Solingen Spielsucht kostet Solingern Millionen

Solingen · Zum bundesweiten Aktionstag Glücksspielsucht klärte die Caritas gestern in Ohligs über Risiken und Folgen des Phänomens auf.

Nein, Konflikte mit den kurzfristigen "Nachbarn" gebe es nicht, beruhigte Gabriele Kirchner, Leiterin der Suchtberatung beim Caritasverband Wuppertal/ Solingen. Denn zum bundesweiten Aktionstag Glücksspielsucht hatten sie und ihre in rote Westen gehüllten Mitstreiterinnen ihren Infostand in der Ohligser Fußgängerzone nur wenige Meter vor einer Spielhalle platziert. "Im letzten Jahr sind wir sogar mit Luftballons reingegangen", erzählte Kirchner.

Diesmal stand jedoch ein anderer Programmpunkt im Vordergrund: Neben diversen Flyern mit allgemeinen Infos zum Thema Spielsucht und Kontaktadressen der Berater lagen auf den Tischen bunte Bilder aus, die unter anderem die strahlende Sonne, das Porträt eines Hundes, das "Peace"-Zeichen oder eine harmonische Familienszene zeigten. Unter der Fragestellung "Was bedeutet Glück für Sie?" hatten Teilnehmer der Caritas-Spielergruppe ihre Sichtweise verewigt. Und die Passanten an der Düsseldorfer Straße konnten es ihnen gestern gleich tun - oder sich an einem kleinen Quiz beteiligen. "Dabei kreuzen die Leute relativ viele falsche Antworten an", berichtete Suchtberaterin Natalie Becker.

Besonders das Ausmaß der Spielsucht wird offenbar häufig unterschätzt: 16 Millionen Euro betrug der Verlust der Solinger allein an Spielautomaten im Jahr 2014 - doppelt so viel wie zwei Jahre zuvor. Berücksichtige man die Ausgaben in Wettbüros oder für Internetspiele, käme man noch auf eine deutlich größere Zahl, erklärte Gabriele Kirchner. 0,5 Prozent der Bevölkerung gelten als pathologische Glücksspieler, bei der gleichen Anzahl wird das Spielverhalten immerhin als problematisch eingestuft. "Wichtige Kriterien sind die immer größere Aufwendung von Zeit und Geld und der Kontrollverlust", sagte Kirchner und nannte ein Beispiel: "Da verspricht jemand, auf jeden Fall nur 50 Euro zu verspielen, und hinterher geht er doch zum Bankautomaten und hebt ein Vielfaches davon ab." Statistisch gesehen litten unter den Folgen der Spielsucht, wie etwa dem Verlust des Arbeitsplatzes, Verschuldung oder familiären Konflikten neben dem unmittelbar Betroffenen bis zu zehn weitere Personen aus dessen Umfeld. Ein Fünftel der Spielsüchtigen seien Frauen. Laut jüngeren Studien trügen 3,5 Prozent der Jugendlichen das erhöhte Risiko einer Spielsucht. Zwar seien die Betreiber von Spielhallen verpflichtet, spezielle Schulungen für Angestellte und Konzepte gegen die Sucht vorzuhalten. Der Wille zur tatsächlichen Zusammenarbeit mit der Suchtberatung sei jedoch begrenzt: "Die höchsten Gewinne gehen eben auf Kosten der pathologischen Spieler", sagte die Leiterin der Suchtberatung, die ein Sperrsystem für Spielsüchtige in Spielhallen fordert.

Die Präsenz der Caritas an der Düsseldorfer Straße zeigte gestern rasch einen Effekt: "Wir hatten schon mehrere Betroffene hier, die überlegen, zu unserer Spielergruppe zu kommen", berichtete Suchttherapeutin Petra Schwarz. Einer der Männer habe im Laufe des Gesprächs zugegeben, auch täglich zu spielen, ein anderer gab vor, für einen Freund Infos einzuholen.

(ied)
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