Solingen Was der Schotte so unter seinem Rock trägt

Solingen · Mit Ambossklang und Honigtrank lockte der Mittelaltermarkt zu einem märchenhaften Wochenende auf Schloss Burg.

 Schmied Christian Gillandt und weitere Handwerker und Höker zeigten auf dem Mittelaltermarkt auf Schloss Burg, wie es so in alten Zeiten zuging.

Schmied Christian Gillandt und weitere Handwerker und Höker zeigten auf dem Mittelaltermarkt auf Schloss Burg, wie es so in alten Zeiten zuging.

Foto: Stephan Köhlen

Die Kinderaugen werden riesengroß. Selbst mancher Erwachsener schaut mit aufgerissenen Lidern wie ein Frosch, als der Schmied mit bloßen Händen in die glühenden Kohlen greift, um das Feuer zu schüren. "Sowas dürft ihr nie machen", sagt er den Kleinen. "Glaubt ihr mir das?" Die Kinder schauen ein wenig unsicher. "Na, vielleicht ist das glaubhafter": Der Schmied greift wieder mit seinen schwarzen Pranken in die Glut und lässt ein ohrenbetäubendes Schmerzgeheul über den Vorhof der Burg erschallen. Jetzt glauben ihm die Kinder, dass es nicht gesund ist, die Finger ins Feuer zu stecken.

Christian Gillandt macht das allerdings wenig aus. "Das hat mit Geschick und Gewohnheit zu tun", sagt er und zeigt seine verrußten und verhornten Hände. "Ich kann mittlerweile auch das Backblech ohne Topflappen aus dem Ofen holen." Da staunen nicht nur die kleinen Besucher des Mittelaltermarktes, der am Wochenende - mal bei praller Sonne, mal bei kräftigen Regenschauern - zahllose Gäste nach Schloss Burg lockte. Da gab es aber auch viel zu sehen und auch zu erwerben: Handwerker und Höker zeigten, wie es so in alten Zeiten zuging - egal ob Lammfell, Kartenlegen oder Trinkhörner.

An rund 40 Ständen wurde Handwerkskunst vorgeführt und Ware feilgeboten. Wem davon die Augen übergingen und der Magen leer wurde, konnte sich stilgerecht mit Bauernbrot und Honigwein stärken. "Das ist leicht anzusehen, aber schwer nachzumachen", sagt Gillandt. Man muss die Hitze der Kohle und die Farbe des glühenden Metalls kennen. "Es hat etwas Urgewaltiges, Eisen oder Stahl mit den eigenen Händen zu formen", beschreibt der 33-Jährige seine Faszination am Schmieden. "Und es ist mir wichtig zu zeigen, wie so etwas früher gemacht wurde." Denn damals gab es kein Messer im Kaufhaus zu erwerben, da musste man schon mit ganz individuellen Wünschen zum Schmied kommen. Wenn Gillandt nicht gerade auf Mittelaltermärkten tourt, ist er in der heimischen Werkstatt tätig. 2012 hat sich der Solinger mit seiner Schmiedekunst in einer Garage selbstständig gemacht, heute lebt und arbeitet er in der Eifel. Auf den Mittelaltermärkten lässt ihn immer die Begeisterung der Kinder staunen.

Donnernd saust der Hammer auf den Amboss. "Waaaas?", brüllt er. Denn Schmiede sind ob der lauten Arbeit ziemlich taub. Da müssen die Kinder vor der Schmiede schon etwas lauter sprechen. So auch die kleine Sandra, die gespannt zuschaut, wie Gillandt aus einem langen Eisenstab einen Knoten schmiedet - den natürlich keiner nachher mehr aufbekommt, auch Sandra nicht. Die großen Kinderaugen haben es auch Jaime Hernandez angetan. An der Werkstatt von Johannes Ulrich Brenner zeigt er, wie das alte Handwerk des Drechslers funktioniert. Von einer Fußwippe aus geht das um das Werkstück geschlungene Seil zu einem unter Spannung stehenden Ast. So schlicht kann man eine Drehbewegung erzeugen. Das Holzstück rotiert, das Drechslermesser schneidet und allmählich entsteht unter den Händen des 34-Jährigen ein Trinkpokal aus Holz.

Im nichtmittelalterlichen Leben hat der Meinerzhagener Schreiner gelernt und dann Sozialpädagogik studiert. "Es ist das Schöne hier, dass ich Handwerk und Pädagogik verbinden kann." Unter Anleitung drechseln die Kinder ihr eigenes Stück. "Sie lernen dabei auch, dass so etwas Geduld und Mühe kostet." Das bringen die Kinder im Gegensatz zu manchem Erwachsenen mit.

"So ein Mittelaltermarkt ist etwas anderes als das, was sonst zuhause geboten wird", sagt Hernandez. "In einer solch romantischen Atmosphäre kann die Emotionalität viel besser freigesetzt werden." Romantisch und märchenhaft ist es in der Tat auf Schloss Burg. Das finden auch Patrick De Keyst und Daniela Zientarski. In blaukarierte Schottenröcken aus der Zeit um 1740 sind sie gewandet. "Wir besuchen jedes Wochenende Mittelaltermärkte. Das ist unsere Art zu entspannen und dem Alltag ein wenig zu entfliehen." Das lassen sich die beiden auch etwas kosten, denn es ist aufwändig, sich authentisch einzukleiden. Auch hier gibt es was zu lernen: Trägt der Schotte unter seinem Rock eine Unterhose oder nicht?

Da muss man nur auf die Stiefel oder Strümpfe schauen. Steckt da ein Messer drin, zieht der Hochländer in den Kampf - ohne Unterhose. Denn die windelartige Unterwäsche alter Zeiten wäre im Getümmel auf dem Schlachtfeld eher hinderlich. Da die beiden nun unbewaffnet sind, erübrigt sich also der Blick unter den Kilt. "Aber manche versuchen es trotzdem."

(crm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort