Mit Gisela Elbracht-Iglhaut, Der Stellvertretenden Direktorin Des Kunstmuseums "Schauen und Staunen reicht nicht aus"

Solingen · Gisela Elbracht-Iglhaut ist im Kunstmuseum für das "Standbein" Junge Kunst und die Bergische Kunstausstellung verantwortlich.

 Gisela Elbracht-Iglhaut vom Kunstmuseum Solingen in der prämierten Shop-Installation von Matthias Wollgast.

Gisela Elbracht-Iglhaut vom Kunstmuseum Solingen in der prämierten Shop-Installation von Matthias Wollgast.

Foto: Stephan Köhlen

Frau Elbracht-Iglhaut, vor einer Woche wurde im Solinger Kunstmuseum die 69. Bergische Kunstausstellung eröffnet. Wie sind die ersten Tage verlaufen?

Elbracht-Iglhaut Nach einer sehr erfolgreichen Eröffnung konnten wir in der ersten Woche schon viele interessierte Besucher registrieren, die sich die Ausstellung beim individuellen Besuch oder mit der Gruppe angesehen haben. Insbesondere auch die Schulen nehmen die von der Stadt-Sparkasse Solingen beworbenen Führungen intensiv wahr. Uns liegen bis in den November hinein Anmeldungen vor. Das freut uns natürlich sehr. Die Gegenwartskunst spricht aber alle Generationen an. Es gibt auch schon zahlreiche private Gruppen, die sich die Schau seit vielen Jahren regelmäßig ansehen.

Die Bergische hat in diesem Jahr ein etwas anderes Gesicht. Auch, weil die Jury in diesem Jahr Mut bewiesen und gleich mehrere nicht leicht verständliche Positionen ausgewählt hat. Die Audioguides müssten also heiß laufen, oder?

Elbracht-Iglhaut In der Tat ist der Zugang bei einigen Exponaten sperrig und nicht so ganz einfach. Die Betrachtung erfordert vom Besucher zunächst einmal Aufgeschlossen- und Offenheit dem Unbekannten gegenüber. Nur dann ist es möglich, sich der Kunst zu nähern. Dazu bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit den Objekten. Schauen und Staunen reicht hier nicht aus. Intensive Betrachtung, kritische Reflexion und konstruktives Denken sind gefragt. Der Intellekt ist gefordert, schnelles Konsumieren ist damit unmöglich. Die Audioguides sind dabei eine ganz wichtige Hilfe für die Besucher und sollen das Verständnis der inhaltlich sehr gehaltvollen Positionen erleichtern. Da die Firma Walbusch die Kosten für die Produktion übernommen hat, können wir die Geräte kostenfrei an die Besucher ausleihen.

Wie erklärend sind die Texte?

Elbracht-iGlhaut Die Texte sind grundsätzlich so konzipiert, dass sie lediglich Denkanstöße geben und nicht alles vorwegnehmen. Der individuelle Zugang ist ja das Schöne an der Kunst. Der soll so frei sein wie möglich. Grenzenloses Denken ist möglich und unbedingt erforderlich, so könnte die Devise vielleicht umschrieben werden.

Mit seinem Museumsshop zeigt besonders Matthias Wollgast, der diesjährige Bergische Kunstpreisträger, eine sehr komplexe und vielschichtige Arbeit. Können Sie den Besuchern eine kurze Hilfestellung geben?

Elbracht-Iglhaut Die Arbeit von Matthias Wollgast lässt sich nicht in wenigen Worten erklären. Vielleicht nur so viel: der Künstler thematisiert hier den Begriff von Kunst an sich. Wo findet Kommerzialisierung statt, wie ist die Wertigkeit der Kunst in einem Shop zu beurteilen, der Originale Vorbilder auf Massenartikeln anbietet? Matthias Wollgast zeigt in seinem Museumsshop eigene Arbeiten neben angeeigneten fremden Exponaten oder Texten und vermischt alles miteinander. Die Übergänge sind dabei so fließend, dass wir den Unterschied zwischen wahrer Kunst und der Kunst als Ware kaum noch verifizieren können. Das ist aber nur ein Aspekt dieser vielschichtigen Installation, die den Begriff der Kunst konzeptuell hinterfragt.

Wie war grundsätzlich in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit den beteiligten Künstlern?

Elbracht-Iglhaut Kooperativ und konstruktiv. Die Vorbereitungen zu Katalog, Audioguides und Ausstellung bedeuten sehr viel Arbeit in begrenzter Zeit, in der wir alle Aufgaben bis zur Eröffnung umsetzen müssen. Das geht nur, wenn alle gut miteinander arbeiten. Die Künstler waren da eine große Hilfe. Wir besprechen die Auswahl der Wände miteinander, überlegen gemeinsam, welche Positionen nebeneinander gezeigt werden können und entwickeln ein schlüssiges Konzept. Manche Künstler benötigen technisches Equipment oder möchten Präsentationsflächen farbig gestalten. Wir realisieren alle Wünsche, sofern sie auch finanziell umsetzbar sind. Die Künstler begleiten nach Absprache auch die öffentlichen Führungen am Sonntag und tragen damit zur Vermittlung der unterschiedlichen Bildsprachen bei.

Die Präsentation gibt in diesem Jahr den Werken viel Luft und Raum. Wurde dieser Aspekt bei der Auswahl der Werke berücksichtigt?

Elbracht-Iglhaut Ich denke, weniger ist da mehr. Die Hängung lässt bewusst viel Platz und es gibt auch einmal leere Wandabschnitte. Die Objekte benötigen Freiräume. Die Exponate sind so gehalt- und kraftvoll, dass sie diesen Raum benötigen, um zu wirken. Es würde der Präsentation schaden, wenn sie überladen wäre. Bei einer Gruppenschau ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Objekte nicht gegeneinander konkurrieren, sondern miteinander funktionieren. Es gibt Dialoge und Bezüge, Blickachsen und Verbindungen, die der Besucher nachverfolgen kann. Übervolle Wände wären da sehr störend.

Die diesjährige Bergische wirkt wie eine Auffrischung, ja fast wie ein Neuanfang. Teilen Sie diesen Eindruck?

Elbracht-Iglhaut Jede Bergische Kunstausstellung war für mich bisher wie ein Neuanfang, da es immer andere Tendenzen und Schwerpunkte gab. Dieses Jahr bin ich von der Auswahl aber auch ganz besonders angetan. Jede einzelne der vorgestellten Positionen hat ein großes Potenzial, regt an zu Überlegung und Diskussionen. Die Auseinandersetzungen vor den Exponaten können auch kontrovers sein. Das haben die Reaktionen bereits in der ersten Ausstellungswoche gezeigt. Die Besucher diskutieren miteinander. Das ist für mich eine der wichtigsten Aufgaben dieser Schau. Die Kunst inspiriert, animiert, kritisiert, amüsiert und provoziert selbstverständlich auch. Sie fordert die Sinne, ganz besonders aber auch den Geist. Das ist erfrischend und anregend.

Was macht für Sie persönlich die 69. Bergische so besonders?

Elbracht-Iglhaut Für diese Ausstellungen gilt dasselbe wie für alle vorherigen. Die Stärke der Schau liegt in ihrer Vielfalt. Es gibt kein Leitthema und keinen roten Faden und genau darin liegt der Reiz. Malerei, Zeichnung, Skulptur, Video, Installation und Konzeptkunst ergänzen sich, ohne zu einer Einheit zu verschmelzen. Das wäre nicht wünschenswert. Verschiedenheit, Gegensätze und Kontroversen sorgen in der Ausstellung für Spannung. Das ist für den Besucher nicht immer leichte Kost, aber die Auseinandersetzung mit der Kunst ist eine Chance, den eigenen geistigen Horizont denkend zu erweitern.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE MICHAEL TESCH.

(RP)
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