlossenem Vorhang auf Distanz gehen. Ob Liebe und Kunst die Welt verändern können, ist dahingestellt.

Die musikalische Leistung macht den Abend schon zum Erlebnis. Werner Ehrhardt, ausgewiesener Meister für Alte Musik, feuert die Niederrheinischen Sinfoniker im Graben an, entlockt ihnen außergewöhnliche Farben und lässt sie jede Nuance bis ins kleinste Detail auskosten. Barocktrompeten und Flügelhörner krönen den schlanken, fast kammermusikalisch reduzierten, vibratofreien Klang. Für Eva Maria Günschmann ist es ein glanzvoller Abend. Die knochenschwere Partie des Orpheus hat sie im Griff. Sie startet in der Trauer am Grab der Eurydike mit gebremster Kraft und singt sich im Laufe des Abends frei. Sophie Witte ist eine ätherische, immer leicht distanzierte Eurydike, deren aparter Gesang wie aus einer fernen Welt tönt. Großartig ist der Chor. Die Szenen am Grab und im Hades sind packend. Weniger als hundert Minuten dauert die Fahrt von der Erde in die Unterwelt, ins Elysium und wieder zurück. Gluck hat sein Werk mit Tanzszenen gefüttert, Ballettchef Robert North lässt sie als bedrohliche schwarze Wand auftreten. Das Premierenpublikum spendet kräftigen Beifall.

Petra Dederichs

Info: Vorstellungen am 2. März, 14. (Beginn: 18 Uhr mit Kinderbetreuung), 22. April, 13. Mai, 13. und 28. Juni, Beginn je 19.30 Uhr. Kartentelefon: 02151 805125.

(RP)
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