Bergischer Hc BHC sorgt für Ablenkung von der Haft

Solingen · Coach Sebastian Hinze leitete gestern ein Handball-Training für jugendliche Insassen in der JVA Wuppertal-Ronsdorf.

Die Eisentüren sind sehr dick, ohne Begleitung mit passenden Schlüsseln geht hier gar nichts, und die Halle ist keine gewöhnliche - nicht, weil sie kleiner ist, sondern weil die Fenster, durch die das Tageslicht nur spärlich dringt, vergittert sind. Doch auf dem Feld fällt das kaum auf - Sebastian Hinze, Trainer des Bundesligisten Bergischer HC, ist in seinem ureigenen Element: Er vermittelt Handball. Diesmal jedoch nicht an seine Spieler, obwohl auch Rückraum-Shooter Fabian Gutbrod dabei ist, sondern an 14 jugendliche Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wuppertal-Ronsdorf.

Da kaum einer von ihnen massive Vorkenntnisse der Sportart hat, geht es Hinze erst einmal um Grundlagen. Warmlaufen, Koordinationsübungen, ein Fang-Spiel zum richtig "auf Temperatur kommen", bei dem auch Gutbrod mitmischt, Pass- und Wurfübungen. Der BHC-Trainer erklärt den Ablauf des Wurfes, für Rechtshänder: linkes Bein nach vorne, linke Schulter auch, dann aus einer Streckung, die den ganzen Körper erfasst, den Ball nach vorne bringen. Das Resultat ist technisch überschaubar, aber die Jugendlichen machen diese Defizite mit Kraft und Engagement wett. Zwischendurch wird es mal etwas unruhig, wenn zu viele der Jugendlichen gleichzeitig reden und scherzen wollen, doch als JVA-Beamter Frank Maszuhn von außen schrill dazwischen pfeift und "Zuhören" brüllt, winkt Hinze besänftigend ab: "Wer mischt sich da in mein Training ein?", fragt er mit einem verschmitzten Grinsen. Und hat danach die Jugendlichen komplett im Griff.

Die müssen dann erstmal lernen, dass Handball eine doch recht komplexe Sportart ist. Mit einem Arm vorwärts und gleichzeitig mit dem anderen rückwärts rudern, während man durch eine am Boden liegende "Sprossenleiter" tippelt - das ist nicht für jeden etwas. In den Spielen mit drei Teams Vier gegen Vier und zwei Torhütern sind solche koordinativen Fähigkeiten aber auch nicht gefragt, hier geht es um Bewegung, Spaß und Ehrgeiz.

Später sind alle zufrieden, für die Insassen war es eine willkommene fast zweistündige Abwechslung von ihrer Haft, die sie wegen aller erdenklichen Delikte verbüßen. "Das ist nicht anders als bei Erwachsenen", erklärt Maszuhn mit Blick auf die begangenen Taten. "Da ist von allem etwas dabei." Die JVA und das Justizministerium sind ebenfalls froh und dankbar, dass der BHC diese Einheit übernommen hat, Hinze ist vor allem mit dem Engagement der Jugendlichen mehr als einverstanden. Sein Co-Trainer Frank von Behren überreicht einen Wimpel des Handball-Klubs und lässt zwei Bälle da: "Dann habt ihr sechs."

In der anschließenden Fragerunde beweist Hinze zunächst noch einmal sein pädagogisches Geschick, als er mit Blick auf den plaudernden Gutbrod anmerkt: "Fabian, hörst du auch zu?" Der Halblinke gehorcht, revanchiert sich aber später, als sein Trainer den Tagesablauf der Profis schildert: "Normalerweise haben wir bis auf einen Tag zwei Trainingseinheiten. Manchmal gibt es einen Vor- oder Nachmittag frei, das liegt an meiner Laune." "Und die ist meistens schlecht", wirft Gutbrod grinsend ein. Die Jugendlichen lachen - sie haben die kurze Ablenkung genossen, bevor sie wieder hinter die dicken Eisentüren geführt werden.

(ame)
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