Solingen Schocktherapie für junge Verkehrsteilnehmer

Solingen · Im Friedrich-List-Berufskolleg fand gestern die nächste Runde von "Crash Kurs NRW" statt. Das Programm soll Fahranfänger für die Risiken im Straßenverkehr sensibilisieren - am Beispiel konkreter Schicksale.

 Ulrich Schmidt von der Verkehrsunfallprävention der Polizei sprach zu den Schülern.

Ulrich Schmidt von der Verkehrsunfallprävention der Polizei sprach zu den Schülern.

Foto: mak

Die Kamera nimmt die Zuschauer mit auf eine rasante Fahrt über eine Landstraße - und lässt sie dabei die Perspektive des euphorisierten Fahrers einnehmen. Plötzlich taucht aus dem Schatten der Bäume ein Pkw auf und kreuzt die Fahrbahn. Bremsen quietschten, ein lauter Knall ertönt - dann folgt absolute Dunkelheit. Später erscheinen auf der Leinwand Originalfotos schwerer Autounfälle und die Namen getöteter Jugendlicher: Das Unfall-Präventionsprogramm "Crash Kurs NRW", mit denen die Polizei und ihre Mitstreiter seit 2010 regelmäßig Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen besuchen, soll nicht nur aufklären, sondern vor allem emotional mitnehmen, Bilder und Schicksale zeigen, die man nicht so schnell vergisst. "Realität erfahren. Echt hart", lautet das Motto. Gestern waren Vertreter von Polizei und Feuerwehr, eine Notfallseelsorgerin und die Tochter eines Unfallopfers einmal mehr zu Gast in der Aula des Friedrich-List-Berufskollegs an der Burgstraße.

 Ulrich Schmidt von der Verkehrsunfallprävention der Polizei sprach zu den Schülern.

Ulrich Schmidt von der Verkehrsunfallprävention der Polizei sprach zu den Schülern.

Foto: mak

Vor rund 200 Schülern im Alter von Fahranfängern schilderten sie ihre persönlichen Erfahrungen: Polizistin Katrin Grastat etwa berichtete von einem besonders schweren Unfall, bei dem sie mit einem Kollegen den Ort des Geschehens vor allen anderen Helfern erreicht hatte. Dabei war ein 20-jähriger Mann mit 110 Stundenkilometern ungebremst gegen eine Mauer an den Clemens-Galerien gerast und hatte sich lebensgefährliche Verletzungen zugezogen. "Vor allem die Zeit, bis die Rettungskräfte eintrafen, hat gefühlt eine Ewigkeit gedauert", sagte sie.

Sabine Pohl erzählte ihre persönliche Geschichte: Ihre Mutter war im Alter von 77 Jahren gestorben, nachdem ein junger Autofahrer die an der Ampel wartende Frau im Zuge ein gefährlichen Überholmanövers angefahren hatte. "Ich muss Ihnen meinen größten Respekt aussprechen, dass Sie darüber so souverän berichten", meldete sich einer der Zuhörer zu Wort. Die übrigen Schüler applaudierten.

Hintergrund der Aktion, die an einigen Schulen jährlich, an anderen sogar noch öfter stattfindet, ist die besondere Gefährdung jugendlicher, oft leichtsinniger Autofahrer im Verkehr: "In der Gruppe der 18 bis 24-Jährigen werden im Bergischen Städtedreieck pro Jahr etwa 350 Menschen bei Verkehrsunfällen verwundet", betonte Ulrich Schmidt von der Verkehrsunfallprävention der Polizei.

Um diese Zahl mit Leben zu füllen, ließ er alle Schüler aufstehen: "Im Durchschnitt wird jeder von Euch entweder direkt oder über Verwandte oder Freunde mit einem schweren Verkehrsunfall konfrontiert werden", verdeutlichte er die beklemmende Erkenntnis. Immerhin: Landesweit beobachtete die Polizei seit Beginn des "Crash-Kurs"-Programms eine leichte Abnahme der Unfälle mit Jugendlichen.

Ob es einen Zusammenhang gibt, ist aber unklar. Vor allem überhöhte Geschwindigkeit, aber auch Alkohol am Steuer und das Vernachlässigen der Anschnallpflicht oder unerlaubtes Spielen mit dem Handy während der Fahrt stürzten immer wieder ganze Familien ins Unglück. "Die Bilder von unserer Veranstaltung werden bei Euch in verschiedenen Situationen wieder im Gedächtnis auftauchen", sagte Schmidt, stellte aber klar: "Die nutzen nur dann etwas, wenn sie zu den richtigen Entscheidungen führen."

(RP)
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