Solingen Ein großer Solinger

Solingen · Walter Scheel ist tot. Der Alt-Bundespräsident und gebürtige Solinger starb im Alter von 97 Jahren. Seiner Heimatstadt, in der er die ersten politischen Schritte machte, blieb er stets verbunden.

Walter Scheel ist tot - der große Solinger
Foto: dpa, han cul jai

Solingen trauert um einen seiner größten Söhne. Alt-Bundespräsident Walter Scheel ist tot. Wie das Bundespräsidialamt am Mittwoch mitteilte, ist der gebürtige Höhscheider, der zwischen 1974 und 1979 als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik in der Villa Hammerschmidt in Bonn residiert hatte, jetzt nach langer schwerer Krankheit gestorben.

"Wir haben Walter Scheel viel zu verdanken", sagte Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach in einer ersten Reaktion auf die Nachricht vom Tod des Alt-Bundespräsidenten. Scheel sei stets ein Vorbild gewesen, "weil er zu seinen Grundüberzeugungen stand und das für richtig Erkannte dann auch umsetzte", würdigte der Oberbürgermeister den Verstorbenen, der seit 1976 Ehrenbürger der Stadt gewesen war. "Solingen konnte immer stolz sein auf diesen Sohn unserer Stadt", betonte Kurzbach.

Walter Scheel wurde am 8. Juli 1919 in Solingen-Höhscheid geboren und absolvierte nach einer Kindheit an der Messerstraße, der Neuenhofer Straße und der Neustraße sowie dem Abitur am Reformrealgymnasium Schwertstraße zunächst eine Banklehre bei der Volksbank Solingen. Im Jahr 1939 wurde Scheel als Soldat zur Luftwaffe eingezogen. Im Zweiten Weltkrieg überlebte der Solinger dann den Russland-Feldzug als Oberleutnant und kehrte schließlich nach Ende des Krieges und einer kurzen Zeit der Internierung in die heimatliche Klingenstadt zurück.

Dabei waren es wohl vor allem die Erfahrungen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, die den jungen Solinger dazu bewogen, selbst politisch aktiv zu werden. Wobei der spätere Bundespräsident zeitlebens darauf Wert legte, das politische Handwerk von der Pike auf gelernt zu haben.

Denn parallel zu seiner Arbeit - unter anderem als Wirtschaftsberater - verdiente sich Walter Scheel seine ersten politischen Sporen auf lokalem Parkett, im Solinger Stadtrat. "Nur in der Kommunalpolitik wächst ein demokratischer Geist", sagte Scheel später. Die Zeit im Rat sowie die Mitarbeit im städtischen Wirtschaftsausschuss, in dem sich Scheel für den Wiederaufbau stark machte, bedeuteten für den Vollblutpolitiker allerdings nur erste Schritte auf der Karriereleiter. Kurz darauf wurde der FDP-Mann nämlich in den NRW-Landtag gewählt, von wo aus ihn sein politischer Weg weiter in die Bundespolitik führte.

Scheel, der im Jahr 1946 der FDP beigetreten war, zählte in den 1950er Jahren zu den sogenannten Jungtürken in seiner Partei, die die Freien Demokraten in NRW in diesen Jahren in eine Koalition mit der SPD führten. Und damit bereits jenen Wechsel in der Bundespolitik vorwegnahmen, bei dem Walter Scheel zusammen mit Bundeskanzler Willy Brandt ab Ende der 60er Jahre das politische Wagnis eines sozial-liberalen Bündnisses im Bund einging.

So weit war es jedoch zunächst noch nicht. Im Jahr 1953 zog Walter Scheel über die Landesliste der FDP erstmals in den Bundestag ein, es folgten unter anderem Stationen als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Vizepräsident des Bundestages, ehe der Solinger 1969 dann zum Außenminister der SPD/FDP-Regierung in Bonn wurde.

"Nichts geschieht ohne Risiko, aber ohne Risiko geschieht auch nichts", hat Walter Scheel einmal gesagt. Ein Lebensmotto, das den Solinger in den 70er Jahren zu einem der wichtigsten Architekten der neuen deutschen Ostpolitik werden ließ, die er auch gegen bisweilen erbitternden Widerstand verteidigte. Denn für den Höhscheider war es nach den schrecklichen Erfahrungen während des Krieges immer eine Sache der inneren Überzeugung, sich für die Aussöhnung zwischen früheren Feinden einzusetzen.

Tatsächlich war Walter Scheels politischer Weg mit dem Posten des Außenministers aber noch nicht zu Ende. Im Jahr 1974 wurde der Höhscheider Junge nämlich schließlich zum Bundespräsidenten gewählt - ein Amt, das Scheel bis 1979 bekleidete und in dem er zu einem der beliebtesten Politiker der Bundesrepublik Deutschland wurde.

Was gewiss auch mit der Bodenständigkeit des Solingers zusammenhing. Denn während seiner Zeit als Bundespolitiker ging Walter Scheel mitunter auch recht ungewöhnliche Wege. So sammelte er etwa 1973 für die Organisation "Aktion Sorgenkind" Spenden, indem er das deutsche Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen" auf Schallplatte besang. Das Lied belegte damals Platz fünf der Musikcharts und verkaufte sich allein bis zum Frühjahr 1974 mehr als 300.000 Mal.

Solingen blieb der Liberale dabei während seiner gesamten politischen Karriere treu. Immerhin hatte Scheel bis Ende der 40er Jahre in der Klingenstadt gelebt. Eine Zeit, über die der Höhscheider später sagte, dass sie ihn maßgeblich geprägt habe. "Der Krieg war vorbei, und ich hatte überlebt", beschrieb der Alt-Bundespräsident noch vor drei Jahren in einem Interview mit unserer Redaktion sein seinerzeitiges Lebensgefühl.

In den zurückliegenden Jahren war es indes immer stiller um Walter Scheel geworden, der den Lebensabend in Süddeutschland verbrachte. Wobei der Alt-Bundespräsident bis zuletzt schöne Erinnerungen an die Heimat hatte. "Ich werde Solingen immer verbunden bleiben. Meine Geburtsstadt bleibt etwas Außergewöhnliches in meinem Leben", sagte Scheel beispielsweise 2009 in einem weiteren Gespräch mit unserer Redaktion.

Was umgekehrt auch galt. Im Rathaus steht schon länger eine Büste Scheels, die der Berliner Künstler Betrand Freiesleben schuf (). Und als im November des vergangenen Jahres ein vom Journalisten Ulrich Wickert herausgegebener Band "Freiheit und Mut" erschien, der das Leben und Wirken des ehemaligen Bundespräsidenten in Texten und Fotos nacherzählte, würdigte Oberbürgermeister Tim Kurzbach die Verdienste Scheels um seine Heimatstadt: "Wir danken Walter Scheel, dass er sich als Kulturbotschafter Solingens, der Stadt der tausend Chöre, den Menschen ins Herz gesungen hat".

(RP)
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