Solingen Zwischen Herodes und Leonard Cohen

Solingen · Mit einer Gospelmesse eröffnete die Chorakademie den Reigen der Konzerte zum 30-jährigen Jubiläum.

Haben Sie noch Ihren Weihnachtsbaum in der guten Stube stehen? Vielleicht noch Beleuchtung, Pyramiden und Bögen in den Fenstern? Ganz davon abgesehen, dass die eher konsumorientierte Geschäfts- und Innenstadtbeleuchtung gerade noch mal die Umtauschzeit übersteht. Aber vielleicht ist doch noch Weihnachten. Nach dem evangelischen Kirchenkalender hat der Weihnachtskreis erst am vergangenen Wochenende sein Ziel gefunden. Und bis zur Liturgiereform der katholischen Kirche geht die Weihnachtszeit bis zum 2. Februar: Mariä Lichtmess.

So halten es die Altkatholiken bis heute. So wundert es nicht, dass am Sonntag in der fast dunklen Lutherkirche hoch im Gewölbe der Weihnachtsstern so hell strahlt. So hat auch der böse König Herodes, der die Kinder zu Bethlehem umbringen ließ, seinen Auftritt in der Gospelmesse "Gloria" des norwegischen Komponisten Tore W. Aas. Diese besondere Messe führte jetzt der Chor "Tonart" der Chorakademie Bergisch Land in der Lutherkirche auf.

Der 1957 geborene Musiker geht nicht in die Falle, die urwüchsige Musik afro-amerikanischer Tradition zu kopieren. Er findet klanglich neue Wege, die die jungen Sängerinnen und Sänger der Akademie beeindruckend darstellen konnten. Chorleiter Artur Riva verstand es bestens, in fordernder und fördernder Weise und vor allem dezent das Beste aus seinen Sängern herauszuholen: einen glasklaren Chorklang, der in dynamischen, dramatischen und in diesem Werk vor allem in rhythmischen Nuancen den Punkt zu treffen versteht. In stilisierten, der Zeit Christi nachempfundenen, bunten Gewändern machte "Tonart" auch einen optisch sehr schönen Eindruck. Nur der Solist in der Rolle Jesu war rein in weiß gekleidet. Da kommt hier ein großes Problem auf: Der rund 30-köpfige Chor hat so viele tolle Solisten in seinen Reihen, dass man einzelne nicht herausheben möchte. Es zeichnet die Arbeit der Akademie aus, dass fast jeder Sänger zu überzeugenden, solistischen Fähigkeiten herangebildet werden kann.

In Aasens Gospelmesse wird das besonders deutlich. Fast zärtlich schwebend beginnt etwa im Agnus Dei das Zusammenspiel von Solisten und Chor mit jazzigen Einschlag. Dann wird es richtig soulig, um anschließend in einem vom Sopransolo gekrönten, mitreißenden Gospelpart zu münden. Die zwölfteilige Gospelmesse gibt dem Chor, den Band-Musikern und Artur Rivo Steilvorlagen, um nicht nur das stimmliche Potenzial ausschöpfen zu können. So wird das Kyrie zu einem kleinen, geschlossenen Drama. Einer dem Gregorianischen Gesang nachempfundenen Einleitung wird die gospelartige, ja poppige dreifache Bitte um Erbarmen von drei solistisch ausgestalteten und musikalisch effektvoll in Szene gesetzten Episoden unterbrochen: dem Gleichnis vom verlorenen Sohn; von der Geschichte Jesu mit der Sünderin, die er vor der Steinigung rettet; und den beiden Verbrechern, die mit Jesu zusammen am Kreuz ihren Tod erwarten. Den Auftakt des Abends machten die 15 Sänger des Jugendchors "Chorlight" mit vier schwungvollen Stücken zwischen afrikanischen Rhythmen und Gospelklängen. Mit einem dynamisch und dramatisch intensiv gestalteten Wechselspiel von Männer- und Frauenstimmen sowie dem ganzen Chor bekommt auch ein Klassiker wie Leonard Cohens "Halleluja" ein ganz neues und frisches Gesicht.

Auch die gelungene Lichtregie darf nicht vergessen werden. Sie unterstrich den jeweiligen Charakter der Messeteile. Zudem betonte sie das den Altarraum bestimmende Relief des letzten Abendmahls - Christus in der Mitte und als Zielpunkt der verlängerten Linie des großen Altarkreuzes.

(RP)
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