Bau eines neuen Stellwerks Es fährt kein Zug nach Wuppertal

Wuppertal · Mehr als sechs Wochen ist Wuppertal vom Bahnnetz abgeschnitten. Pendler klagen über bis zu viermal so lange Fahrtzeiten. Die Bahn hofft, dass sich der Ersatzverkehr einspielt. Auch Autofahrer brauchen viel Geduld - trotz Ferien.

Schilderwald weist weg zu Ersatzbussen
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Normalerweise braucht Anne Mitzen für die Fahrt mit dem Zug von Düsseldorf nach Wuppertal rund 20 Minuten. Am Montag war sie viermal so lang unterwegs - mit dem Bus. Denn die siebtgrößte Stadt in NRW ist seit Sonntagabend für mehr als sechs Wochen komplett vom Netz der Bahn abgeschnitten, eine bislang beispiellose Aktion.

An Werktagen sind täglich Zehntausende Pendler betroffen, die nun auf den Schienenersatzverkehr umsteigen müssen. So wie Anne Mitzen. Für die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Wuppertaler von-der-Heydt-Museum bedeutet die Sperrung nicht nur eine unbequemere und längere Anreise, sie greift auch gravierend in ihren Tagesablauf ein. "Wegen der Tagesmutter für mein Kind bin ich an die Zeiten gebunden", sagt die 42-Jährige. "Mir bleibt nichts anderes übrig, als Minusstunden zu machen."

Bahnsperrung in Wuppertal - das sagen Betroffene
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Foto: Saskia Nothofer

Bereits in den Osterferien hatte die Bahn Wuppertal vom Netz genommen und einen Ersatzverkehr eingerichtet. Reisende hatten danach heftig Kritik geübt: Teils mussten Fahrgäste ortsunkundigen Fahrern den Weg zeigen. Die Fahrtzeiten auf der überfüllten Autobahn waren zu knapp kalkuliert und die Ersatzhaltestellen schlecht ausgeschildert.

Den lila Aufklebern auf dem Boden folgen

Diesmal soll alles besser werden. Der Start sei geglückt, findet Bahnsprecherin Kirsten Verbeek. "Die meisten Busse, insbesondere auf der Hauptstrecke nach Düsseldorf über die A46, waren pünktlich. Es gab zwar Ausreißer, deren Verspätung hielt sich aber im Rahmen", sagt die Sprecherin am Rande eines Pressegesprächs am Bahnhof Wuppertal-Oberbarmen, zu dem die Bahn geladen hatte.

Noch aber läuft es an den Haltestellen nicht reibungslos. Wer in Wuppertal-Oberbarmen von den Gleisen zu den Bussen will, findet dank der Hinweise zwar den Weg, muss aber durch einen etwas ramponierten Tunnel. Am Hauptbahnhof in Wuppertal irrten am Montagmorgen einige Pendler orientierungslos über die Straße. Denn die Ersatz-Haltestellen der Busse in Richtung Düsseldorf und Köln sind noch einmal ein paar hundert Meter weiter vom Bahnhof entfernt als in den Osterferien.

Die Busse halten am Parkplatz vor der Schwimmoper, der zu Fuß rund zehn Minuten vom Bahnhof entfernt ist. Was am Hauptbahnhof in Wuppertal noch nicht so gut zu klappen scheint, funktioniert in Oberbarmen besser. Pendler, die den Weg zum Schienenersatzverkehr suchen, müssen nur lila Aufklebern auf dem Boden folgen. Alexandra Böhle aus Witten hat den Weg sofort gefunden. "Alles hat gut geklappt", sagt die 20-Jährige, die zum Hauptbahnhof will.

Neues Stellwerk für 32 Millionen Euro

Auch Anne Mitzen lobt die gute Beschilderung zum Ersatzverkehr. Nur sei es im Bus so voll gewesen, dass sie die gesamte Strecke über stehen musste. "Das finde ich nicht in Ordnung", sagt sie. Als positiv habe sie empfunden, dass sich die Busfahrerin mehrfach für die Umstände entschuldigte - beispielsweise dafür, dass sie sich verfahren hatte. Überhaupt soll Service-Personal der Bahn an den Umsteigebahnhöfen für bessere Orientierung und gute Stimmung sorgen. Pro Haltestelle verteilen rund ein Dutzend sogenannter Reisenden-Lenker kleine Geschenke. "An unseren Baustellen haben Sie ganz schön zu knabbern", steht auf einer Tüte mit Studentenfutter, die von den Mitarbeitern verschenkt werden.

Grund für den mehr als sechs Wochen langen Stopp des Bahnverkehrs ist die Einrichtung eines neuen Stellwerks für 32 Millionen Euro. Das neue Werk ersetzt drei überalterte Anlagen aus den 1960er Jahren. Bei künftigen Bauprojekten dürfe sich die Bahn aber nicht noch einmal so unter Druck setzen lassen, dass eine derartig lange Sperrung notwendig sei, sagt Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbandes ProBahn. "So etwas muss in Teiletappen bewältigt werden."

Allerdings zeigt sich Ebbers optimistisch, was den Umgang der Bahn mit der nach Ostern geäußerten Kritik angeht. So seien etwa Wegweisungen, Fahrpläne und Taktung der Busse verbessert worden. Dennoch sei ein solches Projekt wegen seiner Dimension - allein 230 zusätzliche Fahrer und 90 Busse - unwägbar. "Ein Ersatzverkehr ist eine komplexe Sache und demonstriert darüber hinaus die Grenzen unseres Straßensystems."

Diese Grenzen waren gestern Morgen auch auf der A 46 zu spüren. Bis in den späten Vormittag hinein staute sich der Verkehr Richtung Düsseldorf zwischen Wuppertal-Varresbeck und Haan-Ost auf einer Länge von rund zehn Kilometern - ungewöhnlich für einen Ferientag und damit sicher dem Umstand geschuldet, dass viele Bahnpendler aufs Auto umstiegen. Großbaustellen erschwerten zusätzlich den Verkehrsfluss.

Noch bis 30. August ist daher viel Geduld gefragt. Dann soll der Schienenverkehr wieder nach Plan laufen. Zumindest in Wuppertal. Denn auf der Agenda der Bahn stehen weitere Großprojekte, etwa in Düsseldorf, Köln, Dortmund und Essen. Sperrungen inklusive. "Das ist nur der Anfang des Baumarathons", sagt Ebbers. "Da steht uns in NRW noch einiges bevor."

(RP)
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