Solingen Vision: Solingen fährt komplett elektrisch

Solingen · Wenn 2030 die komplette Flotte der Verkehrsbetriebe ausgetauscht ist, soll kein Diesel-Autobus mehr dazugehören. Die Stadtwerke treiben ein Projekt voran, in dem die Oberleitung als eigenständige Ladeinfrastruktur fungiert.

 Die Stadtwerke-Projektleiter Jan Dworacek (l. / Netze) und Holger Ben-Zid (Verkehrsbetriebe) begutachten das Diesel-Aggregat eines Obusses. An dieser Stelle sollen in naher Zukunft Batterien die Fahrt ohne Stromabnehmer garantieren.

Die Stadtwerke-Projektleiter Jan Dworacek (l. / Netze) und Holger Ben-Zid (Verkehrsbetriebe) begutachten das Diesel-Aggregat eines Obusses. An dieser Stelle sollen in naher Zukunft Batterien die Fahrt ohne Stromabnehmer garantieren.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Die Solinger hängen an ihrem Stangentaxi. Daher haben sie sich in den neunziger Jahren in einer Bürgerbefragung auch für den Erhalt des Obus-Netzes entschieden, obwohl die Umstellung auf ein ausschließlich mit Dieselbussen betriebenes Verkehrssystem wirtschaftlicher gewesen wäre. "Heute hat sich diese Entscheidung als die richtige erwiesen", sagt Holger Ben-Zid, Projektleiter bei den Verkehrsbetrieben der Stadtwerke (SWS). "Wir wären jetzt sonst kaum in der Lage, einen komplett elektrifizierten Busverkehr zu realisieren."

Die Idee klingt visionär. Bis zum Jahr 2030 sollen sämtliche Diesel-Autobusse abgeschafft und durch Trolley-Hybrid-Busse ersetzt sein - ohne dabei das bestehende Oberleitungsnetz mit seiner Länge von 100 Kilometern erweitern zu müssen. "Man kann mit dem Netz mehr machen als nur Busfahren", lautet die Aussage der bergischen Gesellschaft "Neue Effizienz", die das Projekt "Smart City" als einer von fünf Partnern entwickelt. Der Obus soll nicht nur Strom beziehen, um überhaupt fahren zu können. Die Oberleitung soll zugleich als Ladestation dienen, damit ein Batteriebus auch auf nicht-elektrifizierten Strecken unterwegs sein kann. "Die Technik ist heute schon so weit, dass wir die kurzen Abschnitte der Linie 683 in Vohwinkel oder Unterburg voll elektrisch fahren können", erklärt Holger Ben-Zid. Dort, wo in den Obussen ein Diesel-Aggregat eingebaut ist, sollen in naher Zukunft Batterien zu finden sein.

 Bislang beziehen die Obusse in Solingen den Strom über die Kontaktstangen nur, um fahren zu können. In wenigen Jahren soll die Oberleitung zugleich als Ladestation dienen.

Bislang beziehen die Obusse in Solingen den Strom über die Kontaktstangen nur, um fahren zu können. In wenigen Jahren soll die Oberleitung zugleich als Ladestation dienen.

Foto: Stephan Köhlen

"Das Ziel ist, den eigenproduzierten Strom in Solingen zu verbrauchen", sagt Jan Dworacek. Der bei den SWS-Netzen zuständige Projektleiter verweist darauf, dass beispielsweise in den Neubaugebieten in Aufderhöhe über Photovoltaik-Anlagen Strom produziert werde, der zu bestimmten Zeiten vor Ort gar nicht verbraucht werde. "Diese Mengen könnten direkt in das Obus-Netz eingespeist werden." Der Vorteil: Da es sich in beiden Fällen um Gleichstrom handelt, würde der Vorgang der Umtransformierung entfallen. Weitere Kosten könnten gespart werden, weil nicht überall ein Netzausbau betrieben werden müsste. "Die Wirtschaftlichkeit innerhalb der Stadtwerke wird sich verschieben", ist sich Holger Ben-Zid bewusst. Für die Verkehrsbetriebe werde es teurer, für die Netze Solingen rentabler. "Und am Ende steht unsere Umwelt."

Eine strategische Entscheidung muss bis 2023 getroffen werden, wenn die nächsten Dieselbusse bestellt werden müssten, um die auslaufende Generation auf Solingens Straßen zu ersetzen. "Darauf würden wir jedoch gerne verzichten und stattdessen schon die ersten Hybrid-Fahrzeuge anschaffen", sagt Ben-Zid. Als Grundlage dienen die Fahrten, die die Stadtwerke ab 2017 mit vier Testfahrzeugen durchführen werden. "Die Busse werden direkt eine der Autobus-Linien 691, 693 oder 695 ersetzen." Die Linien also, die über mehrere Kilometer über Oberleitungen verfügen. Auf diesen Abschnitten könnte genug Strom getankt werden, um Batterie betrieben nach Aufderhöhe, Meigen oder Gräfrath weiterfahren zu können. "Wir wollen direkt mit der größten Herausforderung anfangen, um im Ernstfall keinen Schiffbruch zu erleiden", so Ben-Zid.

Das ehrgeizige Solinger Projekt erfährt Unterstützung von der Bundes- und Landesregierung und dient anderen Städten bereits in seinen Anfängen als Vorbild. Regensburg müsste jedoch erst noch in ein Oberleitungsnetz investieren.

(gra)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort