Ansichtssache Solingen kämpft gegen Schulden, die andere machen

Solingen · Wenn nicht endlich die Rahmenbedingungen verändert werden, läuft die Stadt Gefahr, dass alle Sparanstrengungen vergeblich sind. Das ist die bittere Wahrheit - auch in Zeiten des Wahlkampfes.

Man konnte die Uhr danach stellen. Kurz vor der Bundestagswahl ist die ohnehin schöne Stadt Solingen noch mal ein bisschen schöner geworden, so dass selbst Bundespolitiker aus Berlin dem Charme der Klingenstadt erliegen und gar nicht anders können, als den Parteifreunden vor Ort sowie dem Wahlvolk einen Besuch abzustatten.

Nun wäre es zu billig, hier einfach Politiker-Bashing zu betreiben. Wahlkämpfe gehören zur Demokratie. Und so sind die Auftritte etwa von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sowie weiteren Berliner Größen schon in Ordnung. Allerdings braucht eine Demokratie auch funktionierende Kommunen - womit wir beim Thema sind.

Wenige Wochen nach der Wahl müssen Verwaltung und Politik in Solingen erstmals seit Menschengedenken einen ausgeglichenen Haushalt beschließen. Und dies ist nicht alles. Denn das Sparen setzt sich fort, da die Stadt 2021 nicht mal mehr auf Landeshilfe bauen kann. Gut, das war im Stärkungspakt vereinbart. Gleichwohl ist heute bereits absehbar, dass alle Anstrengungen nicht reichen. Der Grund: Die Sozialausgaben steigen weiter, ohne dass die Verantwortlichen in Solingen Einfluss darauf hätten.

Im Gegenteil, die Belastungen gehen auf das Konto der "großen" Politik, die durch ihre (Achtung: Ironie!) segensreiche Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnte die eigenen Probleme mehr oder weniger elegant nach unten delegiert hat. Und dies, so steht zu befürchten, weiter tut. Was ist zum Beispiel mit der Eingliederung der Flüchtlinge am Arbeitsmarkt? Nichts ist dauerhaft geklärt, wobei wir hier "nur" vom Arbeitsmarkt, nicht von einer umfassenden Integration sprechen.

Man kann's drehen, wie man will: Solingen kämpft gegen Schulden, die andere machen. Klar, früher hat die Stadt geprasst. Aber die meisten Sünden sind längst eingespart. Oder kennt jemand noch Luxusbäder, die man sich wider besseres Wissens gönnt? Oder Schulen mit Marmorböden, oder, oder, oder . . .

Nein, gibt es alles nicht. Kämmerer Ralf Weeke hat mal geschätzt, dass vielleicht noch 20 Prozent der Schulden hausgemacht sind. Der Rest kommt von außen. Die Zahl kann dabei ein paar Punkte abweichen. Gleichzeitig beschreibt sie jedoch das Problem. Wenn also die Solinger CDU dieser Tage OB Tim Kurzbach (SPD) zu größerem Sparen auffordert, mag da ja etwas dran sein. Eine echte Lösung wird es indes nur geben, wenn Bundes- und auch Landespolitik aufhören, sich auf Kosten der Kommunen einen schlanken Fuß zu machen.

(or)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort