Tönisvorst Eine Stadt strebt keinen Profit an

Tönisvorst · Beigeordnete Nicole Waßen hofft, für 2022 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können. Dabei stellt sie weder große Investitionen, noch Steuersenkungen kurzfristig in Aussicht. Sie freut sich auf acht weitere Jahre im Amt.

 Sie macht den Haushalt - wie man sieht - mit links: Die Beigeordnete und Kämmerin Nicole Waßen, hier an ihrem Arbeitsplatz an der Hospitalstraße, wurde gerade für eine zweite Amtszeit gewählt.

Sie macht den Haushalt - wie man sieht - mit links: Die Beigeordnete und Kämmerin Nicole Waßen, hier an ihrem Arbeitsplatz an der Hospitalstraße, wurde gerade für eine zweite Amtszeit gewählt.

Foto: HERIBERT BRINKMANN

Auf dem Konferenztisch steht eine Dose mit "First Aid" - der Erste-Hilfe-Kasten voller kleiner Schoko-Tafeln ist ein Geschenk von Mitarbeitern zur geglückten Wiederwahl am Donnerstag im Stadtrat. Wie geht es in den kommenden acht Jahren mit den städtischen Finanzen weiter? In ihrer mittelfristigen Planung geht die Beigeordnete und Kämmerin für das Jahr 2022 von einem ausgeglichenen Haushalt aus. Nicole Waßen sagt aber auch ganz klar, dass dies durch die Zuweisungen des Landes gelingt, die seit 2018 mit der neuen Regierung sehr viel höher fließen und dadurch den Tönisvorster Haushalt positiv beeinflussen. Dazu kommt, dass in Tönisvorst auch keine höheren Ausgaben veranschlagt sind. Die Planzahlen für die kommenden Jahre hängen aber auch davon ab, dass die Konjunkturdaten weiter positiv bleiben. Allein schon eine neue Flüchtlingswelle kann das Zahlenwerk über den Haufen werfen.

Mit den Hebesätzen von Gewerbe- und Grundsteuern liegt Tönisvorst im Vergleich zum Umfeld weit vorne. Wäre ein ausgeglichener Haushalt für Waßen ein Grund, die Steuern herunterzusetzen? Man solle bei einem ausgeglichenen Haushalt die Zeit nutzen, durchzuatmen und dann Liegengebliebenes zu verbessern und zu investieren. Es nutze nicht viel, die Steuern sofort abzusenken und nach zwei Jahren wieder heraufsetzen zu müssen. Wenn sich in den städtischen Finanzen ein gutes Polster gebildet hätte, könne man über eine Steuersenkung reden, aber jedenfalls nicht kurzfristig.

Das Sparen ist zum Wert an sich geworden, die "schwarze Null" ist schon fast eine magische Größe. Als Nicole Waßen in der Krefelder Verwaltung anfing, herrschten noch ganz andere finanzielle Verhältnisse vor. Heute haben viele Städte erhebliche Schuldenberge angehäuft, auch die Stadt Tönisvorst hat in den vergangenen Jahren ein strukturelles Defizit aufgewiesen. Mit den Zahlen der Kommunen hätte jede Firma schon dichtmachen müssen. Die Kämmerin erklärt, dass die Städte versuchen, mit Steuergeldern vorsichtig umzugehen und das Beste herauszuholen, aber Städte seien keine Unternehmen, strebten auch keinen Profit an, vielmehr könnten sich gar nicht profitabel arbeiten, weil sie viele Dienstleistungen vorhalten müssen, aber nicht zu den Kosten, die sie verursachen.

Soll man in einer Zeit, in der es für Geld keine Zinsen gibt und Kredite günstig wie nie aufgenommen werden können, nicht die Chance ergreifen, große Investitionen umzusetzen? Auch hier ist Nicole Waßen eher vorsichtig: Auch billige Kredite müssten zurückgezahlt werden. Dabei wisse niemand, wie die Kreditzinsen in zehn Jahren aussehen werden. Viele empfehlen den Kommunen ein antizyklisches Verhalten. In konjunkturschwachen Zeiten könnten Investitionen der öffentlichen Hand die Wirtschaft ankurbeln. Heute laufe die Wirtschaft aber auch so, die Baubranche habe mit Aufträgen aus der Privatwirtschaft genügend zu tun.

Als sie sich entschloss, für eine weitere Amtszeit von acht Jahren zu kandidieren, hat sie nicht lange überlegt. Nicole Waßen macht ihren Job sehr gerne, die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und den Mitarbeitern klappe sehr gut. Es hat sie auch nicht in eine größere Stadt gezogen, weil in einer Stadt wie Tönisvorst die Wege kürzer seien und manches schneller bewegt werden könne. Wäre der Bürgermeisterjob eine Alternative? Nicole Waßen gibt sich bescheiden. Vom Grundsatz geht sie aus, dass Bürgermeister Goßen 2020 wieder antrete. Sie selbst habe kein Parteibuch, da sei es eher unwahrscheinlich, aufgestellt zu werden. Aber ganz schließt sie es nicht aus. Das hänge auch davon ab, wer sich sonst so bewerben wolle.

(RP)
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