Solingen Über den Dächern von Solingen

Solingen · Von den vier Außenbalkonen der Lutherkirche sind das gesamte Stadtgebiet sowie Remscheid, Düsseldorf und (bei klarem Wetter) sogar der Kölner Dom zu sehen. Ein Aufstieg über die schmale Wendeltreppe in rund 80 Meter Höhe.

 Kirchmeister Hansjörg Schweikart begleitet Gruppen regelmäßig die Wendeltreppe hinauf auf den Turm der Lutherkirche.

Kirchmeister Hansjörg Schweikart begleitet Gruppen regelmäßig die Wendeltreppe hinauf auf den Turm der Lutherkirche.

Foto: Stephan Köhlen

Seit 25 Jahren führt Hansjörg Schweikart Gruppen den 83 Meter hohen Turm der Lutherkirche hinauf. Eine Frage bekommt er dabei immer wieder gestellt: Wie viele Stufen sind es bis ganz oben ? Die Antwort hat er stets direkt parat: "150, doch es lohnt sich", sagt der Kirchmeister und Vorsitzende des Lutherkirchen-Bauvereins. Der Turm ist von der ganzen Stadt aus zu sehen. Wer daher die Klingenstadt einmal aus einer anderen Perspektive sehen möchte, kann sie von oben betrachten.

Nach 131 Steinstufen, die als schmale Wendeltreppe den Turm hinauf führen, folgen nochmals 19 Stufen einer schmalen Holztreppe, bis die Aussichtsplattform und das Glockenhaus erreicht sind. Da die Wendeltreppe sehr schmal gebaut ist, kann während einer Turmbesteigung immer nur eine Gruppe die Treppe rauf oder hinunter steigen. Die Aussichtsplattform ist mit vier kleinen Balkonen in alle Himmelsrichtungen ausgestattet.

Auf dieser Etage hängen vier große Metallglocken an einem Stahlgerüst. "Alle Glocken zusammen wiegen um die zehn Tonnen. Sie haben gerade einen neun Anstrich bekommen, da sie seit nun 68 Jahren hier oben hängen", erklärt Hansjörg Schweikhart. Da sei sowas auch mal nötig.

Während der Turmbesteigung bemerkt Rainer Zaun, dass die elektrische Turmuhr gleich halb zwölf schlagen wird. Der Küster, der vor zwei Monaten das Amt in Solingen übernommen hat, hantiert daraufhin an einem Schaltkasten und stellt die vier Glocken aus. "Wenn man hier oben ist und die Glocken läuten, ist das wirklich sehr laut. Ich werde sie gleich wieder einschalten, wenn wir runter gehen", sagt Rainer Zaun.

Durch die riesigen vier Rosettenfenster strahlt die Sonne und erleuchtet die komplette Plattform. Die riesigen Fenster sind ebenfalls in alle Himmelsrichtungen ausgerichtet. Früher waren Scheiben hinter den Fenstern. Diese wurden durch Edelstahl-Netze ersetzt, um zu verhindern, dass Taubenkot die Scheiben beschmutzt. Die Netze sind zudem ein Regenschutz - "soweit es geht", sagt der Vorsitzende des Bauvereins. Denn die größte Schwierigkeit sei es, die rund 120 Jahre alte Kirche trocken zu halten. "Mittlerweile gelingt uns das aber sehr gut", freut sich Jörg Gebel, 2. Vorsitzender des Bauvereins.

Die Aussicht von den Balkonen über ganz Solingen ist atemberaubend. Bei klarem Wetter sind Remscheid, Düsseldorf sowie Cronenberg, Gräfrath und Vohwinkel zu sehen. "Sogar die Kräne vom Kohleabbau kann man erkennen. Bei Nacht sind sie beleuchtet", sagt Hansjörg Schweikart. Man erkennt auch den Kölner Dom - von der Turmspitze aus, die allerdings nur über eine Leiter zu erreichen ist.

Obwohl ein eisiger Wind über die Ecken des Turms weht, ist es auf dem von der Sonne angestrahlten Balkon gut auszuhalten. "Die Balkone sind meine Lieblingsplätze der Kirche. Hier könnte man sich einen Liegestuhl hinstellen, sich warm einpacken und die Sonne genießen." Insgeheim habe sich das Kirchenmeister auch mal vorgenommen. "Aber ich habe es leider noch nie umgesetzt", sagt er und lacht.

Schatzmeister Jörg Gebel hingegen bevorzugt den Innenraum der Lutherkirche. "Wenn man dort alleine ist und sich ganz hinten auf eine Bank setzt, ist die Ruhe entspannend - und man kommt zu sich", sagt er.

Selbst auf 32 Metern Turmhöhe sind noch Schmuckelemente vorhanden. "Damals war es natürlich sehr aufwendig, die Elemente auf solcher Höhe anzubringen. Von den Balkonen kann man diese Elemente leider gar nicht sehen", bedauert Schweikart.

In Planung sind derzeit Scheinwerfer, die die Glocken anleuchten sollen - damit wären sie auch von Außen zusehen. Und auch in Sanierungen muss immer wieder investiert werden, da das Gotteshaus altersbedingte Schäden aufweist. Der Bauverein hat sich das Ziel gesetzt, das Denkmal Lutherkirche zu erhalten und zu gestalten. Obwohl das Gebäude in erster Linie ein Ort der Ruhe und der Besinnung ist, kümmert sich der Verein um ein vielfältiges kulturelles Angebot wie Konzerte und Lesungen.

(RP)
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