Tönisvorst Debatte über Zuwanderung ist notwendig

Tönisvorst · Gespräch mit Bürgermeister Thomas Goßen: Auch wenn die Flüchtlinge das vorherrschende Thema sind, stehen Projekte wie das Neubaugebiet Vorst-Nord oder die Verteilung der Schulklassen im Schulzentrum Corneliusfeld an.

 Im nächsten Halbjahr steht viel Arbeit an: Neben der Unterbringung von Flüchtlingen und der Verabschiedung des Haushaltes sind viele liegen gebliebene Projekte anzugehen.

Im nächsten Halbjahr steht viel Arbeit an: Neben der Unterbringung von Flüchtlingen und der Verabschiedung des Haushaltes sind viele liegen gebliebene Projekte anzugehen.

Foto: WOLFGANG KAISER

Er ist zurück aus dem Urlaub, gut gebräunt, erholt und - noch - sehr entspannt. Es wartet in den nächsten Wochen und Monaten viel Arbeit auf ihn und seine Mitarbeiter. Für Thomas Goßen ist es die zweite Amtszeit als Bürgermeister. Im Mai 2014 wurde er wieder gewählt. Das erste Jahr dieser zweiten Amtszeit sei wahnsinnig schnell vergangen, sagt er, wenn er zurückschaut. Die eigentliche Arbeit des neuen Stadtrates fing erst nach den Sommerferien an, der neu zusammengesetzte Rat brauchte auch erst einmal seine Findungszeit. In der Anfangsphase war noch eine nachwirkende Spannung aus dem Wahlkampf zu spüren, mittlerweile hätten alle zu einer guten Form des Miteinanders zurückgefunden.

Das heute bestimmende Thema im Rathaus - die Unterbringung der Flüchtlinge - hat sich damals so noch nicht abgezeichnet. Niemand konnte sich die Dimension und die rasante Entwicklung so vorstellen. Dass in Krefeld die Glockenspitzhalle und in Tönisvorst das Daihatsu-Gebäude für Flüchtlinge vorbereitet werden, sei vor kurzem noch undenkbar gewesen, jetzt aber Realität. Der Zustrom an Flüchtlingen wird sich so schnell nicht verlangsamen. Die Stadt sei verantwortlich, die ihr zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. "Der, der da ist, wird untergebracht", stellt er nüchtern fest. "Und ist willkommen", fügt er hinzu, um das ganz deutlich zu machen. Er stimmt dem CDU-NRW-Vorsitzenden Armin Laschet zu, der dafür plädiert, die Flüchtlinge nicht als Last zu sehen, sondern als Potenzial, etwa im Handwerk. Angesichts der demographischen Entwicklung müsse die Gesellschaft eine Debatte über Zuwanderung führen. Auf die Entgegnung, dies sei eine SPD-Forderung, sagt Goßen kess, dass ihm das relativ "wurscht" sei. Die Kommunen hätten schon früh eine politische Diskussion angemahnt, seien aber nicht gehört worden. Die Situation erscheint Goßen heute so: Es kommt ein Zug, und wir stehen mitten auf einem unbeschrankten Bahnübergang. Deutschland - Gesellschaft wie Staat gleichermaßen - seien auf die Flüchtlingsfrage - wer darf wann hier bleiben - schlecht vorbereitet. Die Unterbringung der Flüchtlinge sieht der Bürgermeister als eine gesamtstaatliche Aufgabe. Persönlich geht Goßen davon aus, dass der Bund sich an der Kosten der Kommunen stärker beteiligen wird. Wie in Mettmann geschehen, einen Zusammenhang zwischen der Unterbringung von Flüchtlingen und der Erhöhung der Grund- oder Gewerbesteuer herzustellen, hält Goßen allerdings für keinen guten Ansatz.

Was steht für die nächste Zeit außerdem auf der Agenda des Bürgermeisters? An erster Stelle nennt Goßen das Neubaugebiet Vorst-Nord, das weiter vorangetrieben werden müsse, sobald die Archäologen mit ihrer Arbeit fertig sind. An zweiter Stelle kommt gleich das Schulzentrum, nach dem Umzug der Realschule vor einem Jahr müsse als zweiter Schritt die grundsätzliche Raumkonzeption für die Zukunft umgesetzt werden. Auch die Bedarfsplanung und die Anmeldungen im Kita-Bereich liegen ihm sehr am Herzen.

Der Kita-Streik, der noch nicht völlig aus der Welt ist, war für alle Beteiligten eine ganz neue Situation. Thomas Goßen bekennt, dafür hatte er keine Blaupause im Schrank. Warnstreiks habe es auch in Tönisvorst immer schon mal gegeben, aber lang anhaltende Streiks nach einer Urabstimmung noch nicht. Er habe die Auseinandersetzung als nicht direkt gegen die Stadt Tönisvorst gerichtet begriffen, insofern sei das Verhältnis zu den Mitarbeitern, aber auch bei den Mitarbeitern untereinander (den Streikenden und denjenigen, die nicht gestreikt haben) ohne Beschädigung intakt geblieben. "Es gab bisher keine Verwerfungen".

Neubaugebiete wie in den 60er Jahren - diese Zeiten sind vorbei. Nach Vorst-Nord wird es in Tönisvorst keine großen Neubaugebiete oder Gewerbegebiete mehr geben. Die Regionalplanung des Landes ist beim Flächenverbrauch sehr zurückhaltend. Für die Gewerbegebiete besteht das Problem der Wasserschutzzone, die einige Nutzungen im Gewerbegebiet ausschließt. Die Stadt Tönisvorst hat kreisweit den höchsten Altersdurchschnitt. Der Trend zu mehr alten Einwohnern und weniger Kindern wird Auswirkungen auf viele Politikbereiche haben, aber sich auch auf die Schlüsselzuweisungen des Landes auswirken. Wie sich ein höherer Anteil von Rentnern auf die Entwicklung der Umlage der Einkommenssteuer auswirkt, ist für Goßen "eine spannende Frage".

Durch die Belegung von Turnhallen mit Flüchtlingen ist das Thema Hallennutzungsentgelt für Sportvereine etwas in den Hintergrund gerückt. Die steuerrechtliche Frage, die sich "in der Klärung" befinde, soll jetzt im zweiten Halbjahr beantwortet werden, kündigt Bürgermeister Thomas Goßen an.

(RP)
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