Solingen Verkehr hinkt beim Klimaschutz hinterher

Solingen · Eine vom Verkehrsclub Deutschland organisierte Podiumsdiskussion fragte nach Chancen klimafreundlicher Mobilität.

 Noch sind die Obusse mit Dieselmotoren ausgestattet, in Zukunft soll der Ersatzantrieb über Batterien erfolgen.

Noch sind die Obusse mit Dieselmotoren ausgestattet, in Zukunft soll der Ersatzantrieb über Batterien erfolgen.

Foto: Radtke Guido

Der Verkehr muss einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Schließlich ist er für ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Jetzt diskutierte eine fünfköpfige Runde in der Volkshochschule unter dem Motto "Klimafreundliche Mobilität - Wunschtraum oder baldige Realität ?" wie klimafreundliche Mobilität aussieht, wo Solingen steht und was sich ändern muss.

Wissenschaftler Michael Kopatz vom Wuppertal Institut lieferte eine Analyse des Ist-Zustandes. Jeder Bundesbürger sei im Jahr für die Emission von zehn Tonnen CO2 verantwortlich, das Ziel seien 1,5 Tonnen bis 2050. "Wenn wir Klimaschutz ernstnehmen, müssen wir auch im Verkehrsbereich 80 Prozent einsparen.", sagte Kopatz. Zwar seien in Deutschland Vorschritte zu verzeichnen, wie die Abschaltung von Kohlekraftwerken und der Ausbau erneuerbarer Energien. Nur beim Verkehr komme man keinen Schritt voran: "Wir haben eine Expansion mit immer größeren und schwereren Autos." Ebenso wachse der Güterverkehr auf Straße und Schiene wie auch der Flugverkehr.

Reiner Nießen (Verkehrsclub Deutschland) bewertete die Situation vor Ort. "Radfahren ist in Solingen mit drei bis vier Prozent Verkehrsanteil massiv unterrepräsentiert", kritisierte er. In vergleichbaren Städten liege der Wert zum Teil dreimal so hoch. Erfreulich sei der Trend zu immer mehr E-Bikes. Aber es sei notwendig, die Infrastruktur für mehr Radverkehr anzupassen. "Wir müssen das Radverkehrskonzept noch mehr umsetzen."

Jürgen Hustädt von den Verkehrsbetrieben der Solinger Stadtwerke stellte für den ÖPNV fest: "Wir fahren mehr oder weniger emissionsfrei." Er nannte zwei Herausforderungen für die Verkehrsbetriebe: Die Hilfsantriebe neuer Busse sollen statt mit Diesel von einer elektrischen Batterie gespeist werden. Zum anderen soll Strom aus privaten Photovoltaikanlagen ins Leitungsnetz der Obusse fließen und dort gespeichert werden.

Bernd Krebs als Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt, Klimaschutz und Mobilität erinnerte daran, dass es Anfang der 1990er Jahre Überlegungen gegeben habe, den Obus abzuschaffen. Die Lokalpolitik habe sich stattdessen dafür eingesetzt, ihn auszubauen.

Stadtdirektor Hartmut Hoferichter beobachtet in Solingen eine "leichte Tendenz" zu mehr Radfahrern. "Aber das reicht nicht." Er sieht ein Potenzial darin, die Bürger zum Zu-Fuß-Gehen zu animieren durch den Ausbau von verkehrsberuhigten Bereichen. Michael Kopatz räumte ein: "Verkehrspolitik ist anstrengend". Hier sei mit "heftigstem Widerstand" zu rechnen, wenn nur ein paar Parkplätze wegfallen sollen. Er empfiehlt eine kontinuierliche Veränderung anstatt "Hau-ruck-Maßnahmen" und betont: "Nur wenn der Autoverkehr unangenehmer wird, verändert sich die Einstellung der Menschen."

Ein Besucher warf ein, dass mit Fahrrad und Obus das Problem des Güterverkehrs nicht zu lösen sei. Hartmut Hoferichter griff eine Idee des Deutschen Städtetages auf: Versandhändler sollten für Retouren Gebühren erheben, um die Besteller zu disziplinieren. Michael Kopatz forderte, die von der Bundesregierung eingeplanten 130 Milliarden Euro zum weiteren Ausbau der Straßen in das Bahnnetz zu stecken. Sonst belüge man sich beim Klimaschutz selbst.

(bjd)
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