Viersen Am Ende des Lebens da sein und zuhören

Viersen · Das Bodelschwingh Hospiz Haus Franz in Dülken sucht weitere ehrenamtliche Begleiter. Marlene Op't Eynde und Michael Thurnier sind zwei von ihnen. Sie erzählen, wie die Tätigkeit ihren Blick auf das Leben verändert hat.

 Marlene Op't Eynde (Mitte) und Michael Thurnier sind ehrenamtliche Begleiter im Haus Franz . Einmal pro Woche sind sie da, jeder so lang, wie es seine Zeit erlaubt. Waltraud Aengenvoort (links) kümmert sich um die Ehrenamtler.

Marlene Op't Eynde (Mitte) und Michael Thurnier sind ehrenamtliche Begleiter im Haus Franz . Einmal pro Woche sind sie da, jeder so lang, wie es seine Zeit erlaubt. Waltraud Aengenvoort (links) kümmert sich um die Ehrenamtler.

Foto: Busch

Manchmal reicht es, einfach da zu sein. Der Andere spürt, dass da jemand ist, der neben dem Bett sitzt. Manchmal reicht es, einfach ein bisschen zu erzählen, über die Familie, die Kinder, die Enkel, über das Leben, das reich war und seinem Ende entgegen geht.

Im Bodelschwingh Hospiz Haus Franz in Dülken geht das Leben oft seinem Ende entgegen. Dorthin kommen meist Menschen, die wahrscheinlich sterben werden. Nicht alle Gäste sterben, einige wenige erholen sich, können das Hospiz wieder verlassen. Das gibt Hoffnung, sagt Diplom-Sozialpädagogin Waltraud Aengenvoort - Hoffnung, dass das Leben nicht in jedem Fall im Hospiz zu Ende gehen wird.

Die Mitarbeiter, die angestellten wie die ehrenamtlichen, sagen nicht Patienten zu den Menschen dort, sondern Gäste: Im Hospiz ist man Gast. Das lateinische Wort "hospitium" beschreibt sowohl die Herberge als auch die Gastfreundschaft. Hospize gab es schon im frühen Mittelalter, dort wurden gesunde wie kranke Pilger entlang der Pilgerrouten versorgt. Die moderne Hospizbewegung knüpft an diese Tradition an: Sie will die Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten und ihnen Gastfreundschaft bieten, um in Würde Abschied zu nehmen.

Diese Gastfreundschaft unterstützen die ehrenamtlichen Begleiter im Bodelschwingh Hospiz Haus Franz. Es sind Männer und Frauen, die sich engagieren - die jüngeren sind in den Dreißigern, die älteren in den Siebzigern. Sie haben eine Art Ausbildung gemacht und in 140 Stunden die Befähigung erlangt, als Begleiter im Hospiz tätig zu sein. Denn die Begleitung der sterbenden Menschen verlangt ihnen einiges ab. Sie werden mit Lebensgeschichten, mit starken Gefühlen konfrontiert, die man nicht einfach so abschüttelt, wenn man die Tür hinter sich schließt und nach Hause geht. Sie müssen sich immer wieder auch mit ihren eigenen Gefühlen auseinandersetzen, mit ihrem eigenen Blick auf das Leben - und auf das Sterben.

Marlene Op't Eynde ist seit vier Jahren im Hospiz Haus Franz als ehrenamtliche Begleiterin tätig. Die Liebe zu den Mitmenschen habe sie hergeführt, sagt die 78-Jährige Schwalmtalerin schlicht. "Ich hatte Zeit, und ich wollte etwas für andere tun", erinnert sie sich. "Ich habe immer viel gearbeitet, meinen Mann unterstützt. Und als er dann in Rente ging, ging vieles leichter. Also habe ich mir gesagt: Jetzt machst du was." Dass sie im Haus Franz den richtigen Platz für ein ehrenamtliches Engagement gefunden hat, weiß sie inzwischen: "Die sterbenden Menschen haben es gern, wenn ich zu ihnen komme, und das gibt mir viel zurück."

