Solingen Streik - wenn die Post nicht abgeht

Solingen · Bürger spüren längst die Auswirkungen. Seit Wochen hätten sie erwartete Briefe und Pakete nicht erhalten, klagen mehrere Solinger. Allerdings kämen 80 Prozent der Lieferungen pünktlich an, betont die Post.

 Wer jetzt Briefe verschickt, fragt sich, ob und wann sie während des Streiks beim Empfänger ankommen.

Wer jetzt Briefe verschickt, fragt sich, ob und wann sie während des Streiks beim Empfänger ankommen.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Der Blick in den Briefkasten ist in diesen Tagen nicht nur für Roland Westphal ein ernüchternder. "Ich habe morgen einen Termin im Widerspruchsausschuss der Deutschen Rentenversicherung und hätte längst die Sitzungsunterlagen per Post bekommen sollen", sagt der ehemalige Geschäftsführer der Solinger Kreishandwerkerschaft. Doch während des mittlerweile drei Wochen andauernden Poststreiks sei bei ihm und in der Nachbarschaft am Rande des Lochbachtals keine Sendung angekommen.

Dabei betonen Vertreter der Deutschen Post AG stets, dass 80 Prozent der Lieferungen die Kunden pünktlich erreichten. "Diese Zahl liegt sogar noch etwas höher", beteuert Post-Sprecher Dieter Pietruck. Das sei eindeutig belegbar. Ungewöhnlich sei dagegen, dass Kunden über drei Wochen keine Post erhalten hätten.

Genau das berichten aber auch andere Solinger, wie Helgo Diekötter, der am Eipaß wohnt: "Seit wir am 11. Juni aus dem Urlaub kamen, ist nichts mehr angekommen." Nicht nur das abonnierte Wochenmagazin habe im Briefkasten gefehlt, sondern auch eine Rechnung, die ein Handwerker laut eigener Aussage längst abgeschickt hatte. Auch Gerda Stader aus Rupelrath wartete Wochen auf ihre Bestellung. "Offensichtlich trugen die Postboten in Leichlingen die Sendungen aus, aber eben bei uns nicht", stellt sie fest. Es müsse doch möglich sein, die Arbeit so zu organisieren, dass reihum alle Bezirke zumindest vorübergehend ihre Sendungen erhielten, fordert Roland Westphal. So einfach sei das nicht, wendet Dieter Pietruck ein."Wie gut die Versorgung ist, hängt immer von der der sehr unterschiedlichen örtlichen Streikbeteiligung ab", erklärt der Postsprecher. Insgesamt beteiligten sich gestern nach Post-Angaben etwa 29 000 ihrer 140 000 Mitarbeiter am Streik, zu dem die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) aufgerufen hat. Doch in welchen Bezirken wie viele Briefträger, Paketzusteller und Postsortierer in den Ausstand treten, möchte Pietruck aus taktischen Gründen nicht verraten. Ersatz für die streikenden Mitarbeiter komme unter anderem vom Arbeitsmarkt. Sogar Führungskräfte und Verwaltungsmitarbeiter übernähmen in der Zeit des Arbeitskampfes andere Aufgaben. "Wir dürfen aber keine Beamten auf einem bestreikten Posten einsetzen - es sei denn, sie wollen dort freiwillig arbeiten", stellt Pietruck klar.

Genau in dieser Frage werden sich die Tarifparteien in Kürze zum wiederholten Male vor Gericht wiedersehen: Die Gewerkschaft wirft der Deutschen Post vor, Beamte gegen ihren Willen als Streikbrecher zu benutzen, unterlag aber in einem früheren Verfahren.

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Immerhin: Bei Gerda Stader aus Rupelrath kam gestern nach nach drei Wochen wieder eine Postlieferung an. "Es ist schon ärgerlich, über so einen Zeitraum erwartete Briefe nicht zu bekommen", sagte sie. Dennoch habe sie grundsätzlich Verständnis für den Streik als Mittel, um Interessen durchzusetzen. Dessen Hintergrund ist die Gründung von Regionalgesellschaften durch die Post, deren Mitarbeiter - zum Missfallen von ver.di - nicht mehr nach dem Haustarif, sondern den niedrigeren Tarifen des Logistiksektors bezahlt werden.

(ied)
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