Solingen Wo die Wupper Schleifsteine antreibt

Solingen · Wenn Hochwasser im Untergraben ist, schalten die Schleifer das Wasserrad lieber ab und greifen auf den unromantischen Elektromotor zurück. Doch an den meisten Tagen, im Sommer wie im Winter, dreht sich das Rad am Wipperkotten, treibt die Kraft der Wupper die Schleifsteine an.

Nach der Winterpause kann die Schleiferei jetzt wieder regelmäßig besichtigt werden. Von April bis Oktober — am Osterwochenende also zum ersten Mal in diesem Jahr — ist die historische Wasserkraftanlage an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet.

Als sachkundige Führer sind dann Mitglieder des Fördervereins Schleiferei Wipperkotten vor Ort, dessen Vorsitzender Axel Birkenbeul ist. 1996, so erzählt er, wollte die Stadt den Schleifkotten, der neben dem als Wohnhaus und Atelier genutzten Gebäude zwischen Wupper und Weinsberger Bach liegt, loswerden. Der Leiter des Rheinischen Industriemuseums erkannte das Kleinod gleich, gründete den Förderverein und wurde dessen erster Vorsitzender, bis das Amt 2001 der pensionierte Schulleiter Birkenbeul übernahm. 90 Mitglieder hat der Verein.

Vier Schleifer arbeiten im Kotten

Vier Schleifer haben dort noch heute ihren Arbeitsplatz, zwei davon sind eigentlich schon in Rente und arbeiten nur stundenweise in der Werkstatt am Wupperufer. Mit dem 42-Jährigen Rudolf Jahn ist auch ein Vertreter der jüngeren Generation stundenweise in der Werkstatt anzutreffen. Er bietet den Besuchern außerdem einen Schleif- und Reperaturservice an. Doch auch die anderen Schleifer helfen gerne, wenn eine Schere nicht mehr gut schneidet oder ein Messer stumpf geworden ist.

Rad 1999 komplett erneuert

Das Wasserrad des Schleifkottens ist in einem Holzverschlag versteckt, während sich das Wasserrad des als Wohnhaus genutzten Gebäudes für jedermann sichtbar dreht. Das Rad des Schleifkottens kann allerdings von innen gut betrachtet werden. Im Gebäude ist auch eine kleine Ausstellung zu sehen.

"1999 wurde das Wasserrad komplett erneuert", erzählt Axel Birkenbeul. Dazu wurde es ausgebaut und von polnischen Handwerkern wieder hergerichtet. "Es gibt nicht mehr viele, die das können, einige Mühlenbauer und spezialisierte Schreiner", berichtet der Vorsitzende des Fördervereins. Vor zwei Jahren musste dann noch einmal ein schwerer Schaden am Rad repariert werden, auch hier war die Handwerkskunst von Spezialisten gefragt. Diesmal kam ein Schreiner aus Wuppertal. "18 000 Euro mussten aufgebracht werden, um diesen Schaden zu beheben", erinnert sich Axel Birkenbeul. Vom Eintrittsgeld für die Kottenbesuche jedenfalls kann der Verein das nicht bezahlen: Kinder bis 14 haben freien Eintritt, für alle Älteren kostet der Besuch in letzten wassergetriebenen Schleifkottens Solingens einen Euro.

Terminvereinbarungen für Führungen außerhalb der Öffnungszeiten unter Telefon 2473958 oder 41377.

(RP)
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