Auch Michael Thurnier ist aus Schwalmtal. Der 65-Jährige begleitet seit einem Jahr die Gäste im Hospiz, spricht mit ihnen über alles Mögliche. Die Gäste entscheiden selbst, ob sie mit ihm sprechen wollen oder nicht. Und sie entscheiden auch, worüber gesprochen wird. "Das wenigste, worüber ich mit den Menschen rede, ist der nahe Tod", sagt Thurnier. "Sie reden selbst nicht darüber, also spreche ich das auch nicht an." Stattdessen drehten sich die Gespräche häufig um die Familie, um Reisen, bei Männern oft um den Beruf, auch um Fußball beispielsweise. Man brauche ein gutes Allgemeinwesen, um Gesprächspartner im Hospiz zu sein, meint Thurnier - und lerne doch immer noch etwas hinzu.

Die ehrenamtlichen Begleiter gehören im Hospiz zum Team. Reflexion ist auch für sie wichtig, und wer Fragen hat, wendet sich an Waltraud Aegenvoort, die immer erreichbar ist. "Man muss reflektieren können", nennt die Trauerbegleiterin eine Anforderung an die ehrenamtlichen Begleiter. "Wenn man das nicht kann, kann es sein, dass man nicht schlafen kann oder vielleicht Rückenschmerzen bekommt. Denn die Erlebnisse, die man hier hat, erinnern vielleicht an eigene Erlebnisse, auch an eigene Abschiede. Man darf nicht denken: ,Damit komme ich schon alleine klar', wie man sonst im Alltag, im Berufsleben versucht hat alleine klarzukommen. Dafür gibt es hier die Supervision."

Die Tätigkeit der Ehrenamtler sei unschätzbar wichtig für die Gäste, aber auch für die Angehörigen, die oft übersehen würden und die auch Aufmerksamkeit, ein gutes Wort, ein Angebot der Hilfe bräuchten, sagt Waltraud Aengenvoort: "Der Mensch braucht den Menschen. Nicht das Gespräch steht im Vordergrund, sondern das Da-Sein."

Dass man dieses Da-Sein ehrenamtlich ausüben kann, verwundert mitunter Freunde oder Bekannte. "Wenn ich erzähle, dass ich ehrenamtlich im Hospiz tätig bin, sagen die Leute: ,Das könnte ich nicht'", erzählt Michael Thurnier. Doch er hält dann dagegen: Die Tätigkeit im Hospiz sei nicht negativ, sie überfordere den Einzelnen auch nicht. Im Gegenteil: "Nirgendwo habe ich so viel Wertschätzung erlebt wie hier", sagt der Schwalmtaler. "Ich gebe viel, aber ich nehme auch sehr viel mit."

Mit nehmen die Ehrenamtlichen aus ihrer Tätigkeit einen anderen Blick auf den Tod, aber auch auf das Leben. Zwangsläufig kommen sie immer wieder dazu, über die eigene Sterblichkeit nachzudenken - etwas, was man sonst gern beiseite schiebt -, und über das Leben. Dazu gehört es auch, das Leben zu genießen, und die Menschen, die einem wichtig sind, auch wichtig zu nehmen. "Ich habe gelernt, aufmerksamer gegenüber anderen zu sein, intensive Gespräche zu führen, weil ich weiß, dass das Leben endlich ist", sagt Michael Thurnier. Marlene Op't Eynde hat für sich festgestellt: "Dinge, an denen ich keinen Spaß habe, mache ich nicht mehr. Das Leben ist so kostbar." Sie hat auch festgestellt, dass sich ihr Blick auf das Sterben durch die Tätigkeit im Hospiz verändert hat: "Seit ich diese Einrichtung kenne, ist mir gar nicht mehr so bang vor dem Sterben." Thurnier bestätigt: "Diese Art der Sterbebegleitung ist sicherlich im Augenblick die angenehmste Art zu sterben. Und wenn ich gehen muss, dann möchte ich mitten im Leben sterben, hier und mit richtig Tamtam."

(RP)
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