Tönisvorst Wo Beine mit Packband enthaart werden

Tönisvorst · Mit ausverkauftem Haus startet der Stadtkulturbund Tönisvorst in die neue Spielzeit. Die Komödie "Rubbeldiekatz" kam nicht nur beim jüngeren Publikum gut an. Großartige Schauspieler und originelle Regieeinfälle überzeugten alle.

 Jan van Weyde als Alexandra und Christian Kühn als Kostümbildner Arne in der Travestiekomödie "Rubbeldiekatz", mit der das Tourneetheater Thespiskarren die Spielzeit 2015/16 der Stadtkulturbundes Tönisvorst eröffnete.

Jan van Weyde als Alexandra und Christian Kühn als Kostümbildner Arne in der Travestiekomödie "Rubbeldiekatz", mit der das Tourneetheater Thespiskarren die Spielzeit 2015/16 der Stadtkulturbundes Tönisvorst eröffnete.

Foto: TTT/Robert Jentzsch

Zugegeben, die Geschichte, die Detlev Buck 2011 für den Kinofilm konzipiert hat, ist vorhersehbar. Aber wie die vier Darsteller des Tourneetheaters Thespiskarren Hannover in Zusammenarbeit mit der Comödie Dresden die Handlung umsetzen, das ist sehenswert. Da ist zunächst die unglaubliche Verwandlung von Alexander Honk, gespielt von Jan van Weyde, in Alexandra. Mit Werkzeugzange gehen die Brüder (Christian Kühn und Oliver Geilhardt) zur Sache, um dem Mann die Augenbrauen zu zupfen. Braunes Packband wird zwecks Enthaarung auf die Schienenbeine geklebt und mit einem beherzten Ratsch abgezogen. Nicht nur die Frauen im Publikum leiden mit.

Als kleine Hommage an die Apfelstadt Tönisvorst bekommt "Alexandra" noch ein paar Äpfel (in anderen Städten sind es Orangen) in den BH gesteckt, um die weiblichen Formen nachzubilden. Dann noch Make-Up und eine blonde Perücke - fertig ist die resolute BDM-Führerin Maria Schneider. Und das ist genau die Rolle in einem Hollywood-Film, die der Schauspieler Alexander Honk ergattern will und tatsächlich auch bekommt. Noch vor dem ersten Drehtag lernt er bei einem nächtlichen Zug durch die Gemeinde die schöne Sarah Voss kennen, dargestellt von Rosetta Pedone. Die beiden verbringen eine stürmische Nacht miteinander, die sehr kunstvoll als Schattenspiel hinter einem hellen Vorhang gezeigt wird. Natürlich ist es eben jene Sarah, die die Hauptrolle in dem Hollywood-Streifen hat und der Alexander als Alexandra am nächsten Tag am Set begegnet. Die beiden "Frauen" freunden sich an, bis Alexanders Verwandlung aufliegt, er seine Rolle verliert und Sarah nichts mehr von ihm wissen will. Bis dahin aber wird viel gelacht, es gibt rasante Musik und flotte Dialoge.

Ein Jahr zieht ins Land, das Alexander auf dem Sofa sitzend verbringt. Um den Zeitraum zu illustrieren, hat Gunnar Dreßler, der die Bühnenfassung des Kinofilms geschrieben hat, zu einem einfachen und doch genialen Trick gegriffen, mit dem er auch vorher schon Kostümwechseln überbrückt und Ortswechsel dargestellt hat: Er lässt Dias auf dem weißen Bühnenvorhang flimmern. Während Alexanders Sitzposition unverändert bleibt, feiern die beiden Brüder um ihn herum auf den Bildern Weihnachten, Silvester, Karneval, Geburtstag und Ostern. Und dann endlich ist Sarah Voss wieder in der Stadt und Alexander bekommt eine Chance, sie zurückzuerobern. Und natürlich gibt es ein Happy End à la Hollywood.

Bemerkenswert ist bei der Bühnenfassung besonders die Schauspielleistung der drei männlichen Darsteller. Jan van Weyde wirkt so überzeugend im weiblichen Gestus, dass der Zuschauer den Alexander hinter der Alexandra mitunter ganz vergisst. Auch Oliver Geilhardt ist als Jürgen Honk ein völlig anderer als als Hollywood-Regisseur John oder als Schauspieler Henning.

Wirklich großartig aber ist Christian Kühn. Der 33-jährige Chemnitzer mimt einen sächselnden Hitler, der abstoßend und faszinierend zugleich ist, erobert die Herzen als Kostümbildner Arne, der verdächtig nah an Jean Paul Gaultier dran ist, schlüpft in die Rolle des schmierigen Fernsehmoderators Tilo Ehrlich und spielt mit jugendlichem Charme den jüngsten Honk-Bruder Basti. Für diese enorme Wandlungsfähigkeit gibt es am Ende verdienten Applaus im Corneliusforum.

(WS03)
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