Schiedsmann aus Vorst Frieden stiften auf dem kleinen Dienstweg

Tönisvorst · Schiedspersonen sind die Ansprechpartner in der Stadt, wenn es um Nachbarschaftsstreitigkeiten, Beleidigungen, Verleumdungen, leichte Körperverletzung und Mietuneinigkeiten geht. Udo Beine aus Vorst ist einer von ihnen.

 Udo Beine vor seinem Haus an der Wiesmeshütte 16 in Vorst. Im Hintergrund ist an der Hausfassade das amtliche Schild zu erkennen, dass den 66-Jährigen als Schiedsmann ausweist.

Udo Beine vor seinem Haus an der Wiesmeshütte 16 in Vorst. Im Hintergrund ist an der Hausfassade das amtliche Schild zu erkennen, dass den 66-Jährigen als Schiedsmann ausweist.

Foto: Wolfgang Kaiser

Udo Beine hat schon einige kuriose, lustige und auch traurige Geschichten von Menschen, die sich streiten, gehört. Der Vorster ist seit mehr als 25 Jahren Schiedsmann. Ebenso wie seine St. Töniser Kollegin Rosa-Maria Papenfuß-Wöchtl kümmert er sich um Menschen, die sich über Äste ärgern, die vom Nachbargrundstück rüberwachsen, um Menschen, die vom Hund gebissen wurden oder in eine Schlägerei geraten sind. Um eine gute Schiedsperson zu sein, sagt Udo Beine, müsse man lebensfroh und menschenfreundlich bleiben und akzeptieren, dass Leute sich streiten.

Als der heute 66-Jährige vor gut 25 Jahren das Schiedsamt in Vorst übernahm, hatte er vor allem ein Ansinnen: "Ich wollte dazu beitragen, dass mein Umfeld friedlicher wird." Ist ihm das gelungen? Ja und nein. "Früher besser, heute ist es schwerer geworden, die Parteien an einen Tisch zu bringen und Kompromisse zu finden, mit denen beide Seiten gut leben können", hat Beine festgestellt. Früher habe er in 95 Prozent aller Fälle einen Vergleich aushandeln können. "Seit ein paar Jahren sind es nur noch 68 Prozent", sagt der Vorster bedauernd.

Das bedeutet, dass fast ein Drittel der Menschen, die bei ihm waren, sich nicht einigen konnten und vor Gericht ziehen, obwohl sie wissen, dass die Verfahren sich in die Länge ziehen und hohe Kosten auf sie zukommen können. Und während es vor Gericht einen Gewinner und einen Verlierer gibt, sind die Schiedspersonen immer daran interessiert, Kompromisse zu finden und keine Seite als Verlierer aus dem Gespräch gehen zu lassen. "Früher hat das besser geklappt, da gab es auch schon mal Einsicht und eine Entschuldigung", sagt der 66-Jährige.

Heute sei es vielen Leuten wichtig, Recht zu behalten. "Fehler werden nicht mehr toleriert, der Respekt anderen gegenüber schwindet und die Gesprächsatmosphäre ist oft sehr emotional", hat Beine beobachtet. Das sei in seinen Anfängen im Amt anders gewesen. "Da ging es um die Sache. Die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, war größer." Überhaupt sei es in seinen ersten Jahren so gewesen, dass die Menschen zunächst miteinander geredet haben. "Das konnte auch schon mal ruppig werden, aber immerhin haben sie zuerst selber das Gespräch mit dem Kontrahenten gesucht." Mittlerweile komme es immer öfter vor, dass die Leute den Schiedsmann anrufen, ohne vorher etwa mit dem Nachbarn, über dessen Grünwuchs sie sich ärgern, zu sprechen. "Und manche Beteiligte kommen dann nicht mal selber zum Gespräch an meinen Tisch, sondern schicken gleich den Anwalt", sagt Beine. Dabei gebe es ja extra Schiedspersonen, die woanders auch Friedensrichter, Ombudsmann oder Streitschlichter genannt werden, um Anwälte und Gerichte zu entlasten.

Etwa 75 bis 100 Fälle bearbeitet der Vorster Schiedsmann im Jahr. Meistens geht es um Streit unter Nachbarn. "Lärmbelästigung ist ein Problem, aber auch das Grün, das über den Zaun wuchert, der Ast, der Licht wegnimmt", zählt Beine auf. Nach Karneval oder wenn Schützenfest im Dorf war, landen jedes Jahr vermehrt Fälle bei Udo Beine, bei denen es um Handgreiflichkeiten, leichte Körperverletzung und Sachbeschädigung geht. "Da sind die Leute manchmal aber auch ganz schön zerknirscht", sagt der 66-Jährige.

Gerne erinnert er sich an den jungen Mann, der einst ebenfalls ganz zerknirscht vor ihm saß, weil er beim "Fensterln" eine Regenrinne heruntergerissen hatte. "Die Geschichte hat ein Happy End: Der Mann ist heute mit der Frau, zu deren Fenster er damals hochgeklettert ist, glücklich verheiratet." Natürlich gehen die Auseinandersetzungen, die Udo Beine schlichtet, nicht alle gleich so glücklich aus. Aber: "Wenn ich es schaffe, dass beide Seiten sich gut fühlen mit dem ausgehandelten Vergleich, sich die Hand reichen und sich im Dorf noch guten Tag sagen können, dann bin ich zufrieden."

(RP)
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