Solingen Unterhaltsame Revue mit Liedern der 20er Jahre

Solingen · Nach dem Ende des 1. Weltkriegs geriet die Welt aus den Fugen. Die Menschen wollten das Grauen vergessen und hatten Heißhunger auf Unterhaltung. So sind die Legenden über die tollen, tobenden und ungehemmten 20er Jahre entstanden, die besonders in Berlin ihren Höhepunkt erlebten. Viele Ensembles schöpfen heutzutage ihre nostalgischen Programme aus den Ereignissen der damaligen Zeit, die Kabarett-Revue des Gräfrather Kammerspielchens "Kann denn Liebe Sünde sein?" macht da keine Ausnahme.

Allerdings merkt der Zuschauer gleich zu Beginn, dass sich die Künstlergruppe nicht nur oberflächlich mit jener wilden Zeit beschäftigt hat. Der Conférencier Mike Rafalczyk scheut sich auch nicht, die Schattenseiten zu schildern. Der Tänzer Martin Brüning verkörpert den Gigolo, der als Eintänzer in den Tanzhallen sein schmales Brot verdiente. Rafalczyk agiert in dieser Revue als Moderator, Sänger und Beschützer der blonden Sängerin Carmen, eine Rolle die Annette Konrad hinreißend verkörpert.

Begleitet von Sven Homberg am E-Piano weiß die Diseuse auch die anzüglichen Lieder der Berlinerin Claire Waldoff gut zu interpretieren. Ihr Lied über Schönheitsoperationen "Wegen Emil seiner unanständigen Lust" hätte auch heute noch Bestand. Mike Rafalczyk singt auch jenes bissig-komische Couplet vom "Nachtgespenst".

Das Berliner Varieté "Wintergarten" hatte in Otto Reuter seinen Star. Seine ironisch-humoristischen Lieder waren Schlager und wurden damals von jedem Berliner gesungen, der "Blusenkauf" ist das beste Beispiel für das Repertoire des Komikers, der 1931 in Düsseldorf starb. Aber es durfte damals auch noch die Politik durch den Kakao gezogen werden. Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Bertold Brecht und Kurt Weill dichteten und komponierten spöttische Werke gegen die Obrigkeit.

Bei der musikalischen Reise durch die 20er Jahre erfreuten auch sehr die originalen Tänze von Sabine und Martin Brüning, die sowohl die Schritte vom Schiebertanz wie auch die raffinierten Bewegungen des Tango kongenial auf die Bretter der kleinen Bühne legten. Das Ensemble hat mit dem authentischen Stil seiner Revue beeindruckt, die letzte Vorstellung im Gräfrather Kammerspielchen an der Gerberstraße ist am 25. September, Beginn: 15 Uhr.

(wgü)
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