Viersen Am Pkw-Steuer - eine Erfahrung für Blinde

Viersen · Autofahren für Blinde machte jetzt die Jugendgruppe des Blindenverbandes NRW möglich. Mit Hilfe von zwei Fahrschulen aus Dülken und Schwalmtal setzten sie das Projekt auf dem Borussia-Parkplatz um.

"Wir fahren jetzt ganz langsam an und fahren geradeaus", kommt die Ansage von Caroline Lambertz. Die Fahrlehrerin der Schwalmtaler Fahrschule Schöpgens sitzt entspannt auf dem Beifahrersitz des weißen Golfs und blickt von Fahrerin Bianca Mühlbach auf den vor ihr liegenden leeren Parkplatz am Fan Haus von Borussia Mönchengladbach. Mühlbach lässt den Wagen vorsichtig anrollen. "Ein kleines bisschen nach links fahren, weil wir jetzt durch die Poller müssen", gibt indes Lambertz an. Die Fahrkorrektur erfolgt sofort und das völlig ohne Rucken, sondern absolut sanft. "Wir sind auf dem Platz. Geradeaus fahren, Gas geben und schalten", meint Lambertz, was ein breites Lachen auf das Gesicht der jungen Frau am Steuer zaubert. Schwungvoll geht es über den Platz, wobei Mühlbach genau auf die Anweisungen von Lambertz hört und sie ohne Verzögerung umsetzt, denn sie fährt schließlich mit den Augen der Fahrlehrerin. Mühlbach ist blind und für die Plettenbergerin ist es das erste Mal, dass sie am Steuer eines Wagens sitzt.

Möglich macht dies die Jugendgruppe des Blindenverbandes NRW, die zum "Autofahren" eingeladen hat. "Die ,Fachgruppe Jugend' veranstaltet über das Jahr verteilt mehrere Aktionen. Das Autofahren für Blinde gab es auch schon einmal in Soest. "Es kam so gut an, dass wir es gerne wiederholen wollten", berichtet Stefan Peters, der stellvertretende Leiter der Fachgruppe.

Vor dem Hintergrund, dass der Viersener mit dem Sohn der Fahrschule Ströthoff befreundet ist, sprach er ihn an. "Ich habe sofort eine Zusage gegeben, als mein Sohn mir von dem Projekt erzählte", erinnert sich Ewald Ströthoff. Um möglichst vielen jungen blinden und stark sehbehinderten Menschen einmal die Möglichkeit zu geben, Auto zu fahren, sprach Ströthoff wiederum Thomas Schöpgens an, der seinerseits auch sofort ins Projekt einstieg. Damit standen letztendlich drei Fahrschulwagen samt Fahrlehrern zur Verfügung. Ströthoff besorgte über weitere Beziehungen den großen Parkplatz in Mönchengladbach. Auch in der Vitusstadt waren die Fußballfans sofort bereit, unterstützend tätig zu werden.

Mittlerweile sind es drei Golfs, die auf dem Borussen-Parkplatz unterwegs sind. Dass dort blinde Menschen am Steuer sind, ist der Fahrweise nicht anzumerken. Souverän umfahren sie Poller und Lichtmaste, gehen gekonnt in Kurven, fahren Schlangenlinien, kreuzen sich und machen auf Ansage Vollbremsungen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie ein Wagen reagiert. "Die blinden Autofahrer fahren sehr gefühlvoll und haben überhaupt keine Probleme mit dem Schleifpunkt der Kupplung", loben Schöpgens und Ströthoff ihre Fahrer. Das so typische Abwürgen der Fahrschulwagen, wie es den meisten Anfängern häufig passiert, kommt fast gar nicht vor.

"Ich hätte nicht gedacht, dass das Handling so gut klappt", bemerkt Lambertz, für die es als Fahrlehrerin das erste Mal ist, dass sie mit blinden Schülern unterwegs ist. Vertrauen ist dabei ein wichtiger Faktor. "Ich vertraue meiner Fahrlehrerin, sonst würde es nicht funktionieren. Sie sieht für mich und gibt mir die entsprechenden Anweisungen, ohne die ich ansonsten im Auto hilflos wäre", sagt Sabrina Führer, die auch schon vor zwei Jahren in Soest die Gelegenheit ergriff, ein Auto zu fahren. Ihr größter Wunsch wäre es, einmal richtig "Strecke zurücklegen" zu können. Auch wenn der Parkplatz in Mönchengladbach groß ist, ist die Fläche doch begrenzt. "Ein Flugfeld wäre toll", meint Führer mit sehnsüchtiger Stimme.

Wer auf dem Parkplatz nicht gerade mit Fahren an der Reihe ist, hat trotzdem keine Langeweile. Die gemachten Erfahrungen und die Erwartungen an die erste Autofahrt geben ausreichend Gesprächsstoff. "Autofahren macht einfach Spaß", schwärmt Britta Heesen. Einmal das Lenkrad in der Hand zu halten und selber zu fahren, das sei schon phantastisch, schließt sich Alexandra Sevcenko an. Wie ein solches Gefühl ist, weiß Stefan Lammertz aus Vorerfahrungen. Der Viersener erhielt die Gelegenheit, in Australien an einem Strand Auto zu fahren und erinnert sich noch heute mit Begeisterung an dieses Erlebnis, das er jetzt wiederholen konnte.

(tref)
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